
Laut dem Wirtschaftsausblick der Industriestaaten-Organisation OECD ist ein überwiegender Teil rer Mitgliedsländer auf Wachstumskurs. Die Euro-Zone bleibt dabei das ökonomische Sorgenkind. Für die 34 OECD-Länder erwartet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2015 ein Wachstum von 2,8 Prozent. In den Ländern der Euro-Zone sollen es 1,7 Prozent werden, in Deutschland 2,1 Prozent. "Das Wirtschaftswachstum wird wahrscheinlich an Schwung gewinnen, da die Erholung im Euro-Raum die Nachfrage nach deutschen Exporten erhöht", erklärte die Organisation. Dagegen kämen aus den aufstrebenden Schwellenländern weniger Impulse, da dort das Wachstum nachlasse. Angesichts niedriger Zinsen dürften die Unternehmen mehr investieren und der Wohnungsbau weiter boomen. Sinkende Arbeitslosigkeit und steigende Löhne sollten den privaten Konsum beflügeln.
Die viel kritisierten hohen Exportüberschüsse werden der Prognose zufolge nicht schrumpfen. "Der Leistungsbilanzüberschuss wird weiterhin in der Nähe historischer Höchststände liegen", erwartet die OECD. In diesem Jahr werde er auf 7,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen, 2015 auf 7,4 Prozent zurückgehen. Die EU-Kommission stuft Werte von dauerhaft mehr als sechs Prozent als stabilitätsgefährdend ein.Die Arbeitslosenquote nennt die Organisation in ihrem am Dienstag in Paris vorgestellten ökonomischen Ausblick trotz Verbesserungen „nach wie vor untragbar hoch“. Im OECD-Bereich geht die Studie von 7,2 Prozent Arbeitslosigkeit in 2015 aus. Für die Euro-Länder erwartet die OECD 11,4 Prozent, in Deutschland rechnet die Organisation mit 4,9 Prozent Jobsuchenden in 2015.
Land | BIP (Veränderung zum Vorjahr in Prozent)* 2013 | 2014 | 2015 |
Deutschland | 0,5 | 1,9 | 2,1 |
Frankreich | 0,3 | 0,9 | 1,5 |
Griechenland | -3,9 | -0,3 | 1,9 |
Großbritannien | 1,7 | 3,2 | 2,7 |
Italien | -1,8 | 0,5 | 1,1 |
Japan | 1,5 | 1,2 | 1,2 |
Kanada | 2,0 | 2,5 | 2,7 |
Portugal | -1,4 | 1,1 | 1,4 |
Spanien | -1,2 | 1,0 | 1,5 |
USA | 1,9 | 2,6 | 3,5 |
Euro-Zone | -0,4 | 1,2 | 1,7 |
OECD GESAMT | 1,3 | 2,2 | 2,8 |
*) Arbeitstäglich bereinigt
Allerdings fordert die OECD von der Bundesregierung eine aktivere Wirtschaftspolitik. Sie sollte mehr Spielraum für wachstumsfördernde Ausgaben schaffen, empfiehlt die Organisation in ihrem Ausblick. Das Geld solle "insbesondere für Infrastrukturinvestitionen und Einrichtungen zur Ganztagsbetreuung" ausgegeben werden. Sozial Schwächere müssten zudem bessere Bildungs- und damit Aufstiegschancen bekommen, der Dienstleistungssektor von Fesseln befreit werden.
Wegen der sehr niedrigen Inflation legt die OECD der Europäischen Zentralbank außerdem eine Zinssenkung nahe. "Der Europäischen Zentralbank raten wir, neue Maßnahmen zu ergreifen", sagte der stellvertretende Generalsekretär Rintaro Tamaki am Dienstag bei der Vorstellung des Wirtschaftsausblicks. Auch große Konjunkturrisiken, hohe Arbeitslosigkeit und enorme Staatschulden machten dies notwendig. Der Leitzins - zu dem sich Geschäftsbanken bei der EZB mit Geld eindecken können - solle von derzeit 0,25 auf null Prozent gedrückt werden. Banken, die Geld bei der EZB parken, sollten zudem mit einem Strafzins belegt werden. Sowohl der sogenannte Einlagezins als auch der Leitzins sollten "bis mindestens Ende 2015 auf diesem Niveau belassen werden". Das könnte dazu beitragen, "die Kreditzinsen der Banken zu verringern und somit das Wachstum anzukurbeln".
Reiche das nicht aus, um die Inflationsrate näher an die gewünschte Zielmarke von zwei Prozent zu schieben, seien zusätzlich außergewöhnliche Maßnahmen notwendig. Vorstellbar seien Geldspritzen für Banken zu extrem günstigen Konditionen. "Ankäufe von Staats- oder Unternehmensanleihen oder Programme zur Förderung der Kreditvergabe der Banken an den privaten Nichtfinanzsektor wären ebenfalls denkbar."
Derzeit liegt die Teuerungsrate in der Euro-Zone nur bei 0,7 Prozent, während die EZB einen Wert von knapp zwei Prozent anstrebt. Deren Chef Mario Draghi hat bereits grundsätzlich die Bereitschaft zu einem erneuten Eingreifen signalisiert. Mit einer Änderung der Geldpolitik rechnen die meisten Experten aber bei der nächsten EZB-Ratssitzung an diesem Donnerstag aber nicht.