Es weihnachtet sehr, die Paketwelle rollt schon und mit jedem weiteren Türchen im Adventskalender wird sie sich bis zum 24. Dezember zu einer riesigen Flut aufschaukeln. Der Online- und Versandhandel wird alle Rekorde brechen. Und er bringt neben Auswahl und Bequemlichkeit auch Herausforderungen mit sich: Für inhabergeführte Geschäfte und unsere Innenstädte, in Bezug auf den Umgang der Onlineriesen mit Kundendaten oder auch das wenig nachhaltige Schreddern von neuwertiger Retour-Ware.
Aber noch an einer weiteren Stelle spüren wir alle die Veränderungen, die dieser Trend mit sich bringt, und das ist im Verkehr. Die Bürger werden genervt sein, weil sie im Stau stehen, wenn Zulieferfahrzeuge in der zweiten Reihe parken. Fahrradfahrer und Fußgänger werden schimpfen, weil ihre Wege zugeparkt sind. Und die Kunden, weil sie zu irgendeiner Abholstelle fahren müssen, um ihr Paket entgegenzunehmen – teilweise mit dem eigenen Auto, sodass noch mehr Verkehr erzeugt wird.
Und warum ist das so? Weil Handel und Politik bisher nicht zusammengefunden haben, um tragfähige Lösungen flächendeckend umzusetzen. Weil bei der Dynamik technischer und gesellschaftlicher Entwicklung kein politisches Kleinklein hilft, sondern nur eine frühzeitige Strategie. Denn die Politik muss einen Rahmen setzen, um die Chancen von Innovationen und Trends zu nutzen und die Risiken zu minimieren, die mit diesen auch immer einhergehen.
Im Verkehrsministerium müht sich Bundesverkehrsminister Scheuer immer noch am Dieselskandal ab und scheitert daran, die Untätigkeit seiner Vorgänger Ramsauer und Dobrindt aufzuarbeiten – keine Zeit, kein Nachdenken, geschweige denn Lösungen für die Probleme des stark anwachsenden Online-Handels. Der wächst Jahr für Jahr um rund 10 Prozent und schon heute gelangt jedes zehnte Konsumprodukt über den Versandhandel zum Kunden. Unterdessen wächst der enorme Druck auf die Städte, der Verkehrsraum wird noch knapper als sonst. In hochverdichteten Gebieten ist der Verkehr nicht unbegrenzt ausbaufähig.
Einzelne Projekte wie das KoMoDo-Projekt in Berlin, bei dem die fünf größten Paketdienstleister Deutschlands gemeinsam einen innerstädtischen Umschlagplatz mit Mikro-Depots nutzen, um Prenzlauer Berg mithilfe von Lastenrädern zu beliefern, zeigen, wie es gehen kann. Solche Leuchtturmprojekte ändern aber nichts daran, dass seitens der verantwortlichen Politik eine Gesamtstrategie und ein geeigneter Rahmen fehlen. Die Unternehmen finden bisher nicht zusammen.
Wer glaubt, diese Herausforderungen ignorieren oder den Online-Handel sogar zurückdrehen zu können, irrt: die Kunden werden sich diese angenehme Art des Einkaufens nicht nehmen lassen. Und warum auch? Der Internethandel ist bequem und bietet viele Chancen – sie reichen von der Anlieferung aller Sachen des täglichen Gebrauchs, auch von Lebensmitteln für ältere Menschen, die den Einkauf nicht mehr schleppen müssen, bis hin zur Möglichkeit, einen wesentlichen Anteil des motorisierten Individualverkehrs in Innenstädten zu reduzieren. Voraussetzung dafür ist, dass wir nach den besten Lösungen suchen, damit das Paket die letzte Meile zur Kundin und zum Kunden emissionsfrei, platzsparend und zuverlässig transportiert wird. Dies kann aber nur umgesetzt werden, wenn sich Wirtschaft und Politik an einen Tisch setzen, wenn die Politik rechtzeitig Rahmenbedingungen schafft und gesetzliche Regelungen weiterentwickelt. Und wenn Verwaltungen nicht nur verwalten, sondern im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gestalten und pragmatische Lösungen vor Ort finden.
Es ist eine Erfolgsgeschichte, dass die Deutsche Post mit dem E-Scooter nun selbst abgasfreie Fahrzeuge entwickelt, weil es vorher keine passenden elektrischen Kleintransporter gab. Dass im Angebot der traditionellen Hersteller hier eine Lücke klafft, weist aber auch daraufhin, dass die Politik die Weichen bisher nicht richtig gestellt hat. Es ist erfreulich, mit welcher Offenheit die Paket- und Expressdienste dem Cargo-Bike gegenüberstehen. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt rechnet vor, dass sich damit allein in der Citylogistik bis zu 23 Prozent der Warensendungen auf Lastenräder verlagern lassen. Höchste Zeit, dass auch die Gesetzgeber die Chancen von Lastenrädern mit und ohne E-Motor ideologiefrei betrachten.
Lastenräder brauchen Infrastruktur und passende Verkehrsregeln, E-Fahrzeuge ausreichend Ladeinfrastruktur. Raum und Rechtssicherheit muss geschaffen werden für Mikro-Depots in der Stadt, Unternehmen müssen Anreize haben, ihre Transporte zu bündeln und möglichst abgasfrei zu organisieren und nicht zuletzt muss sehr kurzfristig dem Lieferverkehr Halteraum in den Straßen eingeräumt und dieser konsequent freigehalten werden.
Es weihnachtet sehr und dieses Jahr werden unter vielen Weihnachtsbäumen smarte Lautsprecher großer Onlinehändler liegen, mit denen das Bestellen im Netz noch schneller und bequemer geht. Kurzum: Die Bürger und unsere Städte brauchen eine Lösung, wir brauchen einen fruchtbaren Dialog zwischen Politik und Handel.




