
Das neue Gesetz zum Bleiberecht ist ein ausländerpolitischer Gemischtwarenladen. Das Gesetz macht es Menschen, die sich gut integriert haben, leichter als bisher, an eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung zu kommen. Gleichzeitig schafft die Bundesregierung mehr Möglichkeiten, um abgelehnte Asylbewerber, die Probleme machen, schneller außer Landes zu schaffen.
Dass Union und SPD jetzt so viele verschiedene Regelungen in einen einzigen Gesetzentwurf gepackt hat, ist für die Opposition ungünstig. Denn das macht es schwieriger, das Gesetz zu bekämpfen. Zum Beispiel gibt es Erleichterungen beim Familiennachzug. Außerdem hat die SPD im Tandem mit den Unternehmerverbänden eine Verbesserung der Situation von geduldeten Ausländern, die einen Ausbildungsplatz haben, durchgesetzt. Das finden auch die Linkspartei und die Grünen gut. Auf der anderen Seite kommt von der Opposition aber viel Kritik an den neuen Bestimmungen zu Abschiebung und „Ausweisungsgewahrsam“.





Auch die SPD will sich in diesen Fragen noch nicht ganz geschlagen geben. „Natürlich werden uns auch die neuen Regelungen zur Abschiebungshaft und die mit dem Gesetz ebenfalls erfolgte Überarbeitung der Ausweisungsbestimmungen weiterhin beschäftigen“, erklärt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). Mindestens genauso wichtig ist ihr aber, dass Flüchtlinge und andere Zuwanderer sich in Deutschland gut aufgehoben fühlen.
Das ist gerade zurzeit keineswegs selbstverständlich. Die Zahl der Angriffe auf Asylbewerberheime ist in den vergangenen Monaten massiv angestiegen. Szenen wie in der sächsischen Kleinstadt Freital, wo Ausländer vor einigen Tagen vor ihrer Unterkunft von aggressiven Asylgegnern empfangen wurden, bereiten nicht nur Özoguz große Sorgen.
An diesem Donnerstag, wenige Stunden vor der abschließenden Debatte über das Bleiberecht im Bundestag, ist Özoguz zu Gast in der Berliner OECD-Vertretung. Eine Studie zur Integration von Migranten in den Industrieländern wird vorgestellt.
OECD-Studie: Defizite bei Integration
Dass Deutschland dabei deutlich schlechter abschneidet als klassische Einwanderungsländer wie Australien oder Israel, liegt nach Ansicht der Integrationsbeauftragten daran, dass es in diesen Ländern für die Neuankömmlinge eine „sofortige Anerkennung“ gibt, während in Deutschland auch die Enkel von Arbeitsmigranten oft noch als „Ausländer“ wahrgenommen werden. Sie sagt: „Wichtig ist: Wie sehr identifiziert sich ein Land mit denen, die da sind?“
Vor allem ein Ergebnis der OECD-Studie fällt ins Auge: Die Kinder von Zuwanderern fühlen sich in Deutschland stärker diskriminiert als Migranten, die erst als Kinder oder im Erwachsenenalter gekommen sind. Das klingt erst einmal erstaunlich. Denn über den Zugang zum deutschen Bildungssystem sollten sich diese Menschen eigentlich besser integriert und dadurch auch akzeptiert fühlen.
Doch es geht eben nicht nur um Erwerbsquoten und Wohnraum, sondern auch um Gefühle und subjektive Wahrnehmungen. Denn jemand, der in Deutschland geboren wird, erwartet von der Mehrheitsgesellschaft mehr Akzeptanz, als ein Mensch, der als Flüchtling, Arbeitssuchender oder als Kind gerade erst gekommen ist.
Status und Schutz von Flüchtlingen in Deutschland
Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Viele von ihnen dürfen nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen bleiben. Dabei reicht die Spannbreite vom Asylstatus bis zu einer befristen Duldung mit drohender Abschiebung.
Flüchtlinge, die in ihrem Heimatländern politisch verfolgt werden, haben laut Artikel 16 a des Grundgesetzes Anspruch auf Asyl. Hierfür gibt es allerdings zahlreiche Schranken, die Ablehnungsquote bei Asylanträgen liegt bei 98 Prozent. Schutz und Bleiberecht etwa wegen religiöser Verfolgung oder der sexuellen Orientierung wird auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt. Für die Praxis spielt die genaue rechtliche Grundlage allerdings keine Rolle: Anerkannte Asylberechtigte erhalten gleichermaßen eine Aufenthaltserlaubnis, die nach drei Jahren überprüft wird. Auch bei den staatlichen Unterstützungsleistungen, etwa Arbeitslosengeld II oder Kindergeld, gibt es keine Unterschiede.
Sogenannten subsidiären, also nachrangigen, Schutz erhalten Flüchtlinge, die zwar keinen Anspruch auf Asyl haben, in ihrer Heimat aber ernsthaft bedroht werden, etwa durch Bürgerkrieg oder Folter. Sie sind als „international Schutzberechtigte“ vor einer Abschiebung erst einmal sicher und erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst ein Jahr. Die Erlaubnis wird verlängert, wenn sich die Situation im Heimatland nicht geändert hat.
Eine Duldung erhält, wer etwa nach einem gescheiterten Asylantrag zur Ausreise verpflichtet ist, aber vorerst nicht abgeschoben werden kann. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn kein Pass vorliegt oder es keine Flugverbindung in eine Bürgerkriegsregion gibt. Fällt dieses sogenannte Hindernis weg, droht dem Betroffenen akut die Abschiebung. Zu den Hindernissen für eine Abschiebung zählt unter anderem auch der Schutz von Ehe und Familie. Beispielweise kann ein Ausländer, der hier mit einer Deutschen ein Kind hat, nicht ohne weiteres abgeschoben werden.
Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich über die Angriffe auf Asylbewerberheime entsetzt gezeigt. Dass ihm einige Menschenrechtsorganisationen jetzt vorwerfen, er schüre mit der Verschärfung der Bestimmungen zur Abschiebung die Stimmung gegen Flüchtlinge, will er nicht akzeptieren. Er und andere Vertreter der Union sagen: Wenn wir keine klare Trennlinie zwischen Schutzsuchenden und illegalen Einwandern ohne Asylgrund ziehen, wird die Zahl der Willkommensvereine für Flüchtlinge sinken und die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten weiter steigen.
Zu den umstrittensten Passagen dieses neuen Gesetzes gehört der Absatz zu den neuen Kriterien für die Anordnung von Abschiebungshaft. Als „konkrete Anhaltspunkte“ wird da unter anderem genannt: „der Ausländer täuscht über seine Identität“ und „der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser aufgewandt“.
Letzteres trifft auf einen Großteil der Asylberber zu, die über das Mittelmeer kommen. Unter ihnen sind viele Syrer und Eritreer, die generell gute Chancen haben, in Europa als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Allerdings werden Menschen aus diesen Ländern momentan ohnehin kaum zur Ausreise gezwungen - und zwar auch dann nicht, wenn sie ihren Asylantrag nach den sogenannten Dublin-Regeln eigentlich in einem anderen europäischen Land hätten stellen müssen.