Notarkammer-Präsident Bormann „Zu den Spitzenverdienern gehören wir ganz sicher nicht“

475.000 Euro Jahresgehalt? Soviel kassiert ein deutscher Notar im Schnitt. Quelle: Getty Images

475.000 Euro Jahresgehalt? Soviel kassiert ein deutscher Notar im Schnitt. Notarkammer-Präsident Jens Bormann erklärt, warum die Zahl nichts mit einem normalen Notariat zu tun hat – und warum er gegen eine Reform der Gebührenordnung ist.

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Fast eine halbe Million im Jahr verdient ein deutscher Notar im Schnitt. Das entspricht dem 32-fachen Gehalt eines freiberuflichen Kinderpflegers. Die überraschenden Zahlen sorgen für Ärger: Die Linkspartei will die Gebührenordnung überprüfen lassen. Der Vorwurf: Notare profitieren vom Immobilienboom – mit Unterstützung des Staates. Höchste Zeit für ein Interview mit Jens Bormann, dem Präsidenten der Bundesnotarkammer. Der 48-Jährige hat Jura in Konstanz und Genf studiert, einen Masterabschluss in Harvard gemacht. Seit 2011 führt er zusammen mit einem Partner ein Notariat mit 22 Mitarbeitern in Ratingen bei Düsseldorf.

WirtschaftsWoche: Herr Bormann, das Statistische Bundesamt hat ermittelt, dass Notare mit Nebeneinkünften auf ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 475.000 Euro kommen. Ohne Nebeneinkünfte gibt es immerhin noch 356.000 Euro. Damit sind die Notare Spitzenreiter bei den Freiberuflern. Herzlichen Glückwunsch!
Jens Bormann: Danke, aber ich fürchte, da sind wir der falsche Adressat. Notare verdienen gutes Geld, aber zu den Spitzenverdienern gehören wir ganz sicher nicht. Anwälte in Großkanzleien oder Radiologen kommen gerne auf das Doppelte und mehr – um nur zwei Beispiele zu nennen. Im Übrigen handelt es sich um einen Durchschnittswert, der nicht der Realität des normalen Notars entspricht. Leider hat das Statistische Bundesamt hier alle Notare ohne Differenzierung in einen Topf geworfen. Das verzerrt natürlich das Bild. Denn es gibt Notare, die viel im Gesellschaftsrecht tätig sind und weit über dem Durchschnitt verdienen. Diese Kollegen betreuen Großtransaktionen, Fusionen, Ergebnisabführungsverträge, Unternehmenskäufe, große Immobilienportfolios. Da liegen die Einzelhonorare auch schon mal im mittleren fünfstelligen Bereich. Das treibt den Schnitt nach oben, hat mit einem durchschnittlichen Notariat aber nichts zu tun.

Jens Bormann ist Präsident der Bundesnotarkammer. Seit 2011 führt er zusammen mit einem Partner ein Notariat mit 22 Mitarbeitern in Ratingen bei Düsseldorf. Quelle: Kopf & Kragen Fotografie

Was verdient denn die breite Masse Ihrer Kollegen?
Dazu gibt es keine konkreten Zahlen. Ohne die Top-Verdiener wird der Durchschnitt aber deutlich unterhalb der Zahlen des Statistischen Bundesamtes liegen.

Welcher Aufwand steckt hinter den Gebühren, die Notare erheben?
Der Aufwand ist erheblich höher als allgemein bekannt. Nehmen wir ein ganz normales Immobiliengeschäft: Der Notar holt zunächst alle wesentlichen Informationen ein und klärt die Beteiligten umfassend über eventuelle Risiken und mögliche Alternativgestaltungen auf. Darauf aufbauend erstellt er den Entwurf eines ausgewogenen Kaufvertrags, der die Interessen sämtlicher Beteiligter berücksichtigt. Bevor es dann zur Beurkundung kommt, werden alle offenen Fragen geklärt und erforderliche Änderungen vorgenommen. Danach steht er mit Banken, Gemeinden, dem Finanzamt und natürlich dem Grundbuchamt in Kontakt. Das alles muss sauber abgearbeitet werden. Wer ein Haus oder eine Wohnung kauft, will schließlich sicher sein, dass sie dann auch wirklich ihm gehört und nicht mit Schulden oder sonstigen Rechten Dritter belastet ist. Auf unsere Dokumente können sich beide Seiten zu 100 Prozent verlassen. Das hat seinen Preis, führt aber zu einer Rechtssicherheit, um die uns im Ausland viele beneiden. Dort helfen oft nur teure Versicherungen, die in Deutschland aufgrund der Mitwirkung des Notars entbehrlich sind.

Welche Rolle spielt der Boom im Immobilienmarkt für die Einkommen der Notare?
Das ist bundesweit sehr unterschiedlich. Natürlich haben wir in München, Hamburg und Berlin Preissteigerungen wie seit Langem nicht. Die beherrschen nachvollziehbarerweise die Medien. In vielen anderen Regionen, in denen die Immobilienwerte zum Teil ohnehin schon niedrig sind, bleiben die Preise dagegen konstant oder sind sogar rückläufig. Da sieht die Welt ganz anders aus.

Die Linkspartei fordert bereits, die Gebührenordnung zu überprüfen. Was sagen Sie dazu?
Dazu besteht aus zwei Gründen kein Anlass: Zum einen ist die heutige Gebührenordnung erst 2013 zum ersten Mal nach mehr als 20 Jahren überarbeitet und einvernehmlich von allen Parteien im Bundestag und Bundesrat beschlossen worden. Damals herrschte Einvernehmen, dass die Gebühren nach langer Zeit maßvoll erhöht werden sollten, um eine Vollversorgung des Landes mit notariellen Tätigkeiten unabhängig von der regionalen Wirtschaftskraft zu gewährleisten.

Zum anderen sind die Notargebühren beim Immobilienerwerb im Vergleich zu anderen Kosten von nachrangiger Bedeutung. Bundesweit liegt der durchschnittliche Kaufpreis einer Immobilie bei circa 250.000 Euro. Abhängig von der Art der Finanzierung liegen die Notargebühren dort bei etwa 0,7 bis 0,9 Prozent des Kaufpreises. Wir reden also von 1750 bis 2250 Euro – inklusive Mehrwertsteuer. Steigt der Wert, sinkt der Prozentsatz aufgrund der degressiven Gebührenkurve. Bei einer Immobilie, die eine Million Euro kostet, betragen die Notargebühren daher nur noch etwa 0,5 bis 0,7 Prozent. Das wären dann 5000 bis 7000 Euro. Die Grunderwerbsteuer hingegen liegt bei 6,5 Prozent, was in unserem Beispiel 65.000 Euro ausmachen würde. Und Makler bekommen mit bis zu 7,14 Prozent ebenfalls ein Vielfaches des Notars.

Ich habe jedenfalls noch nie von einem Fall gehört, in dem ein Käufer gesagt hätte: Wegen der Notargebühren kann ich mir mein Eigenheim leider nicht leisten.

„Der Notar hat eine stabilisierende und befriedende Funktion“

Welchen Sinn ergibt es, dass die Gebühren nicht etwa nach Zeitaufwand oder Aufwand angelegt sind, sondern nach dem Geschäftswert?
Das hat vor allem soziale Gründe. Würde man die Gebühr am Aufwand ausrichten, würden vor allem die Erwerber von hochpreisigen Immobilien profitieren. Diejenigen, die beim Erwerb einer kleineren Immobilie ohnehin schon an ihre finanziellen Grenzen stoßen, müssten hingegen mit höheren Notarkosten rechnen, um eine gleichwertige Beratung zu erhalten. Das lässt sich nur durch das bestehende System vermeiden, das auf eine Quersubventionierung der Immobiliengeschäfte im unteren Preissegment durch die höherpreisigen Geschäfte hinausläuft.

Geben Sie doch mal ein paar Gebühren-Beispiele.
Ein Hauskauf für 250.000 Euro kostet wie gesagt etwa 1.750 Euro, ein Wohnungskauf für 80.000 Euro etwa 750 Euro. Abhängig von der Höhe der Grundschuld, kommen noch einmal etwa 150 bis 500 Euro hinzu. Ein Testament schlägt bei einem Erbe im Wert von 100.000 Euro mit 270 Euro zu Buche – inklusive jeglicher Beratung wohlgemerkt. Eine Unterschriftsbeglaubigung liegt zwischen 20 und 70 Euro. Diese Beispiele belegen: Wenn es um Lebensentscheidungen, wie den Kauf eines Eigenheims oder um die Umsetzung des letzten Willens geht, ist eine notarielle Beratung preiswert und vor allem jeden Cent wert.

Womit können Notare am meisten verdienen?
Die höchsten Einnahmen gibt es, wie schon erwähnt, im Gesellschaftsrecht. Eine Firmen-Verschmelzung kann bis zu 27.000 Euro kosten, wenn es um eine Bilanzsumme von mehr als zehn Millionen Euro geht. Die Gebühren sind gesetzlich geregelt und jede Kostenrechnung ist kostenfrei überprüfbar. Gebühren-Abzocke gibt es bei uns nicht.

Welche gesellschaftliche Rolle hat der Notar?
Der Notar hat in der Gesellschaft eine stabilisierende und befriedende Funktion, weil er mit seinen Urkunden Rechts- und Beweissicherheit schafft und damit ganz wesentlich zur Streitvermeidung beiträgt. Zudem sorgt er durch die unparteiische Beratung dafür, dass unerfahrene Beteiligte nicht benachteiligt werden, und betreibt damit aktiven Verbraucherschutz.

Themawechsel: Warum haben Notare bei der Geldwäsche in der Vergangenheit so selten Alarm geschlagen?
Notare unterliegen einer strengen Verschwiegenheitspflicht. Das ist auch wichtig, damit unsere Mandanten keine Sorgen haben müssen, uns sensible Informationen zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund sieht das Gesetz derzeit noch vor, dass wir eine Meldung nur dann abgeben dürfen, wenn wir vom Vorliegen eines Geldwäschefalls positive Kenntnis haben. Das ist so gut wie nie der Fall. Ein bloßer Verdacht reicht nicht aus.

Was tun?
Durch die gerade beschlossenen Änderungen des Geldwäschegesetzes wird die Verschwiegenheitspflicht gelockert. Künftig ist es Notaren daher möglich, in bestimmten, besonders geldwäscheanfälligen Konstellationen Meldungen abzugeben – etwa, wenn intransparente Gesellschaften in Erscheinung treten, bei denen unklar ist, wer eigentlich dahintersteht, oder wenn Beteiligte aus Drittstaaten kommen, bei denen ein besonders hohes Geldwäscherisiko besteht. Die neuen Meldepflichten, die wir Notare seit langem fordern, werden zu deutlich mehr Verdachtsmeldungen der Kollegen führen. Dies wird den deutschen Immobilienmarkt deutlich unattraktiver machen für Geldwäschegeschäfte. Künftig kann und muss der Notar die Beurkundung von Immobilienkaufverträgen jedoch ablehnen, wenn ihm zu beteiligten Gesellschaften keine saubere Dokumentation der Eigentums- und Kontrollstruktur vorgelegt wird. Damit werden Notare künftig für deutlich mehr Transparenz im deutschen Immobilienmarkt sorgen.

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