
Die öffentlichen Haushalte in Deutschland werden laut Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit deutlich vom gesetzlichen Mindestlohn profitieren. Per saldo könnten sie um jährlich 2,2 bis drei Milliarden Euro entlastet werden, sagte Jürgen Wiemers vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der "Rheinischen Post".
Allein die Einnahmen der Sozialversicherung dürften sich nach der IAB-Prognose um 2,9 bis 4,5 Milliarden Euro im Jahr erhöhen. Zudem werde der Fiskus über eine Milliarde Euro zusätzlich an Einkommensteuer einnehmen. Dem stünden allerdings höhere Personalkosten der Arbeitgeber gegenüber, weswegen hier weniger Steuern zu erwarten seien.
Zoll kämpft gegen schwarze Schafe beim Mindestlohn
Dafür ist der Zoll verantwortlich, der dem Bundesfinanzministerium untersteht. Grundlage für die Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung ist das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG). In der Praxis laufen die Fäden bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zusammen.
Nach Angaben des Zolls sind Verstöße gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, das für einige Branchen Mindestlöhne garantiert, an der Tagesordnung. Um Kosten zu drücken und ihre Gewinne zu steigern, üben einige Firmen Druck auf ihre Beschäftigten aus. Diese geben offiziell den Mindestlohn an, obwohl sie tatsächlich deutlich weniger für ihre Arbeit bekommen. Oder als geringfügig beschäftigt gemeldete Arbeitnehmer arbeiten mehr, so dass tatsächlich der Mindestlohn gar nicht gezahlt wird. Auch werden von Firmen gerne Stundenaufzeichnungen manipuliert, die dem Zoll bei Kontrollen vorgelegt werden müssen.
Die Dunkelziffer ist hoch, der volkswirtschaftliche Schaden geht sicher in die Milliarden. Im vergangenen Jahr konnten die rund 6500 Zöllner Schäden durch Schwarzarbeit von etwa 750 Millionen Euro (2011: 660 Mio.) aufdecken. Sie überprüften mehr als 543.000 Personen (2011: 524.000) und annähernd 66.000 Arbeitgeber (2011: 68.000). Ihr oberster Dienstherr, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), meinte kürzlich: „Hinter den beeindruckenden Zahlen stehen Zöllnerinnen und Zöllner, die Tag für Tag und oft unter widrigen, ja manchmal sogar gefährlichen Bedingungen ihren verantwortungsvollen Auftrag erfüllen.“
Ab nächstem Jahr gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro. Der Bundestag gab am Donnerstag grünes Licht für die Einführung der Lohnuntergrenze und setzte damit einen Schlussstrich unter eine rund zehnjährige politische Debatte. Mit dem Gesetz wird der Verdienst von 3,7 Millionen Arbeitnehmern aufgestockt. Für einzelne Branchen gelten aber tarifvertragliche Übergangsregelungen bis Ende 2016.
Der Staat wird aber nur dann zum großen Gewinner des Mindestlohns, sofern durch die Reform keine Beschäftigung verloren geht, unterstrich Wiemers. Genau davor aber warnen Unternehmen, Arbeitergeberverbände – und ganz aktuell auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. "Auch wenn die Erfahrungen in anderen Ländern nicht dafür sprechen, dass ein Mindestlohn die Arbeitslosigkeit unmittelbar erhöht, droht er die Beschäftigungsdynamik zu belasten", sagte Weidmann am Donnerstagabend in Berlin auf einer Veranstaltung des Wirtschaftsrats der CDU. Es bestehe das Risiko, dass Unternehmen im Aufschwung weniger neue Stellen schafften. Insbesondere gering qualifizierte Arbeitskräfte hätten in Zukunft schlechtere Chancen auf Beschäftigung.
Die Regierung will sich die gute Laune trotz aller Warnungen nicht verderben lassen. Arbeitsministerin Andrea Nahles feierte den Mindestlohn in ihrer Rede als "moderne, soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert". Und auch Finanzminister Wolfgang Schäuble, der im April noch vor den Folgen eines Mindestlohnes warnte, hat sein Opposition inzwischen aufgegeben.