Allzu viele Achterbahn-Fahrgäste verlaufen sich in dieser Jahreszeit gewöhnlich nicht an den Ring. Und selbst wenn, dürfte die Bahn oft nur unbesetzt durch den Winter rasen – bei Minusgraden hat die Kreisverwaltung den Betrieb mit Passagieren untersagt. Außerdem bei Regen. Bei Schnee. Bei stärkerem Wind. Wer das Eifelwetter im Winter kennt, der weiß, was das bedeutet: praktisch immer.
Auf Nachfrage räumt Pietro Nuvoloni, der Sprecher der Insolvenzverwalter, denn auch ein, dass die Bahn wohl nicht allzu lange fahren wird. „Bis kommenden Sonntag fährt sie auf jeden Fall“, erklärt Nuvoloni. Das wären immerhin schon mal vier Tage. „Danach kann die Achterbahn in Abhängigkeit von den Öffnungszeiten des Ringwerks geöffnet werden, wenn es die äußeren Bedingungen zulassen.“
PR-Loopings für den Verkauf
Viel mehr als ein paar PR-Loopings wird die Bahn also bis auf weiteres nicht drehen. Die aber können die Insolvenzverwalter Lieser und Schmidt gut gebrauchen. Seit der Pleite der landeseigenen Nürburgring GmbH im Juli 2012 haben sie das Sagen, seit Mai dieses Jahres sind sie dabei, die legendären Rennstrecken mitsamt der millionenteuren Neubauten um Hotels, Disco, Restaurants, Veranstaltungshallen, überdachtem Shoppingboulevard und Museum zu verkaufen, im Paket oder in Einzelteilen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG sucht seither im Auftrag der Insolvenzverwalter Käufer. Da ist jede positive Nachricht willkommen.
Das Nürburgring-Desaster
Die legendäre Rennstrecke in der Eifel ist für ihre Eigentümer seit Jahren ein Millionengrab. Die Nürburgring GmbH – sie gehört zu 90 Prozent das Land Rheinland-Pfalz und zu zehn Prozent der Landkreis Ahrweiler – ist seit 2006 bilanziell überschuldet und kann sich nur dank immer neuer Landes-Millionen über Wasser halten. Haupt-Verlustbringer ist die Formel 1, die von 2003 bis 2009 ein Loch von 55 Millionen Euro in die Kasse riss. Für das Rennen 2011 kalkuliert das Land mit einem Minus weiteren 13,5 Millionen Euro. Der Landesrechnungshof geht von höheren Kosten aus.
Um aus den Miesen zu kommen, wollten der damalige Nürburgring-Geschäftsführer Walter Kafitz (SPD) und die damalige SPD-Alleinregierung von Kurt Beck mit dem riesigen Erlebnispark „Nürburgring 2009“ zusätzliche Besucher anlocken. Die Einnahmen sollten die Verluste aus der Formel 1 decken. Der Park besteht aus zwei Bauabschnitten: Die Nürburgring GmbH baute ein Erlebniszentrum mit Rennsportmuseum (Ringwerk), eine Achterbahn, eine überdachte Shoppingmeile (Boulevard) sowie zwei Veranstaltungshallen. Der zweite Abschnitt, entwickelt von Kai Richters Firma Mediinvest, umfasst zwei Hotels mit Personalwohnhaus, einen Ferienpark und das Eifeldorf „Grüne Hölle“, in dem sich eine Disco und diverse Restaurants befinden.
Die Baukosten stiegen von ursprünglich geplanten 215 auf 330 Millionen Euro. Der erste Bauabschnitt sollte zur Hälfte, der zweite komplett privat finanziert werden. Bei der Suche nach Investoren für den ersten Bauabschnitt fielen Land und Nürburgring GmbH auf dubiose Finanzvermittler herein. Die für den zweiten Bauabschnitt zuständige Firma Mediinvest von Kai Richter erhielt 85,5 Millionen Euro von der Rheinland-Pfälzische Gesellschaft für Immobilien und Projektmanagement mbH (RIM). Die ist eine hundertprozentige Tochter der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB), welche wiederum zu hundert Prozent dem Land gehört. Die MSR wurde später mitsamt der Gebäude von Landesgesellschaften übernommen.
Ab Mai 2010 vergab die Nürburgring GmbH den Betrieb des kompletten Parks inklusive der Rennstrecken an die private Nürburgring Automotive GmbH (NAG), die je zur Hälfte Kai Richters Mediinvest und der Düsseldorfer Lindner-Hotelgruppe gehört. Im Februar 2012 kündigte das Land den Betreibern wegen ausstehender Pachtzahlungen. Die NAG geht juristisch gegen die Kündigung vor. Nach ihrer Sicht der Dinge schuldet das Land den Betreibern noch Geld, diese Forderungen habe man mit der Pacht verrechnet. Streit gibt es um die von den Betreibern angekündigte Entlassung von einem Viertel der Belegschaft. Die EU-Kommission prüft nach mehreren Beschwerden von Konkurrenten, ob das Land bei der Verpachtung an die NAG gegen Vergaberecht verstoßen hat.
Die erhofften Besuchermassen bleiben aus. Die als schnellste der Welt geplante Achterbahn funktioniert bis heute nicht. In der „Grünen Hölle“ ist von Oktober bis März nur ein einziges Restaurant durchgängig geöffnet, der Rest ist die meiste Zeit dicht. Das Land wirft den Betreibern zudem vor, die Gebäude vernachlässigt zu haben. In mehreren Restaurants ist Schimmel aufgetreten. Der Landesrechnungshof schätzt den zusätzlichen Investitionsbedarf des Landes in den nächsten 20 Jahren auf bis zu 420 Millionen Euro.
Wegen ihrer Rolle bei der gescheiterten Privatfinanzierung hat die Staatsanwaltschaft Koblenz im Februar 2012 Anklage wegen Untreue gegen den ehemaligen rheinland-pfälzischen Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) erhoben. Auch der frühere Nürburgring-Hauptgeschäftsführer Walter Kafitz und zwei weitere ehemalige Manager der Nürburgring GmbH wurden wegen Untreue angeklagt. Der frühere ISB-Chef und ein RIM-Manager wurden wegen Beihilfe zur Untreue angeklagt. Die Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue gegen Kai Richter dauern an.
Tatsächlich allerdings ist die wirtschaftliche Lage schwierig. Erst am Montag mussten die Insolvenzverwalter Thomas Schmidt und Jens Lieser bei einem Pressetermin eingestehen, dass die nach der Insolvenz neu gegründete Betriebsgesellschaft aufgrund von Altlasten im laufenden Jahr 2013 „lediglich eine schwarze Null“ schreiben werde. Bisher hatten die Insolvenzverwalter mehrfach verkündet, mit einem Gewinn zu rechnen. Und noch Anfang Oktober verkündete Karl-Josef Schmidt, der Chef der Betriebsgesellschaft, im Magazin „Auto Motor und Sport“ ganz tolle Zahlen. Das Magazin zitiert Schmidt: „In diesem Jahr wird der Nürburgring rund 60 Millionen Euro Umsatz erzielen. Der Gewinn wird voraussichtlich bei acht Millionen Euro liegen.“
Voraussichtlicher Gewinn 2013: Null
Auf Nachfrage erklärt Nuvoloni nun, dass Schmidt falsch zitiert worden sei. Bisher hielt dieser es jedoch nicht für nötig, die angebliche Falschaussage zu dementieren. Und es gibt weitere Hinweise, dass die Entwicklung schlechter ist als geplant. Mitte September erhielten die Kaufinteressenten für den Nürburgring nach Informationen der WirtschaftsWoche eine Art Gewinnwarnung. Darin wurden die Plan-Zahlen für das erste Halbjahr 2013 den Ist-Zahlen gegenüber gestellt – und nach unten korrigiert. Das EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) etwa wurde von kalkulierten knapp sechs auf weniger als fünf Millionen Euro zurückgenommen. Nuvoloni will sich auf Nachfrage wegen der Vertraulichkeit des Verkaufsprozesses nicht dazu äußern.
Die Erklärungen der Insolvenzverwalter und ihres Sprechers Nuvoloni werfen einige Fragen auf, erscheinen wie ein Katz- und Maus-Spiel mit Öffentlichkeit und Investoren. Der Verweis auf Altlasten? Ohne weitere Erklärung wenig plausibel, denn die Nürburgring Betriebsgesellschaft mbH wurde erst 2012 gegründet. Auf Nachfrage sagt Nuvoloni nicht, was es mit den angeblichen Altlasten auf sich hat. Stattdessen teilt er mit: „In einem normalen Jahr ohne Sonderereignisse und ohne Formel 1 setzt der Nürburgring insgesamt rund 50 bis 65 Millionen. Euro um und erwirtschaftet einen Gewinn vor Steuern, Zinsen und Finanzierungskosten (EBITDA) von circa sechs bis zehn Millionen Euro.“