NRW-Wahl Wahlkampf auf Russisch

Kurz vor der Wahl kämpft die CDU in Nordrhein-Westfalen um jede Stimme. Dafür macht sie sogar Werbung auf russisch. Die SPD wirft Armin Laschet deswegen die Verbreitung von Fake-News vor.

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Der Spitzenkandidat der NRW-CDU kämpft um jede Stimme. Quelle: dpa

Düsseldorf Eigentlich ist es eine ganz normale Anzeige: Armin Laschet, Spitzenkandidat der NRW-CDU, lächelt breit in die Kamera, links daneben prangt der Wahlslogan der Christdemokraten „NRW geht vor“. Mehr wird der normale Bürger allerdings nicht entziffern können, denn der Rest des Textes ist auf russisch. „Wählen Sie die CDU. Wir kämpfen für Ihre Rentenansprüche und eine eigenständige Altersvorsorge“, steht da in kyrillischen Buchstaben. Wie die Westdeutsche Zeitung berichtet, handelt es sich um eine Anzeige in einer russischsprachigen Zeitung in Bonn. Die CDU will damit ganz gezielt die zirka 340.000 Russlanddeutschen in Nordrhein-Westfalen ansprechen. Weil die Handhabung der Aussiedlerrente allerdings Bundesangelegenheit ist, also nicht von den Ländern entschieden werden kann, wirft die SPD ihrem Gegner Verbreitung von „Fake-News“ vor.

In den letzten Tagen kämpfen die Parteien um jede Stimme. In anderthalb Wochen wählt das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag. Bewahrheiten sich die aktuellsten Umfragen, könnte es denkbar knapp werden. Laut Infratest-Dimap liegt die CDU mit 31 Prozent nur noch einen Punkt hinter der SPD. Deswegen werden im Wahlkampfendspurt alle Register gezogen. Aber dass die CDU in NRW auf russischer Sprache um die Stimmen deutscher Staatsbürger wirbt, bietet auch Angriffsfläche. Betont die Union doch bei jeder Gelegenheit, dass das Erlernen deutscher Sprache Voraussetzung für gelungene Integration sein müsse.

Zu den rund 4,5 Millionen in Deutschland lebenden (Spät)-Aussiedlern aus den ehemaligen Sowjetregionen hatte die CDU allerdings schon immer ein besonderes Verhältnis. Über 650.000 von ihnen leben heute in NRW. Vor allem Helmut Kohl hatte sich zu Beginn der 90er-Jahre für die Rückkehr der Aussiedler stark gemacht, was der Partei Millionen dankbarer Wähler brachte.

Wenn in Deutschland von Russlanddeutschen die Rede ist, sind in der Regel Aussiedler und Spätaussiedler gemeint, die aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion eingewandert sind und die dann die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben. Die nordrhein-westfälische CDU hat 2014 sogar ein eigenes „Netzwerk für Aussiedler“ gegründet. Und auch im Wahlprogramm wird die Wählergruppe der Russlanddeutschen berücksichtigt: „Schließlich wollen wir die bestehende Diskriminierung von Spätaussiedlern bei der Rentenberechnung nicht länger tatenlos hinnehmen, sondern beim Bundesgesetzgeber auf eine gerechte und ausreichende Besserstellung heutiger und künftiger deutscher Rentenbezieher aus Osteuropa drängen.“

Die SPD wirft Armin Laschet deswegen Verbreitung von Fake-News vor. Generalsekretär André Stinka sagte gegenüber dem Handelsblatt: „Die Aussteuerung von unredlichen Behauptungen und falschen Infos kennt man sonst nur von der AfD oder von Donald Trump.“ Stinka spielt darauf an, dass die Aussiedlerrenten Bundesangelegenheit sind und darüber nicht von den Ländern entschieden werden kann.

Die CDU wollte sich zu diesem Vorwurf nicht äußern, verweist aber darauf, dass es eine Bundesratsinitiative von allen Unionsgeführten Ländern gebe, die eine Neubewertung der Aussiedlerrenten fordere. Die würde man im Falle eines Wahlsiegs unterstützen, wodurch es eben doch wieder Ländersache sei.

Seit Jahren sind die Rentenansprüche von Spätaussiedlern ein umstrittenes Thema. Dabei war es 1996 CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl selbst, der die Senkung der Aussiedlerrenten beschlossen hatte. Weil sie in den meisten Fällen nie in die deutsche Rentenkasse eingezahlt haben, sei es legitim die Rentenansprüche zu senken, urteilte das Bundesverfassungsgericht dann 2006 erneut. Noch im März vergangenen Jahres war Bayern im Bundesrat mit einen Antrag auf Neubewertung der Spätaussiedler-Renten gescheitert. Nordrhein-Westfalen und neun andere Bundesländer hatten den Antrag abgelehnt. Die Renten hunderttausender Aussiedler sind von diesem Urteil betroffen.

Unabhängig davon, wie die CDU um Stimmen der Russlanddeutschen wirbt, verliert sie in den letzten Jahren ohnehin einige davon an die AfD. Denn auch die Rechtsnationale Partei hat die Wählergruppe schon länger für sich entdeckt.

Bereits im März 2016 verteilte die Partei in Baden-Württemberg russische Wahlprogramme. Inzwischen gibt es sogar ein eigenes Netzwerk für Russlanddeutsche.

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