NRW-Wahl Machtkampf im Westen

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Keine Lust auf die Provinz

Norbert Röttgen Quelle: Laif

Also setzten sich Röttgen und Lindner zusammen, um so etwas wie „Unser Song für Berlin 2017“ zu schreiben. Heraus kam ein interessanter Remix christliberaler Kernsätze, eine ökologisch korrekte Neuabmischung von Alfred-Müller-Armack-Melodien und Friedrich-August-von-Hayek-Hits, kontrastreich eingebettet in den düsteren Sound von Finanzkrise und Klimawandel, zeitgemäß durchpulst vom Beat der Globalisierung.

Von einem aufgeklärten Wachstumsbegriff war in dem Aufsatz die Rede und von Umweltgütern, die einen Preis haben müssen, vom „Ordnungsbedürfnis“ der Finanzmärkte und einer Freiheit, die nicht nur durch das Freiheitsrecht des Nächsten begrenzt sei, sondern auch durch das Freiheitsrecht der Fernsten (etwa in Afrika) und Noch-nicht-Geborenen (der Enkelkinder).

Abschied vom Bastardliberalismus

Röttgen und Lindner nahmen damals Abschied vom hedonistischen Bastardliberalismus der Hier-und-jetzt-Erfolgreichen, um bürgerliche Grundanliegen wie Langfristigkeit, Anstand und Pflichtgefühl zu rekultivieren. Sie pochten auf Wettbewerb, Staatsferne und Machtdiffusion und auf einen schlanken Staat, der für Ordnung sorgt. Sie entsagten dem Fetisch des Bruttosozialprodukts und verwarfen den Geldismus der Finanzindustrie.

Sie beklagten die „Exzesse“ der Märkte und verknüpften den Begriff der Freiheit wieder mit dem Begriff der Verantwortung: für eine schuldenfreie Zukunft, eine saubere Umwelt und die Bewahrung der Schöpfung. Soziale Marktwirtschaft reloaded. Röttgen und Lindner – das war vor zwei Jahren auch deshalb die schönste Zukunft von Schwarz-Gelb, weil sie ein bisschen grün und katholisch war.

Heute ist diese Zukunft ferner denn je. Als Spitzenkandidaten ihrer Parteien traten Röttgen und Lindner in diesen Tagen nicht mit-, sondern gegeneinander auf. Sie kämpfen nicht um den Einzug in den Berliner Olymp, sondern sie geben vor, Einzug in den Düsseldorfer Landtag halten zu wollen.

"Currywurst ist SPD" - mehr braucht es nicht

Sie stolzieren nicht über die Höhenzüge der Theorie, um das Weltklima oder den Liberalismus zu retten, sondern sie stehen sich in lipperländischen Ratsstuben die Beine in den Bauch, um sich über Ortsumgehungen unterrichten zu lassen.

Das Einzige, was die beiden dabei eint, ist, dass sie genau darauf keine Lust haben. Röttgen und Lindner haben nie aufgehört, sich als Leitwölfe ihrer Parteien mit einem republikweiten Radius zu verstehen. Und eben das ist ihr Problem. Hannelore Kraft (SPD) muss nichts sein als da sein in NRW: „Currywurst ist SPD“, heißt es auf einem ihrer Plakate – mehr braucht es nicht zum Sieg.

Norbert Röttgen hat sich mit dem CDU-Vorsitz in NRW vor zwei Jahren eine Machtbasis für Berlin gesichert, nicht mehr und nicht weniger – landespolitische Ambitionen unterhalb des Ministerpräsidentenamtes sind ihm fremd.

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