Der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach von der SPD steht für drei Dinge: Lauterbach ist kundig, in vielen Medizin- und Gesundheitsthemen versiert. Er kennt die Themen, er kennt die Akteure, kann also in der Pandemie schnell und effektiv ins Amt starten. Zuerst war der Arzt als Epidemiologe tätig, als Hochschullehrer und lange Jahre als Gesundheitspolitiker. Schon einmal sah er sich fast im Gesundheitsministerium. Doch obwohl die SPD in den vergangenen Jahren im Bund mitregierte, blieb das Gesundheitsressort bei der Union.
Lauterbach ist trotz eines fast einschläfernden Sprechstils sehr streitlustig und nicht konfliktscheu. Mit Ärztevertretern und Pharmaverbänden legt er sich an, er predigt eine Lebensführung, die bei ihm so weit geht, dass andere von Askese statt Lebensfreude sprechen. Für manche wird er durch all das glaubhaft, andere sehen seine Kompromissfähigkeit und Lösungssuche eingeschränkt. Zudem hat er eine astreine sozialdemokratische Aufsteigerbiografie.
Lauterbach ist – sagen wir mal – eigenwillig. Und er hat in der Vergangenheit auch immer mal seine Meinung geändert. Manchmal, weil sich die Dinge geändert haben. Manchmal aber auch, weil er Fakten eher freihändig interpretiert hatte. Das kann in der jetzigen Krisenlage schwierig werden – oder aber umgekehrt auch mal helfen, neue Lösungen und schnelles Handeln zu schaffen. Zu wünschen wäre es den Menschen, die wegen Führungsschwäche der jetzigen Bundesregierung und Föderalismus-Befindlichkeiten mehr zu tragen haben als nötig.
Der neue Minister mit der kantigen Erscheinung hat hochgesteckte Ziele: Er will die Pandemie besiegen und dabei sogar ein robusteres Gesundheitssystem ohne Einschränkungen für alle schaffen. Das ist viel. Auch weil kaum mehr Geld da ist nach Jahren üppiger Ausgaben und der Pandemie. Es fließt schon ein enormer Bundeszuschuss ins System, das sich doch nur aus Beiträgen der Versicherten speisen soll.
Um die Mammutaufgaben zu bewältigen, muss Lauterbach sein Temperament beherrschen, das sehr gut für Opposition taugt, aber im Amt schaden kann. Und er muss ein gutes Team um sich scharen, das ausgleicht, was er nicht vermag. Ein bisschen ist es so wie bei der letzten Regierungsbildung unter Angela Merkel. Nur jetzt eben noch mit Pandemie-Bedingungen. Vor knapp vier Jahren machte Merkel den ungeliebten wie sehr ehrgeizigen Jens Spahn von der CDU zum Gesundheitsminister. Das Amt sollte ihn disziplinieren und ein Scheitern war nicht ausgeschlossen in einem Ministerium, dessen Mitarbeiter von der zehnfachen Zahl an Gesundheitslobbyistinnen umgeben ist. In den letzten vier Jahren standen dabei nicht einmal die sonst eher üblichen Sparrunden und Verteilungskämpfe an. Erst war Hochkonjunktur, dann Pandemie.
Der Gedanke, dass Lauterbach einen beinharten Job zu absolvieren hat, den nicht viele unter den jetzigen Bedingungen überstehen können, dürfte Olaf Scholz auch gehabt haben.
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