Neue Parteiführung gesucht Personalprofis würden die CDU-Spitze anders besetzen

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Loyalität als Voraussetzung

Platzhirsch-Gehabe innerhalb der Union gilt es sonach in die Schranken zu weisen, darin sind sich alle drei Headhunter einig. Für den künftigen Umgang mit der CSU sei es wichtig, dass die künftige CDU-Führung deutlich mache, wer das Sagen habe. „Man kann Herrn Söder nicht bändigen, aber man kann klarmachen, dass die neue Kommunikation und Marschrichtung aus Berlin heraus erfolgt und nicht aus München“, sagt Klaus Hansen. „Der Schwanz muss aufhören, mit dem Hund zu wedeln. Gerade jetzt in der Opposition, wo keine Ministerposten zu verteilen sind.“ Die neue CDU-Führung müsse absolute Loyalität von ihrer bayerischen Schwesterpartei einfordern, findet Nicolas von Rosty. „Das würde auch jeder CEO in einem Unternehmen machen. Denn die absolute Todsünde in der Wirtschaft sind illoyale Kollegen oder Mitarbeiter.“

Ob die CDU den Empfehlungen der Personalberater folgen wird, ist völlig offen. Nicht einmal das Verfahren für die Auslese der nächsten Vorsitzenden ist geklärt. Über die Frage, wie es konkret weiter gehen soll, beraten nun am 30. Oktober zunächst die Kreisvorsitzenden der CDU. Die Funktionäre im Mittelbau der Partei machen dann einen Vorschlag , über den der Bundesvorstand am 2. November berät. Bis Ende des Jahres soll ein Parteitag die neue Führung wählen. Wenn alles glatt geht.

Während Dutzende Abgeordnete und Parteipromis wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer die Mitglieder abstimmen lassen wollen, lehnen CDU-Größen wie Wolfgang Schäuble das Verfahren ab. Erfahrene Bundespolitiker wie der Abgeordnete Roderich Kiesewetter weisen darauf hin, dass Mitgliedervoten noch nie ein Garant für Erfolg gewesen seien. Zudem seien die CDU-Mitglieder im Durchschnitt nicht repräsentativ für die Wählerinnen und Wähler der CDU. „Das repräsentative System mit Delegierten, die über den Kurs und die personelle Neuaufstellung der CDU bei einem Bundesparteitag entscheiden, halte ich deshalb für sinnvoll.“

Fünf potenzielle Kandidaten

Im Rennen um den Vorsitz nach Laschet sind drei altbekannte Gesichter und zwei relativ neue Aspiranten. Neben Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Jens Spahn erwägen auch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und der Vorsitzende der Mittelstandsunion Carsten Linnemann ihre Chancen.

Brinkhaus, dessen Wiederwahl an die Spitze der Fraktion Laschet zunächst verhindern wollte, genießt viel Rückhalt bei den Bundestagsabgeordneten. Er bindet die Parlamentarier ein und absolvierte im Sommer über hundert Besuche in den Wahlkreisen vor Ort. Ob der 53 Jahre alte Steuerberater allerdings über den ausreichenden Rückhalt bei der Masse der Mitglieder verfügt, darf bezweifelt werden.

Das trifft auch auf Carsten Linnemann zu. Der 44 Jahre alte Volkswirt ist aber immerhin der Zweitjüngste im Kreis der Bewerber und steht für die Themen Mittelstand und Wirtschaft. Ob er die aktive Unterstützung der Jungen Union erhält, wird sich kommendes Wochenende beim JU-Kongress in Münster zeigen. Der Parteinachwuchs war beim ersten Kandidatenrennen Ende 2018 noch für Jens Spahn, später sprach sich JU-Chef Tilman Kuban für Friedrich Merz aus. Die Stimmung auf dem JU-Kongress dürfte wichtige Hinweise geben, welcher potenzielle Kandidat künftig von den Jüngeren bevorzugt wird. Kein Wunder, dass alle fünf Aspiranten ihr Kommen zugesagt haben.

Weder Jens Spahn noch Norbert Röttgen haben ihre Ambitionen aufgegeben, wenngleich beide in den Kandidatenrennen zuvor den geringsten Zuspruch erhielten. Allerdings muss sich Spahn, der als Bundesgesundheitsminister nicht immer eine glückliche Figur machte und durch sein Arrangement mit Laschet in den Augen vieler beschädigt ist, eine ganz neue Strategie ausdenken. Im Gegensatz zu Röttgen (56) und Merz (65) steht der Gesundheitsminister mit seinen 41 Jahren aber immerhin für einen Aufbruch und eine Zukunftslösung, auch wenn er seit fast 20 Jahren dem Bundestag angehört und eigentlich auch schon so etwas wie ein Altpolitiker ist.

Immer noch sehr beliebt bei der CDU-Basis ist Comeback-Kid Friedrich Merz. Der Wirtschaftsanwalt spricht die Sprache vor allem der traditionellen und männlichen Anhängerschaft. Da die CDU-Mitglieder älter und männlicher sind als der Bevölkerungsdurchschnitt ist das vergleichsweise hohe Alter von Merz für die Wahl kein Hindernis – nicht ohne Grund hat Merz eine Kampfkandidatur abgelehnt und drängt auf eine Entscheidung durch die Basis.

Es kommt also sehr darauf an, welches Verfahren gewählt wird. Davon werden die Kandidaten wohl auch ihre weitere Strategie abhängig machen; bis auf weiteres schweigen sie. Der Druck für eine einvernehmliche Lösung steigt allerdings unablässig. Dabei sind jedoch auch einvernehmliche Teambildungen möglich – etwa Spahn und Brinkhaus als Fraktionschefs und Merz oder Röttgen als Parteivorsitzende.

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Eines steht jetzt schon fest: Die Schicksalsfrage der CDU wird nach dem Votum der Kreisvorsitzenden entschieden werden – die Krise reicht so tief, dass die bisherigen Führungsgremien ihre Autorität verloren haben. Für die Personalberater wird der Wettkampf dennoch spannend sein – auch wenn direkte Personalentscheidungen in der Wirtschaft fast nie von den Mitarbeitern oder den Aktionären getroffen werden.

Mehr zum Thema: Die Union ringt nicht mehr um die Macht, sondern um ihre Identität, ihre Relevanz – ihre Existenz. Sie hat noch immer das Potenzial zur Volkspartei. Und setzt in diesen Wochen alles dran, es für lange Zeit zu verspielen.

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