Ökonom Felbermayr „Deutschlands Standortqualität hat sich verschlechtert“

Gabriel Felbermayr: Deutschlands Standortqualität hat sich verschlechtert Quelle: imago images

Der neue Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Gabriel Felbermayr, rügt die Reformunlust der Politik. Seine Warnung: Die nächste Wirtschaftskrise könnte für Deutschland härter werden als die Rezession 2008.

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Herr Felbermayr, die Wachstumsrate in Deutschland geht zurück, die Krisensignale häufen sich. Wie gut ist Deutschland aufgestellt, wenn die nächste Krise kommt?
Es gibt einen Bereich, wo wir ordentlich Spielraum haben, das ist die Fiskalpolitik. Der Staatshaushalt ist so gesund, das konjunkturstabilisierende Ausgabenprogramme bei einer Rezession einigermaßen problemlos – und anders als in vielen anderen Staaten – möglich wären. Ansonsten aber ist Deutschland strukturell in einer deutlich schlechteren Ausgangslage als im Krisenjahr 2008. Die Standortqualität hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert. 

Was sind für Sie die größten Baustellen?
Die Automobilindustrie, unsere Leitbranche, befindet sich in einem disruptiven Umbruch. Beim Megatrend der Digitalisierung hängen wir zurück, die Infrastruktur – Flughäfen, Straßen, Bahntrassen – befindet sich vielerorts in mitleiderregendem Zustand.

In der Steuerpolitik herrscht seit der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder kompletter Stillstand, gerade bei den Unternehmensteuern muss die Regierung dringend nachbessern. Hinzu kommt: Die Bürokratie ist nach wie vor enorm, die deutsche Liebe zum Detail erdrückend. Deutschland ist Weltmeister in der Umsetzung von Richtlinien. Und auch die politische Reaktion auf den demografischen Wandel ist leider völlig unzureichend. Hier muss noch viel passieren. Generell müssen wir feststellen, dass die Finanzkrise das Vertrauen der Menschen in den Markt erschüttert hat. Zugleich hat die Staatsgläubigkeit zugenommen – auch unter Ökonomen.

Während der vergangenen Rezession hat China die Weltwirtschaft ein Stück weit stabilisieren können. Kann uns nicht auch beim nächsten Abschwung das Ausland helfen?
Da wäre ich skeptisch. Viele wichtige Handelspartner haben selbst wirtschaftliche Probleme, gerade Schwellenländer wie China und Brasilien. Ich sage ganz klar: Ein „Herauswachsen“ aus der Krise wird für Deutschland beim nächsten Mal deutlich schwieriger als 2008.

Ein persönliche Frage an den neuen IfW-Präsidenten: Wer ist Ihr Lieblingsökonom?
Zum einen ein „gefallener Engel“: Paul Krugman. Seine aktuellen, oft sehr marktkritischen Veröffentlichungen gefallen mir überhaupt nicht, aber seine frühen wissenschaftlichen Arbeiten etwa zur Handelstheorie haben mich sehr beeinflusst. Mein zweiter Star ist Joseph Schumpeter. Nicht weil er wie ich Österreicher ist. Sondern weil er sich als herausragender Wissenschaftler in die Politik eingemischt hat und sogar Finanzminister war. Einen solchen Kampf des Forschers um gesellschaftlichen Einfluss finde ich vorbildhaft, es ist das Gegenteil des Elfenbeinturms.

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