Nikolas Stihl "Frau Nahles ist nicht mehr der Bürgerschreck von früher"

Nikolas Stihl, Vorsitzender des Beirats der Stihl Holding, kritisiert den Koalitionsvertrag von Union und SPD. Quelle: Claudia Kempf/Andreas Stihl AG & Co. KG

Der Motorsägen-Unternehmer Nikolas Stihl kritisiert den Koalitionsvertrag von Union und SPD, hält Olaf Scholz für einen guten Finanzminister und fordert ein Einwanderungsgesetz für Deutschland.

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Herr Stihl, Ihr Unternehmen macht 3,8 Milliarden Euro Umsatz und gehört zu den großen Familienunternehmen in Deutschland. Wäre eine Große Koalition eine gute oder schlechte Nachricht für Ihr Geschäft?
Wir erzielen mehr als 90 Prozent unseres Umsatzes im Ausland. Unsere Zukunft hängt also nicht primär von der deutschen Politik ab. Aber das darf nicht darüber hinweg täuschen, dass wir mit den Themen auf den 179 Seiten Koalitionsvertrag nicht zufrieden sind.

Was stört Sie?
Mehrere Sachen. Zum einen die Ausgabenwut der Politik. Die Große Koalition will in den kommenden vier Jahren 45 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben. Damit wollen die Parteien vor allem ihre eigene Wählerklientel befriedigen. 

Ökonomen fordern doch seit Langem, dass der Staat mehr investieren muss...
Aber in die richtigen Dinge. Die Soziale Marktwirtschaft befindet sich in einer kritischen Phase. Wir profitieren von den Reformen, die Rot-grün 2010 auf den Weg gebracht hat. Aber spätestens 2025 werden wir die demografischen Probleme und den Fachkräftemangel mit voller Wucht zu spüren bekommen. Die ungesteuerte Zuwanderung bleibt ein Problem, beim Breitbandausbau ist Deutschland international abgehängt und Industrie 4.0 hat keiner in der Großen Koalition so richtig auf der Agenda. Union und Sozialdemokraten haben es versäumt, Ziele zu definieren, mit denen Zukunft gestaltet werden kann.

Zur Person

Der Breitbandausbau wird mit mehr als zehn Milliarden Euro gefördert, fast drei Mal so viel wie in den vergangenen vier Jahren. Das ist doch mal eine Ansage...
Das ist ja auch ein guter Schritt in die richtige Richtung. Aber die vereinbarten Ziele konzentrieren sich auf das Ende der Legislaturperiode, sprich: 2021. Im Haushalt für das kommende Jahr ist von den Zukunftsinvestitionen nicht viel zu sehen. Jedes Unternehmen gibt sich eine langfristige Strategie, die mit Sofortmaßnahmen hinterlegt ist. So müsste auch die Politik agieren. Aber davon lese ich nichts im Koalitionsvertrag.

Was hätten Sie sich denn gewünscht?
Der Sozialstaat muss dringend reformiert werden. Das Rentensystem ist nicht zukunftsfest, ab 2025 gehen die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Doch statt zu reformieren, macht die Politik Rentengeschenke. Wir brauchen sofort flexible Rentenmodelle. Auch für den Arbeitsmarkt brauchen wir früher als später Reformen. Bald fehlen in Deutschland vier Millionen Fachkräfte. Aber die Menschen, die derzeit nach Deutschland kommen, sind nicht die, die wir in den Betrieben brauchen.

Wir benötigen ein Einwanderungsgesetz, das Zuwanderung nach den Bedürfnissen der Wirtschaft steuert. Länder wie die Schweiz, Kanada und Neuseeland machen es ja vor. Und schließlich ist eine deutliche Entlastung von Bürgern und Unternehmen in der Steuerpolitik notwendig – zumal jetzt in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen.

In den vergangenen vier Jahren war die SPD für das Arbeitsministerium zuständig. Nun bekommt sie auch noch das strategisch wichtige Finanzministerium. Wie fühlen Sie sich dabei?
Das ist ein hervorragendes Verhandlungsergebnis für die SPD. Sie hat eigentlich mehr als das Maximum herausgeholt. Dazu muss man den Sozialdemokraten gratulieren. Die CDU hat dem Kanzleramt offenbar alles untergeordnet. Für die Wirtschaft ist ein sozialdemokratischer Finanzminister keine Katastrophe. Vor allem dann nicht, wenn Olaf Scholz das Amt übernehmen würde. Die SPD hatte in der Vergangenheit ohnehin oft Mut bewiesen, Probleme zu erkennen und Lösungen umzusetzen. Von den Reformen der Agenda 2010 profitiert Deutschland noch heute.

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