Niedersachsen-Wahl Atempause für Schulz

Der niedersächsische Ministerpräsident hat bei den Landtagswahlen einen Überraschungserfolg hingelegt. SPD-Chef Martin Schulz verschafft das eine kleine Verschnaufpause. Es ist zugleich ein Warnschuss für die Grünen.

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Der Parteichef der SPD blickt mit Freude auf das Ergebnis seiner Partei in Niedersachsen. Quelle: Reuters

Berlin Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, wie die Spitzenleute der CDU in Berlin das mäßige Abschneiden ihrer Parteifreunde in Hannover einordnen werden: Es sei in dem Landtagswahlkampf um niedersächsische Themen gegangen, die Bundespolitik habe keine Rolle gespielt. Das Argument wird bei schlechten Wahlergebnissen einer Landespartei von der Bundespartei gerne genutzt. Es ist also nicht sehr originell. Aber diesmal ist es immerhin zutreffend.

Wer den letzten Schlagabtausch zwischen dem CDU-Spitzenmann Bernd Althusmann und dem amtierenden Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) gesehen hat, erlebte ein spannendes TV-Duell, wie man es sich zwischen Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Martin Schulz gewünscht hätte. Weil und Althusmann stritten ganz überwiegend um landesspezifische Themen, um die Bildungspolitik oder um den Volkswagen-Abgasskandal.

Beide Duellanten schenkten sich nichts. Weils Argumente scheinen in Niedersachsen aber wohl besser angekommen zu sein.

Weil steht nach der Wahl vor großen Problemen. Die Grünen, die nach wie vor sein Wunsch-Koalitionspartner sind, gehen geschwächt aus den Landtagswahlen hervor. Andere Konstellationen – insbesondere eine Große Koalition – gelten als schwierig. Weil stehen harten Verhandlungen bevor.

Eine der bislang ungeklärten Fragen dieser Wahl ist, aus welchem Grund der Wähler die Grünen abgestraft hat. Zwei Antworten bieten sich an: Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) hat in Niedersachsen, wo sehr viele Jobs am Agrarsektor hängen, mit seinem kompromisslosen Kurs gegen konventionelle Agrarbetriebe Wähler verschreckt. Oder aber das Grünen-Klientel gibt einen Vorgeschmack darauf, was es von den Jamaika-Plänen der Berliner Parteifreunde hält. Die zweite Antwort könnte sich als die zutreffende erweisen. Grünen-Spitzenleute wie Cem Özdemir legen derzeit sehr viel Wert darauf, ihre Flexibilität in den Vordergrund zu rücken. Treue Wähler beobachten das mit Sorge. Die Spitzen-Grünen in Berlin sollten sehr genau prüfen, wie weit sie sich verbiegen wollen.

Und was heißt Weils Erfolg für die SPD in Berlin? Sie kann sich den Sieg der niedersächsischen SPD jedenfalls nicht ans Revers heften. Der niedersächsische Ministerpräsident hat in den vergangenen Wochen ganz bewusst räumlich wie inhaltlich die größtmögliche Distanz zum Berliner Willy-Brandt-Haus in Berlin gewahrt.

Nur in einer einzigen bundespolitischen Frage hat er vernehmlich Position bezogen: Er sprach sich dafür aus, dass Martin Schulz auch über den Parteitag der SPD Anfang Dezember hinaus Parteichef bleiben soll.

Insofern zählt der nach dem desaströsten Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl stark angeschlagene Schulz zu den heimlichen Gewinnern der Niedersachsen-Wahl. Seine Chancen, auch künftig an der Spitze der Partei zu stehen, sind deutlich gestiegen. Hoffentlich zieht er daraus nicht die falschen Schlüsse. Ein Mann der Zukunft wird er nicht mehr werden, höchstens noch der Mann des Übergangs.

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