Nitrat im Grundwasser Der Bürger zahlt die Zeche

Das Kabinett bringt eine neue Düngeverordnung auf den Weg, um die Nitrat-Belastung des Grundwassers zu begrenzen. Es wird technisch immer aufwendiger und damit teurer, Wasser zu Trinkwasser aufzubereiten.

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Die Bundesregierung will mit einem Regelungspaket Gewässer und Böden vor Überdüngung schützen. Quelle: picture alliance/dpa

Deutschland hat ein Problem mit zu viel Gülle auf den Feldern. Nach jahrelangen Verhandlungen hat das Bundeskabinett darum am Mittwoch eine Reform der Düngeverordnung beschlossen. Damit soll nach Angaben des Bundesumweltministeriums die Überdüngung „drastisch reduziert und die Nitrat-Belastung des Grundwassers begrenzt werden“.

„Die neuen Regeln werden helfen, die Folgen der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung einzudämmen“, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Gewässer, Böden und Luft litten seit Jahren an den Folgen der dauerhaften Überdüngung. Ein Bericht der Bundesregierung hatte er vor kurzem ergeben, das fast ein Drittel der Messstellen für die Grundwasserqualität zwischen 2012 und 2014 zu hohe Nitratwerte aufwiesen hatten.

Eigentlich ist Gülle gut fürs Feld – zu viel davon ist aber schädlich für die Umwelt. Weil in Deutschland die Bauern seit Jahren zu viel Gülle auf die Felder kippen, hatte im vergangenen Jahre bereits die EU-Kommission Deutschland wegen unzureichender Umsetzung der sogenannten EU-Nitratrichtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Eine Klage mit Ansage: Bereits 2011 wies die Kommission Deutschland an, die heimischen Düngevorschriften aufgrund schlechter Gewässerqualität zu überarbeiten.

Steigende Nitratbelastungen treiben zudem die Kosten der Wasserversorger, da es technisch immer aufwendiger wird, das Wasser zu Trinkwasser aufzubereiten. Am Ende zahlen die Bürger die Zeche, da die Wasserversorger die steigenden Kosten an ihre Kunden weiterreichen dürfen. „Das wird sich über kurz oder lang auch auf den Wasserpreis niederschlagen“, befürchtet Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Es kann aber nicht sein, dass am Ende der Verbraucher für die Sünden der industriellen Landwirtschaft geradesteht.“

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bezeichnete die Einigung im Kabinett als „Startschuss, um die Nitrateinträge in unsere Gewässer endlich zu reduzieren“. Klar sei aber auch, dass dies nicht reichen würde. „Die bekannten Schlupflöcher, wie beispielsweise anrechenbare Verluste, müssen endlich geschlossen werden“, forderte VKU-Vizepräsident Michael Beckereit.

Mit der neuen Düngeverordnung sollen die Sperrzeiten verlängert werden, in denen keine Düngemittel ausgebracht werden dürfen. Außerdem vergrößern sich die Abstände für die Düngung in der Nähe von Gewässern. Gärreste aus Biogasanlagen werden künftig in die Stickstoffobergrenze mit einbezogen. Länder mit Gebieten mit hohen Nitratwerten werden zum Erlass von zusätzlichen Maßnahmen verpflichtet.

Zum Regelungspaket gehört nicht nur die Düngeverordnung, sondern auch ein neues Düngegesetz, das der Bundestag diese Woche in einem dritten Anlauf verabschieden soll. Zweimal war die abschließende Beratung von der Tagesordnung abgesetzt worden, zuletzt Ende Januar. Das zeigt die Zerstrittenheit der Koalition. Umweltministerin Hendricks und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) waren wiederholt aneinandergeraten. Wird das Düngegesetz jetzt verabschiedet, könnte im März der Bundesrat über das Gesamtpaket aus Gesetz und Verordnung abstimmen.

Kern des Düngegesetzes ist eine sogenannte Stoffstrombilanz, in der Landwirtschaftsbetriebe den Einsatz ihrer Nährstoffmengen dokumentieren. Die Dünger oder Tierfuttermengen werden dabei mit den erzeugten landwirtschaftlichen Produkten des Hofes verrechnet. Dadurch lasse sich die Stickstoffbelastung der Böden durch einen Betrieb besser bestimmen, ist das Umweltministerium überzeugt. Laut Landwirtschaftsministerium sind fordernde, aber für Landwirte machbare Regelungen gefunden worden.

Für die Grünen gehen die Vereinbarungen nicht weit genug. Die Anforderungen des Gewässerschutzes würden nicht erfüllt, heißt es. Die Klage der EU-Kommission sei nicht vom Tisch. Es drohten weiterhin empfindliche Geldstrafen, für die der Steuerzahler aufkommen müsse. Die Grünen sehen vor allem kritisch, dass nur große Betriebe mit vielen Tieren je Hektar eine Stoffstrombilanz vorlegen müssen. Das kritisiert auch der BDEW. Die Vorgabe, dass Höfe Düngebilanzen führen müssen, dürfe nicht auf Großbetriebe beschränkt bleiben.

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