
Zum Auftakt des NPD-Verbotsverfahrens am Bundesverfassungsgericht ist die rechtsextreme Partei mit Befangenheitsanträgen gescheitert. NPD-Anwalt Peter Richter lehnte zu Beginn der dreitägigen Verhandlung am Dienstag in Karlsruhe gleich zwei Richter des Zweiten Senats ab (Az. 2 BvB 1/13) - seine Anträge waren jedoch nicht erfolgreich. Zugleich verlangte er die Einstellung des Verfahrens, weil es keine Beweise dafür gebe, dass die V-Leute der Verfassungsschutzbehörden tatsächlich abgeschaltet worden seien.
Die Karlsruher Richter prüfen auf Antrag des Bundesrats ein Verbot der NPD. Kommen sie zu dem Schluss, dass die rund 5200 Mitglieder starke Partei verfassungswidrig ist, muss sie sich auflösen.
Was spricht für ein NPD-Verbot – und was dagegen?
Am Für und Wider eines Verbots der NPD scheiden sich seit Jahren die Geister.
Quelle: dpa
Aus Sicht der Befürworter darf eine Gesellschaft es nicht hinnehmen, wenn eine Partei offen menschenverachtende Reden schwingt. Eine Demokratie müsse unter Beweis stellen, dass sie stark genug ist, um sich zu wehren. Es könne nicht sein, dass die Rechtsextremen über die staatliche Parteienfinanzierung von Steuergeldern profitieren und das Recht haben, auf öffentlichen Plätzen zu demonstrieren. Die NPD sei eng mit der gewaltbereiten Szene verwoben.
Gerade vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus schädige eine solche Partei das Ansehen Deutschlands. Ein Verbot wäre demnach nicht nur ein wichtiges politisches Signal. Durch die Zerschlagung von Parteistruktur und -vermögen schwäche es auch den Rechtsextremismus insgesamt.
Die Gegner meinen, dass ein Verbot nur auf den ersten Blick die beste Lösung sei. Die verfassungsrechtlichen Hürden seien hoch - rechte Parolen reichten bei weitem nicht aus. Scheitere auch der zweite Anlauf, wäre das nicht nur ein öffentlichkeitswirksamer Triumph für die NPD. Sie könnte das Urteil dann auch als eine Art „Persilschein“ vor sich her tragen.
Überhaupt sei das Verbot einer so kleinen Partei, als ob man mit Kanonen auf Spatzen schieße. Die Möglichkeiten einer politischen Bekämpfung der NPD seien längst nicht ausgeschöpft. Offene Auseinandersetzung, Aufklärung und Prävention seien der bessere Weg. Durch ein Verbot gebe es auch nicht weniger Rechtsextreme. Sie würden nur in andere Gruppierungen ausweichen.
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle betonte, das Verfahren stelle für das Gericht „in vielfacher Hinsicht eine besondere Herausforderung dar“. So könnten die Richter zum Beispiel nicht auf eigene aktuelle Entscheidungen zurückgreifen. Zuletzt wurde in Deutschland 1956 die kommunistische KPD verboten.
Der Senatsvorsitzende verwies darauf, dass das Gericht quasi als erste Instanz einen komplexen Sachverhalt aufzuklären habe. Ob die zunächst geplanten drei Verhandlungstage dafür ausreichen, ist unklar. Ein Urteil wird in jedem Fall erst in einigen Monaten erwartet.
NPD-Anwalt Richter begründete seine Befangenheitsanträge damit, dass sich der für das Verfahren zuständige Berichterstatter Peter Müller und der Richter Peter Huber in ihrer Zeit als aktive Politiker mehrfach ablehnend über die Partei geäußert hätten. Huber habe sich als Innenminister in Thüringen offen für ein NPD-Verbot eingesetzt. Der NPD-Anwalt bezweifelte daher ihre Unvoreingenommenheit.
Voßkuhle entgegnete, politische Äußerungen seien Richtern des Bundesverfassungsgerichts nicht grundsätzlich verwehrt. Müllers und Hubers politische Ämter hätten politische Meinungsäußerungen geradezu nötig gemacht.
Eine entscheidende Frage in dem Verfahren ist, ob die Politik diesmal alle Hindernisse aus dem Weg geräumt hat. Ein erster Verbotsanlauf war 2003 gescheitert, weil der Verfassungsschutz bis in die NPD-Spitze hinein Informanten hatte.
So nahm am Dienstag die Erörterung des V-Leute-Problems breiten Raum ein. Die Bundesländer hatten dafür im vergangenen Mai zusätzlich zum 250-seitigen Verbotsantrag noch einmal vier Aktenordner mit Belegen eingereicht. Bundesregierung und Bundestag hatten sich dem neuen Verbotsantrag nicht angeschlossen.
Bundesratspräsident Stanislaw Tillich (CDU) betonte vor Gericht, in der NPD gebe es seit 2012 keine V-Leute mehr. Ein Verbot der Partei sei geboten, weil sie sich durch ideologischen und radikalen Rassismus auszeichne. „Die NPD ist politisch bedeutend und sie ist gefährlich“, sagte der sächsische Ministerpräsident.
Das lange Ringen um ein Verbot der NPD
Die Karlsruher Richter stellen das erste Verbotsverfahren gegen die NPD ein. Grund sind zahlreiche Verbindungsleute (V-Männer) des Verfassungsschutzes in NPD-Führungsgremien. Das Verbot hatten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat Anfang 2001 unter dem Eindruck zunehmender Gewalt rechtsextremer Täter beantragt.
Eine Hetzjagd von Jugendlichen auf acht Inder in der sächsischen Stadt Mügeln belebt die Debatte um ein NPD-Verbot neu. Der Vorstoß des damaligen SPD-Chefs Kurt Beck, ein neues Verfahren prüfen zu lassen, stößt in anderen Parteien aber auf Skepsis.
Die SPD-Innenminister kommen zu dem Schluss, vor einem NPD-Verbot müssten zunächst nachrichtendienstliche Zugänge „abgeschaltet“ und dann erneut Erkenntnisse über die Partei gesammelt werden. Die Union lehnt einen neuen Anlauf weiter ab.
Die Innenminister der Länder beschließen, wieder systematisch Beweise gegen die rechtsextreme Partei zu sammeln und auf V-Leute in der NPD-Führung zu verzichten.
Die NPD will beim Verfassungsgericht ihre Verfassungstreue prüfen lassen. Ihre Argumentation: Die Partei werde durch die Behauptung, sie sei verfassungswidrig, in ihren Rechten verletzt. Die Richter weisen den Vorstoß im März 2013 ab.
Der Bundesrat beschließt, ein neues Verbotsverfahren einzuleiten. Nur Hessen enthält sich.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung verzichtet darauf, sich dem Antrag der Länder anzuschließen. Im April stimmt auch der Bundestag gegen einen eigenen Verbotsantrag.
Die Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz hat die Beweismittel zusammengetragen und den Verbotsantrag fertiggestellt, wie Baden-Württembergs Innenministerium mitteilt.
Der Bundesrat reicht den Verbotsantrag ein.
Die Länder legen vom Verfassungsgericht angeforderte neue Beweise zur Abschaltung von Geheimdienstinformanten vor.
Der Bundesrat reicht weitere Beweisunterlagen ein, die unter anderem belegen sollen, dass die NPD seit 2013 besonders aggressiv gegen Asylbewerber vorgehe.
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt ab dem 1. März drei Tage lang über ein Verbot der rechtsextremen NPD. Dabei prüfen die Karlsruher Richter auf Antrag des Bundesrats, ob die rund 5200 Mitglieder starke Partei nach den strengen Maßgaben des Grundgesetzes verfassungswidrig ist.
NPD-Anwalt Richter bezweifelte die Aussagekraft der Bescheinigungen zur Abschaltung der V-Leute. Diese seien unglaubwürdig, weil sie von Behörden stammten. Die Befürchtung, dass man weiterhin überwacht und ausgeforscht werde, sei auch der Grund dafür, dass sich die NPD inhaltlich bisher nicht zum Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit geäußert habe. Verfassungsrichter Müller hielt dem entgegen, dass dem Gericht unter anderem umfangreiche Protokolle aus den Abschaltgesprächen mit den V-Leuten vorgelegt worden seien.
Der Verfahrensbevollmächtigte des Bundesrats, Christian Waldhoff, versicherte, dass alle Belege in dem Verfahren frei von geheimdienstlichen Quellen seien. „Die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens war die oberste Maxime.“ Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sagte, es seien auch keine Erkenntnisse ausländischer Geheimdienste verwendet worden.
In einer Verfahrenspause sagte Tillich, er erkenne das Vokabular wieder, das die NPD auch im sächsischen Landtag immer wieder verwendet habe. „Wenn hier von einer Todesstrafe für eine Partei gesprochen wird, dann zeigt das im Prinzip, wessen Geistes Kind die Vertreter der NPD sind.“
Die Hürden für das Verbot einer Partei sind in Deutschland hoch. Das Verbreiten verfassungsfeindlicher Ideen allein reicht dafür nicht aus. Beim KPD-Verbot vor 60 Jahren hatte das Gericht eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der demokratischen Grundordnung als zentrales Kriterium formuliert.