Nitrat im Grundwasser Deutschland verzweifelt an Gülleflut

Trotz EU-Klage tritt die Bundesregierung bei ihrem Nitrat-Problem auf der Stelle. Zuviel Gülle belastet weiter das Grundwasser. Nach langem Ringen soll es nun Konsequenzen für die Landwirte geben.

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Gülle wird in Deutschland immer noch zu häufig als Dünger auf Feldern versprüht und belastet das Grundwasser. Quelle: dpa

Düsseldorf Im deutschen Grundwasser befindet sich immer noch zu viel Nitrat. Das zeigt ein aktueller Bericht, den die Bundesregierung heute veröffentlicht hat. An 28 Prozent der Messstellen wurde zu viel Nitrat im Wasser nachgewiesen – also mehr als die erlaubten 50 Milligramm pro Liter. Nitrat hilft Pflanzen beim Wachsen und wird häufig als Düngemittel eingesetzt. Überhöhte Mengen führen allerdings zu starken Wasserverunreinigungen und können ab einer Konzentration von über 50 Milligramm pro Liter nach Angaben der EU-Kommission erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen haben.

Überhöhte Nitratwerte finden sich laut Bericht vor allem in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, aber auch im Norden Sachsen-Anhalts und Sachsens und in Teilen Nordrhein-Westfalens. Verursacher sei vor allem die Landwirtschaft. Der Regierung sei der Status Quo einer fehlgeleiteten Landwirtschaft wichtiger als die Qualität des Grundwassers, kritisierte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Eines müsse endlich klar werden, mahnte er: „Die Produktion von immer mehr, immer billigerem Exportfleisch bezahlen wir alle. Durch die Zunahme an Intensivtierhaltungsbetrieben gebe es einfach zu viele Nutztiere auf zu wenig Fläche, erklärt Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik bei den Grünen.“

Grundwasser und Trinkwasser leiden, weil Gülle als Dünger zu großzügig auf Feldern versprüht werde, schlussfolgert auch der Bericht. Gemessen wurde gezielt dort, wo viel Landwirtschaft betrieben wird. So verlangt es die EU-Nitrat-Richtlinie. Zwischen 2008 und 2014 hat sich demnach die Qualität des Grundwassers in diesen Problemgebieten nur minimal verbessert. Es seien „keine wesentlichen Veränderungen“ erzielt worden.

Für Ostendorff ist das ganz klar auf die Untätigkeit der Regierung zurückzuführen: „Der Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) lässt sich vom Deutschen Bauernverband (DBV) an die Kette legen und wird von Bayern ferngesteuert“, sagt er gegenüber dem Handelsblatt. Seiner Erfahrung nach sind schärfere Regeln zum Umgang mit Gülle bisher noch immer am Deutschen Bauernverband gescheitert, der wiederum gute Drähte ins CSU-geführte Landwirtschaftsministerium habe. Ostendorff spielt auf die 2016 fertiggestellte Novelle des Düngerechts an, die bislang aber noch nicht in Kraft getreten ist.

Ende Januar soll der Bundestag eine Änderung des Düngegesetzes beschließen. Auch der DBV betont allerdings, dass es dringend geboten sei, die Novelle nun zügig auf den Weg zu bringen. Die Regelung liege seit Mitte 2016 verabschiedungsreif auf dem Tisch und beinhalte sämtliche Instrumente, um die bestehenden Herausforderungen angehen zu können. Daher seien die pauschalen Vorwürfe nicht nachvollziehbar, auch weil das Ministerium zur Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens beigetragen habe. Und die Zeit drängt.


„Luft nach oben“

Denn dass die Bundesregierung das Nitrat-Problem nicht in den Griff bekommt, ist auch in Brüssel bekannt. Vorausgegangen war dem Bericht Ende des vergangenen Jahres eine Klage der EU-Kommission. Deutschland habe es versäumt, strenger gegen die Gewässerverunreinigung durch Nitrat vorzugehen. Noch im Januar muss die Bundesregierung darauf eine Erwiderung übermitteln. Im Falle einer Verurteilung drohen Deutschland hohe Geldstrafen. Die Höhe richtet sich nach der Dauer und Schwere des Verstoßes sowie der Zahlungsfähigkeit des betreffenden Staates. Möglich sind bis zu sechsstellige Beträge pro Tag.

Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks pocht deswegen auf eine möglichst schnelle Lösung. „Im Sinne des Gemeinwohls müssen wir hier stärker als bisher gegensteuern. Dafür brauchen wir jetzt verschärfte Düngeregeln.“ Hendricks hält es nach eigenen Worten für möglich, dass die EU weitere Nachbesserungen fordert. „Da hätte ich dann nichts dagegen“, sagte sie bei der Vorstellung des Nitratberichts in Berlin.

Hartmut Schlepps, Umweltreferent beim Landvolk Niedersachsen, sieht ebenfalls „Luft nach oben“, was die ausgebrachte Menge des Gülleeinsatzes einiger Betriebe angeht. Das sei aber von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich und vor allem standortabhängig. Wer sich nicht an die vorgegebenen Mengen hält, „muss auch aus unserer Sicht über entsprechende Kontrolle sicher ermittelt und auch bestraft werden“, betont Schlepps. Gleichzeitig fehle es aber auf vielen Höfen an Geld für die zur Optimierung benötigte Ausbringungstechnik. „Hier ist die Politik gefordert, Fördermaßnahmen auszubauen und bürokratische Hürden abzubauen“, sagt Schlepps.

Landwirte bemängeln zudem, der Bericht sei nicht repräsentativ, da sich 81 Prozent der Messstellen auf Ackerland und nur 19 Prozent auf Grasland befinden, wo sich tendenziell geringere Nitratwerte, als unter Äckern messen lassen würden. Immerhin hat sich die Nitratbelastung bei Seen, Gewässern und Flüssen stark verringert. An rund 89 Prozent der Messstellen wurde ein abnehmender Trend verzeichnet.

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