Neue Parteiführung gesucht Personalprofis würden die CDU-Spitze anders besetzen

Quelle: Getty Images

Die CDU braucht den Neustart und dafür auch eine neue Führungsriege. Doch gleich beim ersten Schritt, Armin Laschets Abschied von der Macht, herrscht Chaos. Was Deutschlands Top-Personalberater der Partei raten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Stimmung in der CDU ist angespannt, fast sozialdemokratisch. Nach der historischen Niederlage des von großen Teilen der Parteibasis ungeliebten Kanzlerkandidaten Armin Laschet werden die Rufe nach einer Urabstimmung über eine neue Führungsspitze der konservativen Partei lauter. Die Nachfolge von Angela Merkel wurde von Gremien in Hinterzimmern entschieden, ohne würdiges Ergebnis. Das indirekte Ergebnis heißt nun wohl Olaf Scholz. An der Basis brodelt es, die rund 405.000 CDU-Mitglieder vertrauen ihren Parteiorganen täglich weniger und wollen die Sache offenbar am liebsten selbst in die Hand nehmen.

Das Problem: Die Satzung der Partei lässt keine direkte Wahl der Vorsitzenden durch die Mitglieder zu. Dieses Recht steht ausschließlich den 1001 Delegierten eines Bundesparteitages zu. Zwar können diese Basisbefragungen durchführen. Das auf diese Weise ermittelte Stimmungsbild ist jedoch nur eine Empfehlung für die Delegierten, es ist nicht bindend.

Den ersten Schritt auf die Basis zu hat der Bundesvorstand aber immerhin gemacht. Gemeinsam mit dem Präsidium hat der Vorstand einen radikalen Neuanfang beschlossen, nachdem Armin Laschet sich der Erneuerung der Partei untergeordnet hat. Es solle „kein Stein auf dem anderen bleiben“, wie es in der Sitzung hieß. Der gesamte Vorstand soll neu gewählt werden – inklusive des Vorsitzenden, des Generalsekretärs und der stellvertretenden Parteichefs. Ausgesprochen war dieser Vorsatz schnell. Aber wie stellt eine Partei mit mehr als 70-jähriger Geschichte und festgefahrenen Mustern aus 16 Jahren Regierungsverantwortung so einen Neustart am besten an?

„Wer es wirklich ernst mit dem Neuanfang meint, muss sich auf eine systematische Suche nach Führungspersonal einlassen“, sagt Nicolas von Rosty. Der Deutschlandchef der internationalen Personalberatung Heidrick & Struggles muss es wissen. Er brachte unter anderem Dominik Asam als Finanzvorstand zu Airbus und Birgit Bohle als Personalvorständin zur Deutschen Telekom. Der CDU rät er, zunächst ein genaues Stellenprofil für die zu besetzenden Positionen zu erarbeiten – „um ein bisschen den Nepotismus auszuschalten“. In der Politik werde viel zu wenig über Fähigkeiten gesprochen, sagt er. „Es geht immer direkt darum, wie gut man sich gegenseitig kennt.“

Nach dem katastrophalen Wahlergebnis bei der Bundestagswahl will die CDU auf einem Parteitag einen komplett neuen Bundesvorstand wählen. Aber es gibt Unstimmigkeiten, wann die Neuaufstellung abgeschlossen sein soll.

Danach würde von Rosty „ein Nominierungskomitee einrichten, das möglichst divers besetzt ist“. Dieses müsse die Personalauswahl anhand des zuvor definierten Stellenprofils nach möglichst objektiven Kriterien vornehmen. Insgesamt müsse das Kandidatenfeld deutlich geöffnet werden. „Es gibt in der CDU mehr als nur drei gute Personen. Es müssen nicht immer dieselben Namen sein“, sagt von Rosty. „Diese Polarisierung auf drei Personen, noch dazu Männer, ist eine totale Verengung für eine Volkspartei.“ Es gebe mit Sicherheit auch eine Reihe weiterer interessanter Talente innerhalb der Partei. „Und es ist genügend Zeit, um diese Leute bis zur nächsten Bundestagswahl aufzubauen.“

Wie genau das Stellenprofil für die künftige CDU-Führung aussehen müsste – auch davon hat Nicolas von Rosty klare Vorstellungen. Es brauche signifikante politische Erfahrung, Charisma, Kommunikationsfähigkeit, persönliche Integrität – und vor allem: natürliche Führungsautorität. „Im Moment ist die Partei orientierungslos, weil ihr eine klare Führungsfigur fehlt“, sagt von Rosty. „Im Hinblick auf die Außenkommunikation muss deutlich mehr Disziplin da sein – und das hat etwas mit einer straffen Führung zu tun.“ Angela Merkel habe das gut hinbekommen, nun klaffe in der Partei ein „Führungsvakuum“. Das führe dazu, dass man sich „gegenseitig disqualifiziert, so wie wir es gerade in den letzten Wochen gesehen haben“, sagt von Rosty. Es sei deshalb wichtig, dass nach der Entscheidung für eine neue Führungsriege eine ganz klare Disziplin in der Außenkommunikation vorherrsche, innerhalb der man dieser das Vertrauen schenkt. „Das ist das wichtigste im Moment, damit die Leute wieder wissen, woran sie sind bei der CDU.“

Klaus Hansen ist im Frankfurter Büro der internationalen Personalberatung Odgers Berndtson tätig, unterstützt Unternehmen seit 26 Jahren bei der Besetzung von Vorstands-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsratsposten. Er sagt: „Der Kardinalsfehler wäre jetzt, in aller Hektik einen neuen Vorstand zu wählen, ohne das langfristige Ziel zu kennen. Wofür soll die Partei zukünftig stehen?“ Für politische Parteien genauso wie für Unternehmen gelte: „Wenn Sie nicht wissen, wohin der Weg führen soll, ist jeder Weg richtig, aber auch jeder Weg falsch.“ Sein Vorschlag an die CDU: „Erst einmal einen Interimsvorstand für zwölf Monate wählen, der der Partei programmatisch einen neuen Kurs gibt.“ In diesem einen Jahr hätten die Vorstandsmitglieder und alle, die unter ihnen arbeiteten, die Möglichkeit, sich zu beweisen. Dann, nach Ablauf der zwölf Monate, könne die Partei „auch auf längere Sicht eine neue Parteispitze bestimmen, die diesen neuen programmatischen Kurs glaubhaft verkörpert und dann auch konsequent umsetzt.“



„Sie müssen ja nicht nur ein gutes Produkt haben, eine gute Strategie, sondern sie müssen das auch erfolgreich vermarkten“, sagt Hansen. Einen neuen programmatischen Kurs festzustecken, sei das eine. „Aber ob man dann auch der richtige Wahlkämpfer für die Umsetzung desselben ist, ist eine ganz andere Frage.“ Deswegen sei es sinnvoll, nach zwölf Monaten noch einmal neu zu entscheiden, wer die richtigen Personen für die Parteispitze sind.

„Eine Top-Führungskraft muss eine Vorstellung von der Zukunft nicht nur haben, sondern auch vermitteln können“, sagt auch der Headhunter Matthias Fritton. Er ist im Frankfurter Büro der internationalen Personalberatung Spencer Stuart tätig, arbeitet mit Klienten aus den Bereichen Finanzdienstleistungen, Politik und Regulierung. „Eine Frau oder ein Mann an der Spitze einer Partei muss in einer globalisierten Welt bestehen, mit Seinesgleichen in unterschiedlichsten Kulturen zusammenarbeiten können“, sagt Fritton. Es sei deshalb wichtiger denn je, „die Stärken der anderen zu fördern und anderen mehr Platz zu geben, als sich selbst zu nehmen“.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%