Ölpreis Opec-Affront: Für die Bundesregierung gibt es nur eine angemessene Reaktion

Gedrosselte Stimmung: „Kurzsichtig“ nennt das Weiße Haus die Entscheidung der Opec+, der Präsident sei „enttäuscht“. Quelle: REUTERS

Hoffnungsvoll reisten westliche Staatschefs nach Saudi-Arabien. Doch ihre Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Die Opec kürzt die Öl-Förderung radikal – eine Provokation inmitten der Energiekrise. Statt rumzujammern, sollte gerade Deutschland jetzt endlich die richtigen Konsequenzen ziehen. Ein Kommentar.

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Es ist eine bemerkenswerte Brüskierung, die gestern in Wien verkündet worden ist: Die Opec+, die Organisation erdölexportierender Länder plus Russland, kürzt mitten in der Energiekrise ihre Quoten, und zwar radikal: Ab November werden rund zwei Millionen Barrel weniger pro Tag gefördert, das ist der größte Einschnitt seit Beginn der Pandemie.

Die Opec+ begründet den Schritt mit Unsicherheiten im Markt – doch tatsächlich ist die Entscheidung eine Provokation für den Westen. Angesichts der drohenden Rezession sind die Staaten auf niedrige Rohölpreise angewiesen. Insbesondere in den USA ist die Panik nun groß, wo in vier Wochen die Midterm-Wahlen anstehen. Wenn die Preise an den Tankstellen rasant steigen, könnte das Joe Biden und die Demokraten entscheidende Stimmen kosten.

„Kurzsichtig“ nennt das Weiße Haus die Entscheidung der Opec+, der Präsident sei „enttäuscht“. Ganz offensichtlich haben er und andere westliche Staatschefs insbesondere an Saudi-Arabien, das einflussreichste Mitgliedsland, Erwartungen gehabt, die nun enttäuscht werden.



Hoffnungsvoll waren sie der Reihe nach als Bittsteller zu Kronprinz Mohammed bin Salman gereist: Emmanuel Macron war schon im Dezember da, Boris Johnson im März, Joe Biden folgte im Juli und vor zwei Wochen reiste Olaf Scholz (SPD) an. Der Kanzler brachte nicht nur ein freundliches Lächeln mit, sondern genehmigte auch kurz zuvor die Ausfuhr von Ausrüstung für saudische Kampfjets, trotz des Rüstungsexportverbots. Saudi-Arabien ist am Jemen-Krieg beteiligt, dazu wird die Führung in Riad für den Mord an dem saudischen Regimekritiker und Journalisten Jamal Khashoggi verantwortlich gemacht, was sie selbst zurückweist.

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Der Kronprinz nimmt die neue Freundlichkeitsoffensive mit den entsprechenden Deals zwar gerne mit – aber nach der Opec+-Entscheidung wird deutlich, dass die Beziehung zu Russland darunter nicht zu leiden haben wird.

Statt nun rumzujammern, sollte der Westen und gerade Deutschland die entsprechende Konsequenz aus dem Wumms aus Wien ziehen: Pilgern ist gut, aber Powern ist besser – und zwar vor der eigenen Haustür.

„Alles, was geht“, hatte sich erst kürzlich BDI-Präsident Siegfried Russwurm mit Blick auf die Energieversorgung gewünscht. Doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) konnte sich bisher lediglich dazu durchringen, zwei der drei noch laufenden Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus am Netz zu lassen. Das dritte Werk im Emsland? Wird angeblich nicht gebraucht. Fracking? Bloß nicht.

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Umso interessanter ist deshalb der neue Vorschlag von Finanzminister Christian Lindner. Der Liberale forderte gerade nicht nur, alle drei Werke am Netz zu lassen, sondern auch zwei weitere wieder ans Netz zu holen, „um die Energiekapazitäten zu erhöhen und die Preise zu senken“, wie er auf Twitter schrieb.

Lindners Vorschlag ist auch vor dem Hintergrund der Niedersachsenwahl am Sonntag zu sehen. Aber die Koalition muss in dieser historischen Krise beweisen, wie viel bei ihr tatsächlich geht, um die Energie für Verbraucher und Wirtschaft zu sichern. Bei den Grünen sollte ab Sonntag mehr drin sein.

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