Neues Überwachungsgesetz „Der Staat ist der krasseste Hacker von allen“

Sicherheitsbehörden sollen künftig nicht nur Terroristen ausspähen dürfen, sondern auch gewöhnliche Kriminelle. Bedeutet: Die große Koalition will Grundrechte einschränken. Und doch ist es erstaunlich still.

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Netzwerkkabel Quelle: dpa

Die Bürgerrechte werden eingeschränkt, die Überwachungsbefugnisse der Sicherheitsbehörden ausgebaut. Das werden die Abgeordneten der großen Koalition am Ende dieser Woche wohl mehrheitlich beschließen. Ein öffentlicher Aufschrei oder zumindest eine Debatte? Fehlanzeige. Petra Sitte, parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, kritisiert das Vorgehen der Regierung. „Die Änderungen kommen durch die Hintertür, keiner soll es mitkriegen“, sagte Sitte am Dienstagaband bei einer Veranstaltung vom Verband der Internetwirtschaft (Eco) in Kooperation mit der WirtschaftsWoche in Berlin.

Kurz vor Ende der Legislaturperiode will die Bundesregierung die Befugnisse von Polizei und Sicherheitsbehörden massiv ausweiten. Künftig sollen Smartphones und andere Geräte viel häufiger mit Schadsoftware infiziert und ausgespäht werden können, sogenannten Staatstrojanern. Bislang ist das nur zur Terrorabwehr möglich, mit der Gesetzesänderung sollen Staatstrojaner auch helfen, gewöhnlichen Kriminellen das Handwerk zu legen. Doch die Bundesregierung bringt nicht etwa ein eigenes Gesetz ein, sondern passt die Strafprozessordnung an. Die Einschränkung von Grundrechten soll möglichst unauffällig geschehen, kritisiert die Opposition. Viele Experten halten die Gesetzesänderungen für verfassungswidrig.

Für Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen, steht seit den Snowden-Enthüllungen fest: „Der Staat ist der krasseste Hacker von allen.“ Die Gesetzesänderungen der großen Koalition bestärken von Notz in dieser Ansicht. Sein Kollege Thomas Jarzombek (CDU) versuchte zu besänftigen: „Wir wollen nicht anlasslos kontrollieren.“ Tatsächlich braucht es eine richterliche Zustimmung, um Smartphones ausspähen zu dürfen. Doch die Kritiker halten dagegen: Wenn die Befugnisse da sind, werden sie auch genutzt.

Die Sozialdemokratin Saskia Esken forderte ein Umdenken in der nächsten Legislaturperiode und will, dass staatliche Institutionen und Geheimdienste weniger aggressiv vorgehen – und beispielsweise Gefahren für deutsche Nutzer und Unternehmen immer melden müssen. „Wir dürfen Sicherheitslücken nicht geheim halten“, sagte Esken.

Genau das war bei der globale Cyber-Attacke „WannaCry“ geschehen, die beispielsweise die Deutsche Bahn oder Renault massive Probleme bescherte. Der US-Geheimdienste NSA wusste offenbar über bestehende Sicherheitslücken Bescheid, behielt sie aber für sich. Hätte der Geheimdienst früher gewarnt, wäre es wohl zu geringeren Schäden gekommen. Ein Dilemma: Geheimdienste sollen möglichst viel über solche Angriffe lernen, um sie verhindern zu können. Doch wann schreiten sie ein? Wenn es nach Saskia Esken geht, so schnell wie möglich.

Einig war sich die Runde darin, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung voranzutreiben. Alle großen Messenger-Dienste – allen voran WhatsApp, Facebook Messenger, Threema, und Telegram – haben diesen Standard längst eingeführt. Für von Notz ist diese Verschlüsselungsmethode „die Antwort auf viele Probleme, die wir derzeit haben“. CDU-Mann Jarzombek betont, der Staat solle die Verschlüsselung zwar nicht aufbrechen. Und dennoch soll er eben bei Straftätern, Kriminellen oder terroristischen Gefährdern Informationen mitschneiden dürfen. Damit wird die Verschlüsselung eines Dienstes zwar nicht geknackt, aber nutzlos ist sie dennoch. Das Vertrauen der Bürger in eine sichere Kommunikation wird das nicht stärken. 

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