Ökonom Ernst Fehr "Widerspenstige Empirie"

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Menschen gehen am Dienstag in Quelle: dpa

Geben Sie uns mal ein Beispiel. Wo tritt denn nicht-rationales Verhalten auf?

Nehmen Sie den Arbeitsmarkt. Dort spielen sowohl Fairnessmotive als auch Geldillusion eine große  Rolle für das Verhalten der Menschen. Damit können Sie erklären, wie es zu nominalen Lohnrigiditäten kommt, selbst wenn es keine Gewerkschaften gibt. Diese Rigiditäten schränken die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes ein und verhindern, dass Arbeitsmärkte wie typische Wettbewerbsmärkte funktionieren.

Wieso spielen Fairness, Reziprozität und Altruismus eine so große Rolle?

Die Menschheitsgeschichte ist eine Geschichte des Egalitarismus, mit all seinen Vor- und Nachteilen. Wenn man sich kleine Stammesgesellschaften anschaut, dann gibt es dort enorm viel egalitäre Vorkehrungen. Die Menschen haben tausende von Jahren in solchen Strukturen gelebt. Die kulturelle Tradition hat die Bedeutung von Fairness und egalitären Vorstellungen bis heute bewahrt. Das sehen Sie am aktuellen Streit über die Höhe von Managergehältern.

Sind auf Fairness und egalitäre Verhältnisse ausgerichtete  Gesellschaften erfolgreich?

Die Geschichte zeigt, dass sich Gesellschaften mit starker Kooperation bei  Konflikten, etwa im Kampf mit anderen Gesellschaften, durchgesetzt haben. Solche auf Kooperation ausgerichtete Gesellschaften waren meist auch vergleichsweise egalitär strukturiert. Heutzutage stellt der Egalitarismus aber manchmal ein großes Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung dar. Wir haben Experimente bei Stammesgesellschaften in Papua Guinea gemacht. Dort herrschte ein enormer sozialer Druck, sein Einkommen mit den anderen zu teilen. Das hat die Anreize, sein eigenes  Geld zu verdienen und wirtschaftlich aktiv zu werden, drastisch verringert.

Sie greifen bei Ihren Forschungen auf Laborexperimente zurück. Was versprechen Sie sich davon?

Bei Laborexperimente können wir den Datenerzeugungsprozess kontrollieren. Die Daten sind sauberer, weil wir alle Einflussgrößen kennen und Störfaktoren ausschließen können. Wir stützen uns aber nicht nur auf die Ergebnisse von Laborexperimenten, sondern versuchen, diese mit anderen Daten, etwa denen von statistischen Ämter, abzugleichen.

Ökonomen wird  vorgeworfen, ihre Modelle hätten bei der  Analyse der  Finanzkrise versagt. Wie berechtigt ist der Vorwurf?

Diese pauschale Kritik ist unberechtigt. Sicher hat es viele Ökonomen gegeben – auch in den Banken – die die Krise nicht haben kommen sehen. Aber es hat auch warnende Stimmen gegeben. Denken Sie nur an Robert Shiller von der Yale-Universität. Er hat lange bevor die Immobilienkrise ausbrach vor einer Hauspreisblase gewarnt.

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