Ökonomischer Fehlanreiz Bauland zurückzuhalten darf sich nicht lohnen

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Komplizierte Graswurzelarbeit

Anfang der Siebzigerjahre war die Situation ähnlich wie heute, „eine Explosion der Baulandpreise“, erinnert sich Vogel. „Der Spiegel“ etwa schrieb 1970 von „Phantasiepreisen“ und der „Hochkonjunktur von Grundstücksspekulanten“. Vogel wollte als verantwortlicher Bauminister dagegen etwas tun und einen sogenannten Planungswertausgleich einführen. Gemeint ist, beim Verkauf von Bauland die Wertsteigerung abzuschöpfen, die sich allein aus der Ausweisung als Bauland oder der Ankündigung von Infrastrukturmaßnahmen ergibt.

Dahinter steckt folgende Begründung: Anders als bei Häusern, die man schafft oder erhält, tun Bodeneigentümer nichts dafür, den Wert ihres Grundstücks zu steigern. Sie profitieren lediglich davon, dass eine Kommune überhaupt erst Bauland ausweist oder die nötige Infrastruktur schafft. Die Kosten dafür trägt der Staat, also die Steuerzahler. Den Gewinn, nun Boden in attraktiver Lage zu besitzen, aber haben die Grundstückseigentümer für sich.

Leistungslose Bodenwertsteigerung nennen Ökonomen das. Dirk Löhr, Professor für Steuerlehre und Ökologische Ökonomik an der Hochschule Trier, beziffert sie derzeit auf 150 Milliarden Euro jährlich. Vogel schwebt deshalb auch ein spezielles kommunales Ankaufsrecht für unbebaute Grundstücke vor. „Das bedeutet Enteignung.“

Enteignung. Das Wort hat plötzlich wieder Konjunktur, seit Wohnungsnot und explodierende Mietpreise Bürger und Politik beschäftigen. Mal wieder. Zwar sind Enteignungen in Deutschland Alltag, wenn es um den Bau von Straßen, Radwegen oder neuen Bahntrassen geht. Aber Enteignungen als Instrument für Wohnungsbau? Und womöglich noch mit einem Vogel’schen Planungswertausgleich?

Bürgermeister Horndasch hält davon nichts. Sogar „gar nichts“, sagt er. Denn dann würde sein eh schon mühsames Geschäft noch schwieriger. „Gerade die Franken würden auf stur stellen.“ Die Folge wären langwierige juristische Auseinandersetzungen ums Bauland. In den nächsten acht bis zehn Jahren würde sich nichts mehr in Markt Allersberg tun, die Wohnungsnot nähme zu, fürchtet er.

Deshalb ist Horndasch auch verärgert über „die in Berlin“. Der parteilose Bürgermeister meint damit allerdings nicht die Bundesregierung, sondern den rot-rot-grünen Senat. „Mit ihren Enteignungssprüchen und Mietpreisbremsen verschrecken sie Investoren, und zwar landesweit.“ Unruhige Zeiten seien aber schlecht für Investitionen, Das sieht Kreisoberbauer Schmidt genauso: „Enteignungen würden die Stimmung kaputt machen.“

Allein durch Kritik an Berlin entsteht allerdings auch in Markt Allersberg kein einziges Haus. Was also tun? Reden. Verhandeln. Entscheiden. Bürgermeister und Bauern setzen sich immer wieder zusammen, es ist eine komplizierte Graswurzelarbeit.

Problem aus schwarz-weißen Zeiten: Der frühere Bundesbauminister Hans-Jochen Vogel kämpfte bereits Anfang der Siebzigerjahre für mehr Bauland. Quelle: imago images

Was auch damit zu tun hat, dass es nicht reicht, neues Bauland auszuweisen. Für jedes neue Bau- oder auch Gewerbegebiet muss auch eine entsprechende Ausgleichsfläche für den Naturschutz geschaffen werden. Es müssen also gleich zweimal Flächen organisiert werden. Das ist in der Regel ein zusätzliches Problem. Manchmal aber auch Teil der Lösung. Denn einige Landwirte erfüllen gern die ökologischen Ausgleichsauflagen, natürlich gegen Entlohnung.

Aber die allgemeine Bereitschaft zum Konsens reicht auch nicht. Denn es gibt noch ein steuerliches Problem, das der Verkauf von Bauerwartungsland für die Bauern mit sich bringt. Denn die Äcker und Weiden sind Teil des Betriebsvermögens, und Veräußerungsgewinne sind voll zu versteuern. Das kann fast die Hälfte des Verkaufserlöses kosten. So etwas nennen Bauern inzwischen auch einen Anreizkiller.

Für den Bundestagsabgeordneten Sebastian Brehm (CSU) ist es deshalb ein „Riesenthema“. Eine Arbeitsgruppe seiner Partei entwickelt ebenfalls gerade allerlei Ideen zur Mobilisierung von zusätzlichem Bauland. Auch Steuerfachmann Brehm hat sich was ausgedacht: Wenn Bodenverkäufer ihren Gewinn binnen fünf Jahren reinvestieren, zum Beispiel in neue Wohnungen mit einer Sozialbindung für 20 Jahre, soll ihnen die Gewinnsteuer erlassen werden.

Die wichtigsten Vorschriften für den Erwerb von Baugrundstücken

Es könnte eine Lösung sein, würde das Steuerrecht aber auch nicht gerade vereinfachen. „Doch es wäre eine Maßnahme im Sinne der sozialen Marktwirtschaft“, meint Brehm – in Abgrenzung zu linken Enteignungsvorschlägen.

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