2022 statt 2020 Regierung verschiebt E-Auto-Ziel – doch das neue ist ähnlich optimistisch

BMW i3 lädt in Leipzig Quelle: dpa

Ursprünglich sollten bis 2020 eine Million Elektroautos in Deutschland über die Straßen rollen – das war der Plan der Bundesregierung. Nun wird das Ziel auf 2022 verschoben. Doch ist das überhaupt machbar?

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Das Vorhaben war optimistisch: Spätestens Ende 2020 sollten eine Million Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen sein. Die Bundesregierung hatte diese Marke vor acht Jahren als Ziel ausgegeben, um die Elektromobilität in Deutschland voranzubringen. Von der Million ist man zurzeit allerdings weit entfernt. Deshalb geht die die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE), Berater der Bundesregierung, davon aus, dass erst 2022 so viele Elektroautos in Deutschland unterwegs sein werden. Das angestrebte Ziel verschiebt sich damit um zwei Jahre. Angesichts der aktuellen Situation ist der neue Termin allerdings ähnlich optimistisch gewählt.

Zurzeit sind in Deutschland nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamts nämlich nur etwas mehr als 143.000 reine Elektroautos und solche mit Plug-in-Hybridmotor zugelassen. Die gewünschte eine Million umfasst eben diese beiden Fahrzeugarten. Allein 2018 wurde knapp ein Drittel der elektrisch angetriebenen Fahrzeuge zugelassen, die zurzeit auf den deutschen Straßen unterwegs sind. Das ist zwar eine positive Entwicklung, doch es bleiben lediglich etwas mehr als vier Jahre, um knapp 857.000 Elektroautos und Plug-in-Hybride auf die Straße zu bekommen.

Das wünschen sich potentielle Kunden

Damit das gelingen kann, müssen unter anderem die Autohersteller handeln. Sie müssen auf die Kundenwünsche zugeschnittene E-Autos anbieten. Laut einer Umfrage der GfK ist die Reichweite für knapp zwei Drittel der Deutschen ein entscheidendes Kriterium beim Kauf eines Elektroautos. Bislang haben die Hersteller das allerdings nicht wirklich berücksichtigt.

Diese Elektroautos gibt es derzeit zu kaufen
Tesla Model S an einem Supercharger Quelle: Tesla
Citroën C-Zero und Peugeot Ion Quelle: Peugeot
Smart Fortwo und Forfour EQ Quelle: Daimler
Renault Zoë Quelle: Renault
Citroën E-Mehari Quelle: Citroën
VW e-Up Quelle: Volkswagen
Kia Soul EV Quelle: Kia

„Die meisten Hersteller haben es zu lange versäumt, diesem Kundenwunsch nachzukommen, bei 150 Kilometern war bei vielen Modellen Schluss“, sagt Lutz Eckstein. Er ist Direktor des Instituts für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen und Mitglied der Nationalen Plattform Elektromobilität, den Beratern der Bundesregierung. Das sei ein Grund, warum das ursprüngliche Ziel für 2020 wohl nicht erreicht wird. Allerdings: „Immer mehr etablierte deutsche Hersteller präsentieren Elektrofahrzeuge, die eine Reichweite von 300 Kilometern aufwärts bieten und funktional sowie optisch ansprechend sind.“ Unter anderem deshalb hält Eckstein das Ziel der Bundesregierung für 2022 für realistisch.

Zuletzt haben das Audi und Mercedes neue Elektrofahrzeuge präsentiert. Mercedes stellte den EQC vor – ein elektrisch angetriebener SUV. Das erste Fahrzeug einer neuen Elektrofamilie, die in Serie produziert werden soll. Audis Antwort darauf ist der e-tron. Ebenfalls ein Elektro-SUV, der noch in diesem Jahr in Deutschland auf den Markt kommen soll und eine Reichweite von mehr als 400 Kilometern bietet.

Das bekannte Problem mit der Ladeinfrastruktur

In einer Umfrage der DHBW Ravensburg gaben 85 Prozent der Befragten an, dass es in Deutschland zu wenig Ladestationen gibt und sie deshalb vom Kauf eines E-Autos absehen. „Der Ausbau der Ladeinfrastruktur entwickelt sich vor allem in den Großstädten kontinuierlich in die richtige Richtung, auch wenn noch ein weiter Weg zu gehen ist“, sagt Matthias Loebich, der bei der Unternehmensberatung BearingPoint den Automobil-Bereich leitet. Loebich ist überzeugt, dass das Ziel der Bundesregierung für 2022 „anspruchsvoll, aber durchaus machbar“ sei.

Zumal würde sich ein engmaschiger Ausbau der Ladeinfrastruktur erst dann lohnen, wenn es eine Masse an Elektroautos geben würde. Wenn es soweit ist, müsse das ein europäisches Projekt werden. „Kein deutscher Elektroautofahrer darf vor der Fahrt in andere EU-Länder Angst bekommen, weil er sich nicht sicher ist, ob er dort weiterfahren kann ohne liegenzubleiben“, erklärt Loebich.

Es gibt bereits europäische Länder, in denen man sich als E-Autofahrer darüber keine Gedanken machen muss. Weil man dort in Sachen Elektromobilität schlichtweg um einiges weiter ist als in Deutschland. Allen voran in Norwegen. Dort hatten reine Elektroautos und Plug-In-Hybride im vergangenen Jahr einen Marktanteil von mehr als 39 Prozent. Allerdings subventioniert die norwegische Regierung die Fahrzeuge auch in extrem großen Stil und hat sie so förmlich in den Markt gedrängt. Beim Kauf eines E-Autos entfällt zum Beispiel die Mehrwertsteuer von 25 Prozent.

Amsterdam und Eindhoven als Vorbild für die deutschen Großstädte

In den Niederlanden läuft es ebenfalls deutlich besser als hierzulande und das mit moderaten Subventionen. Nach Norwegen und Schweden haben Elektroautos in den Niederlanden weltweit den dritthöchsten Anteil an den Neuzulassungen. Das Land betreibt zudem das am besten ausgelastete und dichteste Netz an Ladestationen. „Für vergleichsweise kleinere Länder ist die Einführung einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur deutlich einfacher als hierzulande“, erklärt Unternehmensberater Loebich.

Zugegeben: Deutschland mit Norwegen und der Niederlande zu vergleichen, das fällt allein aufgrund der Einwohnerzahl schwer. Dennoch kann man die Vorstöße von niederländischen Großstädten durchaus als Vorbild für deutsche Städte sehen. Denn die Städte sind hierzulande dafür verantwortlich, die E-Mobilität mit konkreten Maßnahmen zu fördern. „Theoretisch könnten sie sogar 100 Prozent Elektromobilität in der Innenstadt erzwingen“, erklärt Lutz Eckstein. Etwa mit möglichen Verboten von Verbrennungsfahrzeugen in der Innenstadt.
Es geht allerdings auch ohne. In Eindhoven ist zum Beispiel ein Großteil der Busflotte elektrisch betrieben. Die Ladesäulen für die Busse baut ein Start-Up, ansässig an der Technischen Universität der Stadt. In Deutschland sticht ein Bus in der Regel als Exot hervor, wenn er elektrisch betrieben wird. Wer in Amsterdam keinen eigenen Parkplatz mit Stromanschluss hat, kann sich bei der Stadt melden. Dann wird in der Umgebung eine Ladesäule aufgestellt, die natürlich jeder nutzen kann.

Das größte Problem, an dem die flächendeckende Elektromobilität im Moment noch scheitert, ist für Unternehmensberater Matthias Loebich die Scheu der Verbraucher. „Um diese zu überwinden, braucht es neben der notwendigen Infrastruktur und einer größeren Modellpalette an E-Autos vor allem auch Zeit für ein Umdenken.“ 27 Prozent der deutschen Autofahrer können es sich grundsätzlich nicht vorstellen, ein Elektroauto zu kaufen. Ob man diese strikte Ablehnung überhaupt überwinden kann?

Zwei Jahre zusätzliche Zeit gibt die Bundesregierung Herstellern, Städten und Verbrauchern dafür nun immerhin.

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