Öffentlicher Dienst Müllmann oder Juristin – wer profitiert mehr vom Tarifabschluss?

Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst kostet Bund und Kommunen fast 10 Milliarden Euro. Was davon bei den Angestellten ankommt, unterscheidet sich teils deutlich.

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Öffentlicher Dienst, Verdi, Horst Seehofer, Frank Bsirske, Kita, Müllabfuhr, dbb, Beamtenbund Quelle: dpa

Berlin Tarifpolitik ist die Kunst, es irgendwie allen Recht zu machen. So auch beim aktuellen Abschluss für die rund 2,3 Millionen Tarifbeschäftigten des Bundes und der Kommunen.

Die Gewerkschaften hatten sich anfangs vor allem für die Beschäftigten mit niedrigen Einkommen stark gemacht. Verständlich, denn hier haben sie die meisten Mitglieder. Deshalb forderten Verdi sowie dbb Beamtenbund und Tarifunion neben den sechs Prozent mehr Geld für zwölf Monate auch eine „soziale Komponente“: Mindestens 200 Euro sollte jeder Beschäftigte mehr in der Tasche haben.

Der Mindestbetrag hätte Beschäftigten mit einfachsten Tätigkeiten, also etwa der Garderobendame im Stadttheater, ein Plus von rund elf Prozent beschert. Viel zu viel, sagten die Arbeitgeber. Denn aus ihrer Sicht sind gerade die unteren Einkommensgruppen bei Bund und Kommunen schon in den zurückliegenden Runden bevorzugt bedient worden. So verdient etwa ein Müllmann im ersten Berufsjahr heute 2.109 Euro und damit gut ein Drittel mehr als vor zehn Jahren.

Handlungsbedarf sahen die Arbeitgeber eher bei den Fachkräften. Denn zum Teil können Investitionsmittel heute nicht abgerufen werden, weil in den Ämtern Planer oder Ingenieure fehlen. Eine Juristin im Dienst der Kommune kommt heute in der Endstufe auf 5.524 Euro. Ihr Gehalt ist seit 2007 um 29 Prozent gestiegen, langsamer als das des Müllmanns.

Mit einer grundlegenden Reform der Tariftabellen soll nun möglichst allen Wünschen Rechnung getragen werden. Die dreistufige Tariferhöhung um 7,5 Prozent über die Laufzeit von 30 Monaten ist nur ein Durchschnittswert. Mal gibt es mehr, mal weniger.

Über besonders kräftige Entgeltzuwächse von rund zehn Prozent können sich Berufsanfänger freuen. Je nach Entgeltgruppe geht es hier um 200 bis knapp 500 Euro mehr. Ziel ist, den öffentlichen Dienst im Werben um den Nachwuchs wieder konkurrenzfähiger gegenüber der Privatwirtschaft zu machen.

Steigt eine Erzieherin in einer kommunalen Kita heute bei 2.578 Euro ein, werden es nach dem letzten Schritt der dreistufigen Tariferhöhung ab März 2020 rund 2.660 Euro sein. Auch in Bereichen, in denen heute schon Fachkräftemangel herrscht, soll das Lockmittel Geld aktiviert werden. Ingenieure oder IT-Verantwortliche in Entgeltgruppe 10 bekommen je nach Anzahl der Dienstjahre zwischen acht und knapp elf Prozent mehr Geld. Nur die ganz Erfahrenen, die schon mindestens zehn Jahre in der Verwaltung arbeiten, müssen sich mit einem Plus von knapp sieben Prozent begnügen.

Auch die unteren Entgeltgruppen 1 bis 6 erhalten aber kräftige Aufschläge von mindestens 175 Euro über die gesamte Laufzeit. Hier geht es etwa um Wachpersonal, Kanalarbeiter, Verwaltungsfachangestellte oder Brandmeister. Der erfahrene Müllwerker in der Endstufe der Entgeltgruppe 3 verdient ab März 2020 dann 2.823 Euro – knapp 7,5 Prozent mehr als heute. Außerdem gib es für die unteren Entgeltgruppen rückwirkend zum 1. März noch eine Einmalzahlung von 250 Euro.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lobte die „zielgerichteten Entgeltsteigerungen“ des Abschlusses. Jeder Beschäftigte werde aber am Ende der Laufzeit mindestens 6,8 Prozent mehr Geld in der Tasche haben. Verdi-Chef Frank Bsirske hob hervor, dass man hohe Zuwächse besonders in Bereichen vereinbaren konnte, in denen der öffentliche Dienst mit Personalmangel zu kämpfen habe.

Die zielgerichtete Tarifpolitik hat allerdings ihren Preis. Die Kommunen kostet der Abschluss 7,5 Milliarden Euro, den Bund bei der bereits von Seehofer zugesagten Übertragung auf Beamte und Versorgungsempfänger 2,2 Milliarden Euro.

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