NRW-Landtagswahl Traumpaar Schwarz-Gelb? Von wegen!

Union und FDP könnten in Nordrhein-Westfalen eine Regierung bilden. Allerdings zögern die Liberalen unter Christian Lindner. Denn der FDP-Chef will sein eigentliches Ziel nicht aus den Augen verlieren.

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NRW-Wahl: FDP mit über zwölf Prozent. Quelle: AP

Sein Ziel war Armin Laschet. FDP-Chef Christian Lindner hatte sich über Monate erst an der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen abgearbeitet. Im Wahlkampfendspurt aber nahm er sich immer stärker den CDU-Landeschef vor. „Mein Freund Armin Laschet, ein liebenswürdiger Mann“, sagte Lindner süffisant Ende April auf dem Bundesparteitag der Liberalen. Die Botschaft: Laschet fehle der Siegeswillen, er habe nicht das Zeug zum Ministerpräsidenten. So viel Spott wollte der CDU-Mann nicht auf sich sitzen lassen. Die FDP schiele auf eine gemeinsame Regierung mit Hannelore Kraft, keilte Laschet zurück.

Laschet und Lindner hatten wohl beide nicht damit gerechnet, dass es nach der Wahl für ein schwarz-gelbes Bündnis reichen könnte. Eine sogenannte Jamaika-Koalition, bei der die Grünen mit am Kabinettstisch sitzen würden, war immer wieder im Gespräch, angesichts der politischen Stimmung in Nordrhein-Westfalen aber wenig realistisch. Nun reicht es für das klassische Zweierbündnis aus Union und FDP. Im Landtag hätten sie eine hauchdünne Einstimmen-Mehrheit.



Noch vor ein paar Jahren wäre es selbstverständlich gewesen, dass Christdemokraten und Liberale in einer solchen Situation eine gemeinsame Regierung bilden. FDP-Chef Lindner bremst aber, er will mit seiner Partei nicht länger als Mehrheitsbeschaffer der Union gelten. „Menschen, die unsere Liberalität teilen, haben uns gewählt. Und zwar weil sie uns gemeint haben, die Freien Demokraten mit ihren Projekten und Werten, nicht weil sie zuallererst den Koalitionspartner von irgendjemandem stärken wollten“, sagte Lindner am Montag in Berlin. „Selbstverständlich ist die FDP bereit, in Nordrhein-Westfalen in die Verantwortung zu gehen.“ Wenn es aber keinen echten Politikwechsel gebe, müsse die Lebendigkeit des politischen Gesprächs aus der Opposition heraus erhalten oder belebt werden.

Wie es jetzt weiter geht? Union und FDP werden Sondierungsgespräche führen. In der Wirtschaftspolitik dürften sie sich schnell einig werden. Bei Fragen der inneren Sicherheit könnte es länger dauern. Die CDU hatte sich im Wahlkampf als Sicherheitspartei profiliert und der rot-grünen Koalition wiederholt Staatsversagen vorgeworfen. Die Christdemokraten wollen mehr Polizisten einstellen sowie Videoüberwachung und Kontrollen ausbauen. Die FDP sieht die Freiheitsrechte der Bürger bedroht und warnt vor einem Überwachungsstaat.

Für Laschet wäre Schwarz-Gelb das größere Risiko

Doch am Ende dürften mehr als die Sachthemen entscheiden. Für Christian Lindner geht es nämlich nicht nur um die künftige Landesregierung in Düsseldorf. Der FDP-Chef versteht das hervorragende Wahlergebnis in Düsseldorf – 12,6 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme der FDP – als Auftrag, die FDP in den Bundestag in Berlin zurückzuführen. Werner Bruns von der Rheinischen Fachhochschule in Köln warnt, die FDP dürfe nun nicht überheblich oder arrogant werden.

„Das wäre die größte Gefahr für ein Comeback in Berlin.“

Das ist einer der Gründe, warum Lindner davor zurückschreckt, in eine Landesregierung einzutreten. Noch immer hängt der Partei das Image an, sie interessiere sich im Zweifel mehr für Ministerämter und Dienstwagen als für Inhalte.

Reaktionen zur Landtagswahl
CDUDie CDU feiert ihren Wahlerfolg mit großem Jubel.
SPD Ein weiteres Mal abgestraft. Lange Gesichter nach der Wahlschlappe bei der SPD. Quelle: REUTERS
Michael Grosse-Brömer, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion (CDU) "Das ist ein riesiger Erfolg für Armin Laschet, für die CDU und natürlich für Angela Merkel." Quelle: dpa
Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte (SPD)"Die Landesregierung ist abgelöst worden. Wir haben keines unserer Wahlziele erreicht. Eine schwere Niederlage, die wir nicht beschönigen können. Aber hier ist über die Landespolitik abgestimmt worden, nicht über die Bundespolitik." Quelle: AP
Ralf Stegner, SPD-Bundesvize (SPD)"Das ist eine wirklich herbe Niederlage, die tut uns ordentlich weh. Das ist, wenn das im Stammland der SPD passiert, ein Leberhaken für die Bundespartei. Der Boxer SPD hat einen Leberhaken bekommen, aber er steht noch und der Bundestagswahlkampf wird heißen: Angela Merkel oder Martin Schulz." Quelle: dpa
Hermann Gröhe, Bundesgesundheitsminister (CDU)"Ich bin begeistert, dass wir diese Aufholjagd hingelegt haben. Drei große Aufholjagden: im Saarland, in Schleswig-Holstein und jetzt in Nordrhein-Westfalen.""Es gab Rückenwind, aber es war eine Entscheidung über die Landespolitik.""Es war ein Scheitern von Rot-Grün im Land." Quelle: dpa
Frauke Petry - AfD-BundesvorsitzendeDie AfD-Vorsitzende Frauke Petry hat sich zufrieden über das Ergebnis ihrer Partei bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen geäußert. „Wir wünschen uns für den Bundestagswahlkampf und für die Wahl am 24. September noch mehr, aber wir sind sehr zufrieden mit einem derartigen Ergebnis für dieses größte Bundesland“, sagte Petry am Sonntagabend in der ARD. Erste Hochrechnungen zeigten die AfD bei gut sieben Prozent. Quelle: dpa

In der Zeit der letzten schwarz-gelben Bundesregierung in Berlin konnte die FDP zwischen 2009 und 2013 keine nennenswerten politischen Ziele durchsetzen – das ist vielen Wählern in Erinnerung geblieben, besonders denen, die die FDP für ihr Versprechen einer großen Steuerreform gewählt hatten.

Kurz: Es ist nachvollziehbar, dass Christian Lindner nicht als Umfaller dastehen will. Armin Laschet, der der Union ohnehin eher als Anhänger von Schwarz-Grün als von Schwarz-Gelb gilt, müsste den Liberalen inhaltlich weit entgegenkommen. Für Lindners These, dass sich eine große Koalition wohl einfacher als Schwarz-Gelb verhandeln ließe, spricht einiges. Zumal bei nur einer Stimme Mehrheit im Landtag nicht gewiss wäre, ob Armin Laschet in einer geheimen Wahl tatsächlich zum Ministerpräsidenten gewählt werden würde. Auch der CDU-Spitzenkandidat hat also Gründe Schwarz-Gelb zu scheuen.

Wie auch immer die Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen ausgeht – der FDP-Chef hat kein Interesse an einer wochenlangen Hängepartie. Christian Lindner wird nun ganz pragmatisch abwägen: Nützt oder schadet es der FDP eher, wenn sie der nächsten Landesregierung in Nordrhein-Westfalen angehören wird? Denn im Zweifel ist der Wiedereinzug in den Bundestag wichtiger als eine Regierungsbeteiligung.

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