Neuer Vorstoß gegen die NPD Staat soll auch NPD-Mandatsträgern Geldhahn zudrehen

Die Bundesregierung will die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung ausschließen. Die Kommunen fordern, auch Mandatsträgern der Partei den Geldhahn zuzudrehen. Ein Gutachten zeigt, wie das rechtlich möglich wäre.

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Im hessischen Büdingen hatte der Verwaltungsgericht in der Finanzierungsfrage für die NPD entschieden. Nun zeigen die Kommunen einen Weg auf, wie sich der Geldhahn trotzdem zudrehen lässt. Quelle: dpa

Berlin Kommunale Mandatsträger von verfassungsfeindlichen Parteien wie der NPD lassen sich von staatlichen Zuwendungen ausschließen, sofern das Grundgesetz entsprechend geändert wird. Zu dieser Einschätzung kommt ein Gutachten für den Deutschen Städte- und Gemeindebund. Die Expertise liegt dem Handelsblatt vor.

Laut Gutachten könnte im Grundgesetz mit einer „Annexregelung“ festgelegt werden, dass die Landesgesetzgeber berechtigt sind oder gegebenenfalls sogar verpflichtet werden, „kommunale Mandatsträger, Gruppen und Fraktionen, die sich aus Mitgliedern verfassungsfeindlicher Partei zusammensetzen, von Geld- und Sachleistungen auszunehmen“.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte den Bundesgesetzgeber auf, „unverzüglich“ die notwendigen Schritte für eine solche Grundgesetzänderung vorzunehmen. „Wir sind sicher, dass es für eine solche Lösung eine breite Mehrheit im Deutschen Bundestag und im Bundesrat gibt und wir können damit ein Zeichen für eine wehrhafte Demokratie setzen“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem Handelsblatt.

Erstellt hat die Expertise im Auftrag des Städte- und Gemeindebundes der Düsseldorfer Staatsrechtler Johannes Dietlein von der Freiherr-vom-Stein-Akademie. Dietlein knüpft mit seinem Vorschlag an eine Gesetzesinitiative des Bundesrats an. Die Länder wollen Artikel 21 des Grundgesetzes um einen Passus ergänzen, wonach der Ausschluss von Parteien von der staatlichen Teilfinanzierung im Grundsatz möglich ist, sofern sich diese Parteien auch ohne verboten zu sein gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wenden. Staatsrechtler Dietlein regt nun in diesem Rahmen besagte kommunalrechtliche „Annexregelung“ an.

Zugleich gab Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Freitag bekannt, dass er ein Verfahren zum Stopp der NPD-Finanzierung eingeleitet hat. Eine Formulierungshilfe für die notwendige Änderung des Grundgesetzes und weiterer Gesetze habe er an die Spitzen der Regierungsfraktionen weitergeleitet, teilte der Minister mit. Nun muss der Bundestag aktiv werden. Denn Gesetzesinitiativen im Bereich des Wahl- und Parteienrechts werden nach der Staatspraxis formell nicht von Seiten der Regierung ergriffen, sondern aus dem Parlament selbst.

Eine als verfassungsfeindlich eingestufte Partei weiter mit Steuermitteln zu unterstützen, sei „ein Zustand, der nur schwer erträglich ist“, sagte de Maizière. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte ein rasches Ende der Parteienfinanzierung für die NPD. „Entsprechende Möglichkeiten haben wir sehr sorgfältig geprüft. Das ist in dieser Legislaturperiode machbar“, sagte Maas am Freitag. Steuermittel für die NPD seien eine „staatliche Direktinvestition in rechtsradikale Hetze.“

Nun muss die rechtsextreme NPD mit einem Ende der Finanzierung mit staatlichem Geld noch in diesem Jahr rechnen. Zuvor hatten die Bundesländer geschlossen einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, um Parteien mit verfassungsfeindlichen Zielen von der Parteienfinanzierung und sonstigen Leistungen auszuschließen. Sie griffen damit einen Weg auf, den das Bundesverfassungsgericht im NPD-Verbotsverfahren angedeutet hatte.


Karlsruhe lässt Spielraum für „andere Reaktionsmöglichkeiten“

Das Gutachten für den Deutschen Städte- und Gemeindebund, das sich nun mit der kommunalen Ebene befasst, fordert eine zusätzliche Regelung. Rechtlich und rechtspolitisch spreche viel für die „Implementierung eines differenzierenden Zuwendungssystems auf kommunaler Ebene“ als Ergänzung zu der vom Bundesverfassungsgericht in die Diskussion gebrachten verfassungsrechtlichen Ausdifferenzierung des parteienrechtlichen Sanktionssystems, schreibt der Verfassungsjurist Dietlein in seiner Expertise.

Grundlage für eine solche Differenzierung könnte nach Ansicht von Dietlein „die für eine Neuordnung der allgemeinen Parteienfinanzierung maßgebliche isolierte Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit von Parteien durch das Bundesverfassungsgericht oder das Bundesverwaltungsgericht“ sein.

Hintergrund der Forderung ist auch das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes im Fall der Stadt Büdingen. Das Gericht hatte eine Satzungsbestimmung der Stadt wegen Verstoßes des Gleichbehandlungsgebotes für rechtswidrig erklärt, mit der der NPD-Fraktion im Stadtrat die Zuwendungen gekürzt worden waren. Mit der Satzungsänderung hatte Büdingen auf das NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts Mitte Januar reagiert.

Nach Ansicht der Karlsruher Richter ist die Partei zwar verfassungsfeindlich, aber zu unbedeutend, um sie aufzulösen. Doch gebe es „andere Reaktionsmöglichkeiten“ wie den Entzug der Parteienfinanzierung.


CDU und SPD offen für Vorstoß der Kommunen

Für den Deutschen Städte- und Gemeindebund reicht der bislang formulierte Vorstoß des Bundesrats allerdings nicht aus. „Der Entzug dieser staatlichen Teilfinanzierung würde die NPD nicht dort treffen, wo sie am stärksten ist, nämlich auf der kommunalen Ebene“, sagte Hauptgeschäftsführer Landsberg. Daher bedürfe es einer weiteren Änderung des Grundgesetzes. Zurzeit habe die NPD in den Bundesländern 338 Sitze in kommunalen Parlamenten. Die Mandatsträger und die entsprechenden Fraktionen erhielten entsprechende Leistungen der Stadt oder Gemeinde.

Aus dem Bundestag kommen positive Signale für eine solche Initiative. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach sagte dem Handelsblatt: „Wir sollten die vom Bundesverfassungsgericht eröffnete Möglichkeit, die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen, in vollem Umfange nutzen, auf allen staatlichen Ebenen.“

SPD-Vize Ralf Stegner forderte die sorgfältige Prüfung aller Möglichkeiten, die es erlauben, Rechtsparteien und Demokratiefeinden die Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung zu entziehen. „Dies muss verfassungsfest ausgestaltet werden“, sagte Stegner dem Handelsblatt. „Das ist ein Gebot unserer wehrhaften Demokratie und auch eine Frage des Anstands, was die Verwendung von Steuermitteln der Bürgerinnen und Bürger betrifft.“

Um die NPD von staatlichen Geldern auszuschließen, wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig.

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