Österreich-Krise und die Folgen „Wer sich mit Populisten ins Bett legt, kommt um“

Mit seinem Rechtsruck in der Flüchtlingspolitik reagierte Österreichs Kanzler auf den Aufschwung der Rechtspopulisten. Er ist krachend gescheitert. In Deutschland warnen Unionspolitiker vor einer ähnlichen Entwicklung.

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Faymanns Regierungskoalition steht seit langem massiv unter Druck. Quelle: dpa

Berlin Der Rücktritt des österreichischen Bundeskanzlers Werner Faymann ist von Unions-Politikern als Warnsignal für Deutschland gewertet worden. Faymanns Partei, die SPÖ, sei wie auch die konservative ÖVP damit gescheitert, der rechtspopulistischen FPÖ hinterherzulaufen, sagte der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU) im Deutschlandfunk. In dieser Hinsicht sei die Entwicklung in Österreich auch ein Lehrstück für Deutschland. Brok sagte wörtlich: „Wer sich mit Populisten ins Bett legen möchte, kommt dabei um, und aus diesem Grunde kann man nur davor warnen, diesem österreichischen Beispiel zu folgen.“

Nach massiver Kritik an seiner Amtsführung hatte Faymann am Montag seinen Rücktritt sowohl als Regierungschef als auch als Vorsitzender der Sozialdemokraten (SPÖ) erklärt. Damit zog er auch die Konsequenzen aus der krachenden Niederlage seiner Partei bei der Präsidentschaftswahl, bei der die rechtspopulistische FPÖ in der ersten Runde triumphiert hatte.

Faymanns Regierungskoalition steht seit langem massiv unter Druck, die Umfragewerte für seine SPÖ und die mitregierende konservative Volkspartei ÖVP sind seit Monaten im Sinkflug. Zuletzt wiesen Erhebungen die rechtspopulistische FPÖ deutlich als stärkste Partei aus.

Zwar hatten auch die Sozialdemokraten auf eine restriktivere Flüchtlingspolitik umgeschwenkt, dieser Kurs ist innerhalb der Partei allerdings höchst umstritten. Faymann sagte, Österreich habe nach der schwierigen Phase der Finanzkrise im vergangenen Jahr den massiven Flüchtlingsandrang zu bewältigen gehabt und diesen gut gemeistert. Der 56-Jährige verteidigte erneut das Ende der „Willkommens-Kultur“ und den Kurswechsel des Landes. „Es wäre verantwortungslos gewesen, nicht auch eigene Maßnahmen zu setzen.“

Aus Sicht des CDU-Außenpolitikers Ruprecht Polenz zeigt die Regierungskrise in Wien, dass Große Koalitionen auf längere Sicht schädlich für die Koalitionsparteien seien. Unter den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen in Deutschland seien sie aber kaum zu vermeiden, sagte Polenz der „Frankfurter Rundschau“. Seiner Partei rate er von einem Kurs nach rechts ab, wie ihn vor allem CSU-Politiker gerade empfehlen, sagte Polenz weiter. „Dann würde die CDU mit Sicherheit in der Mitte verlieren, was sie vielleicht auf der Rechten gewönne.“


„Das macht uns sehr große Sorgen“

Wie Polenz hält es auch auch SPD-Generalsekretärin Katarina Barley für problematisch, wenn ein Land dauerhaft von einer Großen Koalition regiert werde. Die Lage in Österreich und Deutschland sei aber nur bedingt vergleichbar, sagte Barley im Südwestrundfunk. Während es in Wien jahrzehntelang Große Koalitionen aus SPÖ und ÖVP gegeben habe, sei dieses Bündnis in Deutschland keine Dauerlösung. In Österreich habe sich etwas entwickelt, „wovon die Leute auch genug hatten“.

Gleichwohl sieht die SPD-Generalsekretärin die Sozialdemokratie in ganz Europa unter Druck. Das habe mit dem Erstarken nationalistischer Parteien zu tun. „Das macht uns sehr große Sorgen“, sagte Barley.

Barleys Analyse kommt nicht von ungefähr. In Deutschland erlebt die rechtspopulistische AfD ungeahnte Höhenflüge und setzt damit die etablierten Parteien – insbesondere die Union aus CDU und CSU sowie die SPD – gewaltig unter Druck. Ein Rezept, wie sich den Rechtspopulisten Einhalt gebieten lässt, haben aber bisher weder Christdemokraten noch Sozialdemokraten gefunden.

Die Ratlosigkeit mündete zuletzt zumindest bei der Union in öffentliche Schuldzuweisungen, wer denn jetzt verantwortlich sei für das Erstarken der AfD. Konservative CDU-Politiker sprachen sich für eine moderate Kurskorrektur ihrer Partei im Wahlkampf nach rechts aus, was jedoch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) abgelehnt wird. Auch mit der CSU läuft es nicht mehr rund.

In den vergangenen Monaten hatte insbesondere die Flüchtlingspolitik Merkels in ihrer Partei sowie im Verhältnis mit der CSU Spannungen hervorgerufen. Die gegenwärtigen Differenzen zwischen CDU und CSU sind nach Ansicht des bayerischen Finanzministers Markus Söder größer als sie es beim vorübergehenden Bruch der Fraktionsgemeinschaft vor 40 Jahren waren.

Auch in der SPD rumort es. Hartnäckig halten sich Gerüchte, Parteichef Sigmar Gabriel könnte angesichts desaströser Umfragewerte für die Sozialdemokraten über kurz oder lang die Reißleine ziehen und den Weg für einen Neuanfang freimachen.

Als möglicher Nachfolger wird immer wieder Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz genannt. Just von ihm wurde am Wochenende ein Strategiepapier bekannt, in dem der SPD-Politiker seiner Partei aufzeigt, wie sie mit der AfD umgehen sollte. Sein Ratschlag: Die Rechtspopulisten nicht dämonisieren, sondern sich inhaltlich mit ihnen auseinandersetzen. Ein Mitglied des Präsidiums betont jedoch, das Papier sei eine „Auftragsarbeit“ gewesen.


„Dieses Dilemma ist für Union und SPD kaum aufzulösen“

Der Hamburger Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky sieht sowohl die Union als auch die SPD in einer schwierigen Lage, aus der es nur schwerlich einen Ausweg gibt. Lewandowsky macht das am Beispiel Österreichs fest.

In Koalitionen würden sich die Parteien zwangsläufig ähnlicher, weil sie viele Kompromisse eingehen müssten, in einer Großen Koalition würden also die größten politischen Konkurrenten ähnlicher. „Damit wächst das Bedürfnis der Wähler nach Alternativen“, sagte Lewandowsky dem Handelsblatt. So könnten auch rechtspopulistische Parteien erstarken, wie das Beispiel Österreich zeigt.

„Die Verlockung für die anderen Parteien, sich deren Positionen anzunähern, ist groß, birgt aber ein enormes Risiko“, konstatiert der Politikwissenschaftler. Weil der programmatische Sprung nach rechts für die Sozialdemokraten so groß sei, stelle diese Strategie die Partei vor eine innerparteiliche Zerreißprobe. Konservative Parteien stünden restriktiver Integrations- und Flüchtlingspolitik zwar näher. „Aber unter Merkel hat sich die Union in dieser Frage so weit in der Mitte positioniert, dass ein einfaches Zurück einen massiven Glaubwürdigkeitsverlust nach sich ziehen könnte“, sagte Lewandowsky und schlussfolgert: „Dieses Dilemma ist für Union und SPD kaum aufzulösen.“

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