Ökonomische Bildung „Wir brauchen ein Schulfach Wirtschaft“

Bildung: Ökonomen fordern Wirtschaft als Schulfach Quelle: imago images

Das Wirtschaftswissen der deutschen Schüler ist schlecht. Der Bildungsökonom Dirk Loerwald fordert daher eine Veränderung des Unterrichts – und kritisiert veraltete Lehrbücher.

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Herr Loerwald, eine Reihe von Studien kommt zu dem Schluss, dass es um die ökonomische Bildung deutscher Schüler schlecht bestellt ist. Sind daran auch die Schulbücher schuld?
Auch gute Schulbücher können schlechte Schülerleistungen zwar nicht verhindern, aber das Schulbuch ist heute immer noch das mit Abstand wichtigste Medium zur Vermittlung von Inhalten im Unterricht. Für Wirtschaftsfächer liegen mittlerweile eine ganze Reihe qualitativ guter Werke vor. In den Integrationsfächern wie Politik und Wirtschaft sind die Schulbücher allerdings von sehr unterschiedlicher Qualität. Nicht selten wird ein negatives oder undifferenziertes Unternehmerbild gezeichnet, in denen Unternehmer vor allem als Problemverursacher dargestellt werden. Da gibt es ganz skurrile Beispiele für die Vermittlung einer bestimmten Weltsicht über Ökonomie. Zum Beispiel hat das österreichische Schulbuch „Geospots“ für das Fach „Geographie und Wirtschaftskunde“ den Gründer von Attac – Christian Felber – als einen der großen Ökonomen neben Keynes, Marx, Smith, Friedman und Hayek aufgelistet. Das wurde erst nach massiven Protesten aus der Wissenschaft geändert. 

Wie entsteht ein Schulbuch für Wirtschaft und Sozialwissenschaften? 
Da gibt es je nach Verlag und Bundesland ein unterschiedliches Procedere. Von der Idee bis zur Drucklegung dauert es meistens zwei Jahre. Danach muss das Buch noch vom Kultusministerium jedes Bundeslands akkreditiert werden, in dem es genutzt werden soll. Die Kultusverwaltung überprüft dann, ob das Schulbuch die Inhalte des Lehrplans abbildet. Dieser Prozess kann nochmal mehrere Monate dauern. Insofern besteht die Gefahr, dass angesichts der Dynamik des Wirtschaftsprozesses einige Inhalte bereits veraltet sind, wenn das Buch auf den Markt kommt. Digitale Schulbücher werden hier zukünftig neue Möglichkeiten eröffnen. 

Wer sind die Autoren der Schulbücher?
Oft sind es Lehrer, auch Referendare, in manchen Fällen Fachdidaktiker von Universitäten. Bei Sowi-Büchern arbeiten häufig Politologen mit, die sich ihr ökonomisches Wissen nebenbei angeeignet haben.

Zur Person

Halten Sie es für sinnvoll, Schulbücher durch externe Materialien zu ergänzen, etwa von Unternehmen?
Die Debatte um die Qualität von kostenlosem Material, das etwa Stiftungen oder Betriebe den Schulen zur Verfügung stellen, muss man differenziert betrachten. Fakt ist: Es gilt in den allgemeinbildenden Schulen ein Sponsoringverbot. Reine PR-Aktionen sind gar nicht zulässig. Manche Kritiker lehnen aber jedwedes externe Lehrmaterial ab. Das finde ich zu einseitig gedacht. Auf einer Podiumsdiskussion hat mir jüngst ein Teilnehmer gesagt, wenn man Banker an Schulen lasse, um Finanzkrisen zu erklären, dann sei das so, also würde man Drogendealer holen, um Präventionspolitik zu betreiben. Das ist Unfug. Ganz ehrlich: Ich kann mir keinen vernünftigen Wirtschaftsunterricht vorstellen, der nicht auch in Kooperation mit Wirtschaft stattfindet. Was soll das denn für eine trockene und praxisferne Variante werden? Im Endeffekt kommt es darauf an, dass fachlich und fachdidaktisch fundiert ausgebildete Lehrkräfte die Materialien und Praxispartner auswählen und die Erfahrungen der Schüler in übergeordnete Zusammenhänge einordnen. Solche Lehrer wird es wiederum nur dann geben, wenn es für die ökonomische Bildung ein Schulfach gibt.

Wie stehen da die Chancen?
Wir stehen erst am Anfang. Ein eigenes Schulfach Wirtschaft gibt es derzeit nur in ganz wenigen Bundesländen wie Bayern und Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen will bald folgen. Wir brauchen das Schulfach Wirtschaft schlicht auch aus schulorganisatorischen Gründen. Nur wenn es ein eigenes Fach gibt, ist auch eine fundierte ökonomische Lehrerausbildung an den Universitäten möglich. Leider wird diese Debatte hinter den Kulissen teilweise sehr ideologisch und nicht immer seriös geführt. Manche Kritiker eines Schulfachs Wirtschaft suggerieren, die Befürworter seien Knechte des Neoliberalismus, die Schüler zu egoistischen Eigennutzmaximierern formen wollen.

Und was ist mit Vorwurf, Unternehmen hätten an einer Schule nichts zu suchen?  Sollte man Unternehmen prinzipiell aus den Schulen heraushalten?
Nein. Praxiskontakte müssen aber zwingend in den Lehrstoff eingebunden sein. Einen Vortrag oder die Mitwirkung von Unternehmensvertretern jenseits der Unterrichtsinhalte hielte ich für problematisch. Und ganz wichtig: Die Lehrer müssen über ökonomische Kenntnisse verfügen, um überhaupt bewerten zu können, was ein Wirtschaftsvertreter ihrer Klasse erzählt. Hier schließt sich dann der Kreis.

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