Nikolas Stihl "Frau Nahles ist nicht mehr der Bürgerschreck von früher"

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"Andrea Nahles ist schon lange erwachsen geworden"

Scholz ist dem wirtschaftsnahen Flügel der SPD zuzuordnen. Was erwarten Sie von der Parteilinken Andreas Nahles, die neben dem Fraktionsvorsitz auch Parteichefin werden soll?
Andrea Nahles ist eine äußerst gewiefte Politikerin, die weiß, was sie erreichen kann und was nicht. Sie hat viel Regierungserfahrung gesammelt und scheint dem Leitbild des früheren SPD-Vorsitzenden Kurt Schumachers zu folgen „Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit“ und dem Motto von Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“. Nahles wird der SPD daher gut tun.

Der Wirtschaft auch?
Ich persönlich bin mit vielen Politikansätzen, die Andrea Nahles verfolgt, nicht einverstanden. Aber sie hat bewiesen, Realitäten nicht nur zu sehen, sondern auch anzuerkennen.

Das heißt, Sie haben sich mit dem Mindestlohn angefreundet, den die noch amtierende Bundesregierung unter der damaligen Arbeitsministerin Nahles umgesetzt hat?
Als Unternehmen haben wir bei Stihl kein Problem mit dem Mindestlohn, weil wir für unsere Beschäftigten der Metall-Tarifvertrag gilt und wir ohnehin höhere Löhne zahlen. Aber ich halte den Mindestlohn immer noch strategisch für falsch. Er belastet die 90 Prozent kleinen Unternehmen, die Deutschland tragen. Außerdem hat der Mindestlohn eine horrende Bürokratie geschaffen.

Dann kann Ihr Urteil über Frau Nahles eigentlich nicht gut ausfallen...
Ich teile vieles ja auch nicht, was sie fordert. Aber ich glaube nicht, dass sie die SPD in eine Richtung rücken wird, die Ideologie über Pragmatismus stellt. Die Sozialdemokraten werden auch in Zukunft nicht als Regierungspartei ausfallen. Deutschland ist in den vergangenen Jahrzehnten mit allen Regierungen unter SPD-Beteiligung nicht schlecht gefahren. Ich erwarte, dass Frau Nahles diese Tradition fortsetzt. Den Untergang des Abendlands sehe ich jedenfalls nicht.

Nahles wird auch die auf die stärker werdende Fraktion der Parteilinken zugehen müssen. Halten Sie die für eine Gefahr?
Die Parteilinken sind ein Problem für die SPD. Die wollen am liebsten in der Opposition bleiben, damit sie sich weiterhin als „Gutmenschen“ positionieren können, ohne Verantwortung übernehmen zu müssen. Ich bin aber zuversichtlich, dass Frau Nahles weiß, wie sie mit den innerparteilichen Kritikern umgehen muss. In ihr steckt mehr Realpolitik drin als viele denken. Sie ist nicht mehr der Bürgerschreck, den sie als Juso-Vorsitzende verkörperte. Sie ist schon lange erwachsen geworden.

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