Open Data Her mit unseren Daten!

Navigationshilfen, Wetter-Apps, Umzugshilfen: Mit Daten, die Behörden erheben, lassen sich zahlreiche Produkte entwickeln – wenn sie frei zur Verfügung stehen. Doch Deutschland zögert. Andere Staaten zeigen, wie es geht.

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Nicht viele staatliche Stellen geben bisher ihre Daten frei. Quelle: dpa

Berlin, London, Stockholm, Paris Beim Thema offene Daten muss Deutschland noch einiges aufholen. Nur den elften Platz belegt das Land beim am heutigen Donnerstag veröffentlichten Open-Data-Barometer, ein Ranking der gemeinnützigen World Wide Web Foundation von insgesamt 92 Nationen, das misst wie offen die Staaten mit ihren Verwaltungsdaten umgehen.

Den ersten Platz belegt wie beim vorangegangenen Ranking auch, Großbritannien. Auf dem zweiten und dritten Rang sind die USA und Frankreich. Ehemals eines des Vorzeigeländer ist Schweden um sechs Plätze auf den neunten gerutscht. Und auch Deutschland hat sich verschlechtert: Beim vergangenen Ranking kam es immerhin noch unter die Top Ten. 

Dabei hatte sich die Große Koalition schon gleich zur Beginn der Legislaturperiode vorgenommen, den Zugang zu öffentlichen Daten zu verbessern. Doch derzeit passiert reichlich wenig. Dabei ist das Potenzial für neue Geschäfte riesig, wie die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung jüngst in einer Studie ausgelotet hat. Navigationshilfen, Wetter-Apps, Umzugshilfen – die Möglichkeiten sind vielfältig.

Das Potenzial liege allein in Deutschland zwischen 12,1 Milliarden Euro (wenn der Staat Open Data nur langsam ausbaut) und 131,1 Milliarden Euro pro Jahr – wenn der Staat „Open Data als Kernkomponente einer nationalen Strategie“ begreift. Das Pikante: Die Stiftung steht der Partei nahe, der auch der zuständige Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) angehört.

Die Stiftung fordert, dass Open Data endlich zur Chefsache erklärt wird – also notfalls vom Kanzleramt in die Hand genommen wird. „Ich sehe kein politisches Commitment für das Thema“, kritisiert auch Christian Heise, Vorstand bei der gemeinnützigen Open Knowledge Foundation, die sich für offene Daten einsetzt.

Auch andere Studien kommen zu dem Schluss, dass in der Bereitstellung öffentlicher Daten ein großes Potenzial liegt – und die EU-Kommission setzt ebenfalls auf den Zukunftsmarkt mit den Daten. In Deutschland fordern Politiker aller Parteien nun im Handelsblatt, bei der Bereitstellung von öffentlichen Daten das Tempo zu erhöhen.

Andere Staaten gehen längst viel offensiver mit ihren Verwaltungsdaten um, wie der Blick nach Großbritannien, Schweden und Frankreich zeigt.


Großbritannien: Mit Open Data Unfälle vermeiden

In Großbritannien begann die Ära der Datenoffenheit im Frühjahr 2009 – bei einem Empfang in Chequers, dem prächtigen Landsitz britischer Premierminister.  Der damalige Premier Gordon Brown fragte Tim Berners-Lee, den Erfinder des World Wide Web, was denn Großbritannien tun könne, um das Internet bestmöglich zu nutzen. Die Antwort kam prompt: Man müsse einfach alle Daten, die die Regierung habe, ins Netz stellen und so öffentlich machen. Brown stimmte dem Vorschlag zu – ohne zu zögern. „Das war ein großer Schock“, hat Berners-Lee später der britischen Zeitung „Guardian“ gesagt, schließlich sei er es gewohnt gewesen, oft und regelmäßig ein „Nein“ von der Regierung zu hören.

Gut ein Jahr später ist Brown nicht mehr Premier. Doch sein Nachfolger David Cameron hat das Projekt „Open Data“ fortgesetzt. Im Open Data Barometer ist Großbritannien zuletzt auf dem ersten Platz gelandet – vor den USA und Schweden.

Open Data macht normale Bürger zu Mitwissern und liefert Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten, wenn diese die Informationen aufbereiten und auf der Grundlage etwa Apps für internetfähige Mobiltelefone entwickeln. Großbritannien macht Daten wie die Pegelstände der Flüsse öffentlich, Statistiken von Unfällen und wo diese sich am häufigsten ereignen, Verspätungen von Zügen, Bussen und U-Bahnen sowie die Supermarktdichte auf dem Land. Auf Basis der Verkehrsdaten können App-Anbieter wie Citymapper relativ genau vorhersagen, wie man am schnellsten oder bequemsten von einem Punkten zum nächsten in London kommt. Firmen wie Geolytix helfen Supermarktketten, den besten Standort für neue Läden zu finden – und Shoothill gibt Menschen, die in überschwemmungsgefährdeten Gebieten Leben, Anhaltspunkte, wann sie ihr Haus verlassen sollten. Andere Apps helfen Fahrradfahrern unfallträchtige Kreuzungen zu umfahren oder normalen Bürgern, neue Schlaglöcher, verlassene Autos oder Müllberge am Straßenrand bei der Stadtverwaltung zu melden. 

Berners-Lee war zudem einer der Mitgründer des britischen Open Data Institute (ODI), das dazu beiträgt, mehr Daten öffentlich zu machen und Menschen im Umgang damit und bei der Aufarbeitung schult. Nach Angaben des Instituts gibt es auf der Insel mehr als 270 Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 92 Milliarden Pfund und mehr als 500 000 Mitarbeitern, deren Geschäfte auf Open Data basieren.


Schweden: Flugverbindungen in Echtzeit

Schweden blickt auf eine noch weit längere Geschichte zurück: Der Grundstein für Open Data wurde in Schweden zu einem Zeitpunkt gelegt als das Internet, die Digitalisierung selbst in den kühnsten Träumen noch nicht existierte. 1766 verabschiedete das Parlament in Stockholm das Gesetz zur Pressefreiheit, das auch einen Paragraphen zur Verwaltungstransparenz enthielt.

Damit war Schweden das erste Land weltweit, das per Gesetz die Öffnung von Verwaltungsdaten festlegte. Heute, mehr als 300 Jahre später, zählt das skandinavische Land immer noch zu den Vorreitern, was die Öffnung seiner Verwaltungsdaten betrifft.

Und wie in den Nachbarländern Dänemark, Finnland und Norwegen auch, werden die Daten von Privatleuten und Unternehmen eifrig genutzt. Am beliebtesten im hohen Norden Europas sind Daten zum öffentlichen Nahverkehr. Zahlreiche Apps geben Auskunft über Fahrpläne von Bussen, Bahnen und Flugzeugen. Verspätungen werden ebenso gelistet wie auch eingestellte Verbindungen. Apps wie vom Stockholmer Start-up Flightradar 24 geben Flugverbindungen in Realzeit wieder. Auch Daten zum Verkehrsaufkommen und zur Parkplatzsituation gehören zu den am meisten genutzten.

Kritik wird immer wieder laut, weil einige Daten nur gegen Bezahlung zu bekommen sind. Das gilt etwa für Wetter-Daten, die über eine ganz allgemeine Vorhersage hinausgehen. Auch bestimmte ortsbezogene Daten oder das Unternehmensregister werden nur gegen Bezahlung bereitgestellt.

Insgesamt liegen die nordeuropäischen Länder in internationalen Rankings weit oben. Kein Wunder, zählen die Staaten doch zu denjenigen, die das Öffentlichkeitsprinzip am weitesten vorangetrieben haben. Die schwedische Regierung hat einen speziellen Open Data-Rat eingerichtet, der die weitere Verbreitung von offenen Daten koordinieren soll. Die Regierung selbst geht allerdings nicht mit gutem Beispiel voran: Viele Daten zum Haushalt sind gebührenpflichtig.


Frankreich: Ein neues Gesetz soll den Datenzugang verbessern

Frankreich indes musste zuletzt Rückschläge hinnehmen: Nach einem vielversprechenden Start im Jahr 2014 gab es technische oder administrative Probleme. Nun will die Regierung nacharbeiten: Ein neues Gesetz mit dem Titel „Digitale Republik“ soll Abhilfe schaffen. Es verbessert den Zugang zu Daten des Staates und der Verwaltung und führt das Prinzip ein, dass alle öffentlichen Daten frei weiterverwendet werden dürfen, auch jenseits des Zwecks, für den sie von der Verwaltung erhoben werden.

Nach einer breiten Konsultation über den Gesetzentwurf wurde eine Passage eingefügt, die das Verhältnis zwischen Publikum und Verwaltung deutlich verändert: Jeder Bürger kann künftig verlangen, dass Informationen auf digitalem Weg bereitgestellt werden.

Frankreich hatte schon 1978 ein Gesetz über den Zugang zu Dokumenten erlassen, soweit sie nicht personenbezogen sind, die Verteidigung betreffen oder Geheimschutz unterliegen. Heute sieht die Regierung es als Teil der digitalen Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft an, privaten Akteuren möglichst viele staatliche Daten zur Verfügung zu stellen, um das Funktionieren der Demokratie zu verbessern, Wissen zu verbreiten und neue Dienstleistungen zu ermöglichen.

Über die zentrale Webseite www.data.gouv.fr kann man schon heute eine Unmenge an Informationen abrufen, die sich auf die Gesundheit, den Gebäudebestand oder die Straßenverhältnisse beziehen. Bereits heute wird dieser Datenschatz breit genutzt, um digitale Angebote zu verbessern – einen guten Teil davon kann man ebenfalls über data.gouv.fr in Augenschein nehmen.

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