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NGO Attac nicht mehr gemeinnützig

Das Finanzamt entzieht der globalisierungskritischen NGO Attac den Status der Gemeinnützigkeit. Spenden an Attac können nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden. Die Organisation ist finanziell in ihrer Existenz bedroht.

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Nicht mehr gemeinnützig: Attac-Demonstranten 2013 vor der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main. Quelle: dpa

Das Finanzamt Frankfurt hat dem globalisierungskritischen Verein Attac den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt. Die Ziele von Attac seien allgemeinpolitisch und damit keiner öffentlichen Förderung würdig, urteilten die Finanzbeamten. Demnach sieht das Finanzamt insbesondere in dem Engagement von Attac für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder einer Vermögensabgabe keinen gemeinnützigen Zweck.

„Wir befähigen Menschen, sich gesellschaftlich einzubringen. Diese Einmischung ist essentiell für eine funktionierende Demokratie und wirkt der Politikverdrossenheit entgegen“, sagte Stephanie Handtmann der Frankfurter Rundschau. Die Geschäftsführerin von Attac bezeichnete die Position des Finanzamts als absurd.

Attac wurde die Entscheidung des Finanzamts bereits im Frühjahr zugestellt. Sie gilt rückwirkend ab dem Jahr 2010. Die NGO hat Einspruch gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit eingelegt und will notfalls bis zum Bundesfinanzgerichtshof klagen. Denn für die etwa 28.500 Mitglieder zählende Organisation, ist die Entscheidung eine Katastrophe.

„Gemeinnützige Organisationen leben von ihrem guten Namen. Ist die Reputation erst einmal beschädigt, geht das Spendenvolumen in der Regel deutlich zurück“, sagt Lutz Engelsing im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online. Der Steuerexperte im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft DHPG sieht die Spendenfähigkeit von Attac bereits jetzt „massiv eingeschränkt“.  Und zwar obwohl das Verfahren noch schwebend ist.

„Angriff auf die Zivilgesellschaft“

Durch den Wegfall der Gemeinnützigkeit gehen alle steuerlichen Vergünstigungen verloren. Spenden an Attac können nicht mehr bei der jährlichen Steuererklärung abgesetzt werden. Engelsing verdeutlicht die finanziellen Auswirkungen anhand eines Rechenbeispiels: Wer bislang beispielsweise 100 Euro pro Jahr an Attac spendete, bekam unter der Annahme eines Grenzsteuersatzes (Einkommens- und Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlag) von 42 Prozent, 42 Euro vom Staat rückerstattet. „Effektiv kostete die Spende also nur 58 statt 100 Euro“, sagt Engelsing. Dieser steuerliche Anreiz entfällt aber ab sofort bei Spenden an Attac.

Auf der Homepage von Attac werden potentielle Spender schon darauf hingewiesen, dass die globalisierungskritische Organisation derzeit keine Spendenquittungen, sogenannte Zuwendungsbestätigungen für die Steuererklärung, mehr ausstellt. Andernfalls droht Attac das Risiko von Ausstellerhaftungen. „Attac würde dann mit 30 bzw. 45 Prozent der Spendensumme für die entgangene Steuer haften, falls die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von allen Instanzen bestätigt wird“, sagt Steuerexperte Engelsing.

Unter dem Motto „Jetzt erst recht“ hofft Attac auf die Spendenfreudigkeit ihrer Mitglieder und Unterstützer. Aber die Organisation beteuert,  „ganz massiv“ in ihrer Arbeit eingeschränkt worden zu sein. Eine Attac-Sprecherin bezeichnete das Vorgehen des Finanzamts als „Angriff auf die Zivilgesellschaft“.

Erst am Donnerstag würdigte Bundespräsident Joachim Gauck das Engagement von Attac: „Vieles von dem, was wir heute als selbstverständlich erachten, ist aus der Gesellschaft heraus – und oft gegen massive Widerstände – erkämpft worden.“ Als einen Beleg nannte Gauck den Kampf für eine Finanztransaktionssteuer – die Gründungsforderung von Attac. Das Kürzel der in Frankreich gegründeten Organisation heißt übersetzt „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen".  

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