Neue Studie Geisterspiele zerstören den Heimvorteil – aber nur in der 1. Fußball-Bundesliga

26.05.2020, Nordrhein-Westfalen, Dortmund: Fußball: Bundesliga, 28. Spieltag, Borussia Dortmund - FC Bayern München im Signal Iduna Park. Dortmunds Torwart Roman Bürki in Aktion. WICHTIGER HINWEIS: Gemäß den Vorgaben der DFL Deutsche Fußball Liga bzw. des DFB Deutscher Fußball-Bund ist es untersagt, in dem Stadion und/oder vom Spiel angefertigte Fotoaufnahmen in Form von Sequenzbildern und/oder videoähnlichen Fotostrecken zu verwerten bzw. verwerten zu lassen. Foto: Federico Gambarini/dpa-Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Quelle: dpa

Jetzt ist es amtlich: Die Geisterspiele haben laut einer Studie von Wettbewerbsökonomen den Heimvorteil in der Bundesliga zerstört. Erstaunlicherweise gilt das aber nicht in der 2. und 3. Liga.

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Da sage noch jemand, Ökonomen würden sich nur um abstraktes Zeug kümmern und die lebensnahe Forschung vernachlässigen. Die Volkswirte Kai Fischer und Justus Haucap vom Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) haben sich jetzt in einer aufwendigen Datenanalyse den Fußball vorgeknöpft, genauer gesagt: die Auswirkungen von Corona-Lockdown und Geisterspielen auf den viel zitierten Heimvorteil*.

Dazu analysierten die Forscher alle 274 Geisterspiele der abgelaufenen Saison in den oberen drei Ligen und verglichen diese mit knapp 3000 Partien, die in den Saisons 2017/18, 2018/19 und 2019/20 vor Zuschauern stattgefunden hatten.

Ergebnis: Vor Corona gewann in der Bundesliga das Heimteam im Schnitt 45 Prozent seiner Spiele – im leeren Stadion hingegen nur 33 Prozent. In der 2. und 3. Liga gab es keine statistisch eindeutigen Veränderungen. In der 2. Liga schafften es die Heimmannschaften im Lockdown sogar prozentual etwas häufiger zum Sieg (43 Prozent gegenüber knapp 42 Prozent vorher).

Um diese Ergebnisse genauer zu erklären, ließen die Ökonomen diverse Nebenfaktoren in ihre Regressionsanalyse einfließen: etwa die Größe der Stadien, die durchschnittliche Auslastung in Vor-Corona-Zeiten und den Anteil der Stehplätze (weil von dort die meiste Stimmung kommt). Auch Trainerwechsel, Derbys und die Zahl der „englischen Wochen“ berücksichtigten sie, um von der Besucherzahl unabhängige Formschwankungen möglichst „herauszurechnen“.

Dabei zeigte sich, dass es beim Heimvorteil nicht so sehr auf die absolute Zuschauerzahl ankommt – sondern vor allem auf die Auslastung der Stadien. „Mannschaften, die immer vor halbleeren Rängen spielen, haben durch Geisterspiele weniger Nachteile als Mannschaften, die sonst vor ausverkauftem Haus spielen“, sagt Ökonom Haucap. Dies dürfte etwa für Clubs wie den 1. FC Köln zutreffen, der ohne seine Fans kein einziges Geisterspiel gewinnen konnte. Das Ergebnis erklärt aber auch, warum die Geisterspiele in den unteren Ligen weniger Konsequenzen für die Heimteams hatten. Zudem dürfte das Studienergebnis laut Haucap „implizieren, dass etwa das neue Hygienekonzept von RB Leipzig mit halbleerem Stadion den Heimvorteil nicht zurückbringt.“



Außerdem leiten die Wissenschaftler aus ihrer Arbeit eine Wettbewerbsverzerrung in der abgelaufenen Bundesligasaison ab. „Werder Bremen hatte sechs Heimspiele ohne Zuschauer, andere Vereine wie Wolfsburg und Leverkusen aber nur vier. Dies könnte das Saisonfinale in einem womöglich relevanten Ausmaß beeinflusst haben“, heißt es in der Studie.

Für geplagte Heimfans gibt es mit Blick auf die kommende Saison allerdings einen Trost: Die Spieler gewöhnen sich offenbar so langsam an die trostlose Geisterspielatmosphäre. „Der Verlust des Heimvorteils war beim ersten Geisterspieltag deutlich größer als beim letzten – da war alles fast wie früher“, berichtet Haucap.

Er muss sich allerdings ohnehin nicht über das Fußball-Oberhaus sorgen: Haucap ist Fan des Zweitligisten FC St. Pauli.

*Kai Fischer, Justus Haucap: Does Crowd Support Drive the Home Advantage in Professional Soccer? Evidence from German Ghost Games during the COVID-19 Pandemic, DICE Discussion Paper 344, Juli 2020

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