Olaf Tschimpke, Chef des Nabu Asterix im Wunderland

Er ist einer dieser unbeugsamen Gallier: Als Präsident des Naturschutzbundes (Nabu) in Deutschland vertritt Olaf Tschimpke im Stile eines Managers die Belange der Umwelt. Die Klimadiskussion machte aus ihm einen auch in der Bundespolitik gefragten Mann. Seine Konzepte sind dabei wie seine Prinzipien – nachhaltig.

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Nabu-Präsident Olaf Tschimpke (rechts) beim Start der Kampagne "Klimaschutz beginnt beim Papier". obs/Initiative Pro Recyclingpapier

BERLIN. Grün ins Gewissen redet der berühmte Mann hinter dem Rednerpult den seinen: „Der Klimawandel bedeutet: Es ist Schluss mit lustig!“ Und übrigens: Nein, Atomstrom sei auch keine Lösung: „Ich war immer der Meinung, wir müssten eine Zukunft ohne Kernkraft erfinden, und das tun wir nur, wenn wir den Ausstieg festlegen.“ Kurzum: Grün sein ist zur politischen Überlebensfrage geworden, findet der CDU-Mann. Olaf Tschimpke lehnt sich zurück, lauscht und schweigt. Klaus Töpfer, jahrelang Umweltminister von Kanzler Helmut Kohl, sagt, was Tschimpke selbst auch sagen würde. Auch Töpfers Parteifreunde Peter Müller, Ministerpräsident im Saarland, und Friedbert Pflüger, Oppositionsführer im Berliner Abgeordnetenhaus, hören zu. Dazu Vertreter der Energiewirtschaft, die einen schweren Stand haben an diesem Tag. Klaus Töpfer, 68, Ex-Chef des Uno-Umweltprogramms, lässt ihnen wenig Chancen. Draußen über der Landesvertretung des Saarlandes kocht die Sonne die Frühlingsluft über Berlin gar. Drinnen wirft Olaf Tschimpke nur hin und wieder einen Satz ins Tischgespräch. Er ist ein stiller Gewinner. Aber ein Gewinner ist der Präsident des Nabu, des Naturschutzbundes Deutschland – ein Klimagewinner. Naturschutz und Umweltpolitik sind wieder in, mega-in. Das bringt mehr Spenden, mehr Mitglieder und prominenten Beistand. So unterstützen Schauspielerin Christiane Paul und Fernsehköchin Sarah Wiener, Unternehmer wie Thomas Middelhoff und Claus Hipp eine neue Kampagne zur biologischen Vielfalt, die Bundesumweltminister Sigmar Gabriel heute vorstellt. Dass Umweltthemen Hochkonjunktur haben, öffnet auch Türen. Nabu-Chef Olaf Tschimpke kommt kaum hinterher, alle Anfragen zu beantworten: Politiker wollen ihn sprechen, Spitzenmanager ausloten, ob man nicht gemeinsame Sache machen kann für Umwelt und Image. Ein Naturschützer im Wunderland.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Entfernte Ähnlichkeit mit Asterix – nicht nur optisch

Das ist mindestens so sehr eine Folge der Klimadebatte wie ein Verdienst von Tschimpke selbst. Der Chef des mit 420 000 Mitgliedern größten deutschen Umweltverbandes hat den Nabu zur erfolgreichsten grünen Lobby im Land gemacht: nüchtern, ideologiefrei und ohne Berührungsängste vor der Wirtschaft. Die Zusammenarbeit mit Nabu-Konkurrenten wie BUND oder Greenpeace „ist oft sehr viel schwieriger“, heißt es in Berliner CDU-Kreisen. Fast könnte man meinen, die besten Grünen im Land, das sei nun Olaf Tschimpkes Nabu. Der Mann, der nun so gefragt ist, hat ein wenig Ähnlichkeit mit Asterix, dem streitbaren Comic-Gallier. Viele sind größer gewachsen als er, und der Schnurrbart rutscht über die Mundwinkel abwärts, was Tschimpkes Gesicht manchmal einen strengen, enttäuschten Ausdruck verleiht. Olaf Tschimpke weiß, wie es sich aus einem kleinen Hort heraus gegen Giganten kämpft. Als Nabu-Mann in Niedersachsen stritt er gegen Pipelines durchs Wattenmeer und Sperrwerke an der Ems. Und peinliche Niederlagen blieben ihm auch nicht erspart – als 2003 herauskam, dass der Nabu für Beobachtungsstände Tropenholz verwendet hatte. Nun ist die Glaubwürdigkeit größer denn je. „Wir waren die Realisten“, habe doch der Nabu schon vor Jahren zum CO2-Sparen aufgerufen, sagt Tschimpke. Den Hohn desjenigen, dem der Weltlauf Recht gab, verkneift er sich. Und vom Zaubertrank Klimagefahr will er nicht zu viel trinken. „Die Dramatisierung birgt die Gefahr, dass nach dem Hype alles wieder einschläft“, sagt er. „Wir wollen uns nicht als Klimaschutzpolizisten aufspielen, sondern die Debatte nachhaltig machen.“ Erster Gesprächspartner an diesem Frühlingstag ist Marie-Luise Dött, umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Tschimpke trägt dunkles Tuch und eine breit gestreifte Krawatte. Der Nabu-Chef weiß, dass handgewebte, fair gehandelte Baumwoll-Joppen in Abgeordneten- und Vorstandsbüros mehr schaden als nützen. Tschimpke ist Politikprofi, und er möchte, dass man ihm das ansieht.

Lesen Sie weiter auf Seite 3: „Tschimpke hat eine große Verantwortung übernommen“

Man tauscht sich aus: Über das geplante bundeseinheitliche Genehmigungsverfahren für Industriebetriebe, dann über das neue CDU-Gundsatzprogramm. Als das Gespräch auf Kernkraft und Emissionshandel kommt – hier liegen Nabu und CDU quer –, kühlt die Atmosphäre ab. Olaf Tschimpkes Stimme wird ein wenig zu laut für den Raum und beschleunigt auf das Tempo des Überzeugten, der den Uneinsichtigen nun endlich bekehren möchte. Dennoch: Die Drähte zu Schwarz-Rot sind sehr eng. Schließlich ist die politische Umwelt auch personell ein kleines Wunderland für den Nabu. Sehnsucht nach Rot-Grün? „Teilweise haben wir in der großen Koalition sogar mehr Spielraum“, sagt Olaf Tschimpke. Mit Angela Merkel sitzt eine Ex-Umweltministerin im Kanzleramt; mit Sigmar Gabriel ist einer Umweltminister, den Tschimpke gut kennt. Man steht in ständigem Kontakt – per SMS. Minister wissen: Nach der Anzahl der Köpfe spielt der Nabu in einer Liga mit Daimler-Chrysler oder Siemens. Das sind eine Menge Wähler. Der Nabu ist Meinungsmacher und Meinungsmacht. Das war nicht immer so in seiner 108-jährigen Geschichte. Der Verein bleibt bis in die 90er-Jahre unpolitisch (siehe: „Von Paradiesvögeln und Grundbesitzern“). Erst der junge Präsident Jochen Flasbarth setzt ab 1992 durch, dass der Nabu zur schlagkräftigen Naturschutzorganisation wird, die sich nicht nur um Uhu und Kleiber kümmert, sondern auch um Verkehr, Energie, Abfall und Klima. Tschimpke hat an Flasbarths Seite gefochten. Als der 2003 ins Bundesumweltministerium wechselt, wird Tschimpke sein Nachfolger. Es ist ein Stilbruch: Wo Flasbarth schon mal so polterte, dass Kanzler Gerhard Schröder 1999 seine Teilnahme an der Feier zum 100. Nabu-Geburtstag absagte, ist Tschimpke lieber leise. „Tschimpke hat eine große Verantwortung übernommen“, sagt Klaus Töpfer. „Er ist dabei, seinen Weg zu finden. Aber wer seinen Vorgänger kopiert, der hat schon verloren.“ Einer aus der Wirtschaft, der mit Tschimpke oft zu tun hat, sagt es so: „Er ist keiner, der schnell warm wird mit Leuten, aber wenn er auf Touren kommt, kann er viele überzeugen.“ Überzeugen musste der Nabu-Präsident zunächst seine eigenen Leute, dass Unternehmen Partner sein können und nicht nur Gegner. Was für Konkurrenten wie Greenpeace kaum denkbar ist, der Nabu macht es: gemeinsame Sache mit Konzernen.

Lesen Sie weiter auf Seite 4: „Wer gehört werden will, muss auch beißen können.“

Mit Volkswagen kooperiert der Nabu etwa bei Schulungen für spritsparendes Fahren. „Natürlich lassen wir uns unsere Meinung nicht abkaufen“, sagt Tschimpke, „und es gibt einige Sollbruchstellen in so einer Partnerschaft“, aber man lerne eben auch, einander besser zu verstehen. So vergisst der Nabu-Chef nicht zu erwähnen, dass VW auch einiges tue, um Spritverbrauch und Abgase zu reduzieren. Und folgerichtig wurde er auch VW-Kunde: Als Dienstwagen nutzt der Nabu in Berlin einen Golf mit Erdgasantrieb. Ein anderer Partner des Nabu ist Vodafone. Gemeinsam rufen beide zum Sammeln alter Handys auf. Für jedes Handy spendet Vodafone 3,50 Euro an den Nabu – bisher kamen so 77 000 Euro zusammen. „Eine solche Partnerschaft funktioniert, wenn sich die Interessen überlappen“, sagt Bernhard Lorentz, Leiter Corporate Responsibility und Stiftungen bei Vodafone, „wir schätzen, wenn uns ein kompetenter Partner kritisch auf die Finger blickt: So können wir Probleme früh erkennen und wenn nötig gegensteuern.“ Als Olaf Tschimpke vor zwei Jahren den ersten Pakt mit Vodafone bekannt gab, sagte er, dass er „dem Nabu den Weg zu 27 Millionen Mobilfunkkunden in Deutschland“ öffne. Es klang wie ein Markteintritt – „und war auch so gemeint“, sagt Tschimpke. Der Nabu-Chef gibt nicht nur den Manager, er denkt und spricht auch oft wie einer. Aber Tschimpke hat auch gelernt zuzubeißen. So verleiht der Nabu den „Dino des Jahres – Deutschlands peinlichsten Umweltpreis“. 2006 ging er an RWE-Chef Harry Roels für seine „hemmungslose Atompolitik“. Als Tschimpke antrat, verlieh er den „Dino“ zwei Jahre nicht – Provozieren liegt eigentlich nicht in der Natur des Naturschützers Tschimpke. Aber er hat dazugelernt: „Wer gehört werden will, muss auch beißen können.“ Ganz geheuer sind dem Nabu-CEO solche Methoden dennoch nicht. Als Nabu-Aktivisten mit Osterhasenmasken zentnerweise Verpackungsmüll in Filialen von Schlecker und Rossmann zurückbrachten, weil sich die Handelsketten nicht am Recycling-System des Nabu-Partners Duales System Deutschland (DSD) beteiligten, blieb Tschimpke im Hintergrund. Diesem Asterix ist der Degen lieber als das Schwert.

Lesen Sie weiter auf Seite 5: Von Paradiesvögeln und Grundbesitzern

Von Paradiesvögeln und Grundbesitzern Ursprung: 1899 gründet die Industriellengattin Lina Hähnle den „Bund für Vogelschutz“ (BfV). Sie kämpft für Edelreiher und Paradiesvögel, die gejagt werden, weil ihre Federn auf Damenhüten so beliebt sind. Später sind Kaiser Wilhelm II., der Industrielle Robert Bosch und sogar US-Präsident Woodrow Wilson Mitglieder im BfV. Schon 1908 beginnt der Verein, mit Spendengeldern eigene Schutzgebiete zu erwerben. Heute ist der Nabu mit 15 000 Hektar einer der großen Grundbesitzer Deutschlands. Weitere 110 000 Hektar Schutzgebiete betreut der Verband. Fusionen: 1990 gibt sich der BfV den Namen Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und schließt sich mit dem Naturschutzbund der DDR zusammen. 2001 stößt der „Landesbund für Vogelschutz in Bayern“ hinzu. Der Nabu betreut 5 000 Schutzgebiete, unterhält 70 Naturschutzzentren und ein eigenes Forschungsinstitut. Sein Jahresumsatz beträgt knapp 18 Millionen Euro. Präsident: Olaf Tschimpke trat dem Nabu 1976 bei. Seit 2003 ist er Nabu-Präsident. Im November dieses Jahres tritt Tschimpke zur Wiederwahl an.

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