Organisierte Kriminalität Die Steuermafia prellt den Staat um Milliarden

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Krakenhafte Ausbreitung des organisierten Verbrechens

Die kuriosesten Flugzeug-Schmuggeleien
Brathähnchen mit Drogenfüllung Quelle: dpa
Vibrator in der Leberwurst Quelle: AP
Schlangen am Körper Quelle: AP
Kokain im Ersatzbein Quelle: AP
Tigerbaby zwischen Stofftieren Quelle: Fotolia
Truthahn in der Handtasche Quelle: Fotolia
Über 40 iPhones am Körper Quelle: dapd

Die Zeiten, in denen Helmut und Marianne im 200er-Mercedes von Duisburg nach Venlo fuhren und dort wegen der niedrigeren Steuer Kaffee und Diesel bunkerten, sind schon lange passé. Sorgen bereiten dem Zoll auch nicht die Thailandurlauber, die ein paar Stangen Zigaretten und drei Flaschen Whisky im Gepäck schmuggeln.

Die krakenhafte Ausbreitung des organisierten Verbrechens im Bereich der Verbrauchsteuern schafft eine ganz neue Bedrohungslage für Deutschland. Die Schadenshöhen steigen für den Fiskus in exponentiellem Maße. Zur Professionalität kommt eine Gewaltbereitschaft hinzu, die bei Steuerdelikten bislang eher unbekannt war und die man bisher nur aus dem Drogen- und Rotlichtbereich kannte. Dies ist aber nicht wirklich verwunderlich, kommen viele Steuermafiosi doch aus diesem Milieu.

Im Konkurrenzkampf untereinander setzen sich offenbar bei den Steuerbetrügern diejenigen durch, die die höhere Gewaltbereitschaft aufweisen. Beim Zoll und beim Bundeskriminalamt beobachtet man einen regelrechten Verdrängungswettbewerb. Deutsche Ganoven werden von Ex-Jugoslawen ausgebootet, diese von Türken und die wiederum von Russen und anderen Ex-GUS-Staatsangehörigen.

Ängstliche Ganoven

Der Gewaltdarwinismus schlägt sich bei den Einsätzen der Spezialeinheit des Zolls nieder. 90 Prozent der Täter seien inzwischen nicht deutscher Herkunft, schätzt ZUZ-Kommandoführer Müller. Die Verrohung erfasst dabei selbst die deutschen Kleinkriminellen bis zum Anabolika-Dealer in Mecklenburg-Vorpommern, der sich aus Angst, von der ausländischen Konkurrenz erledigt zu werden, nun auch bewaffnet. Für die ZUZ werde es dadurch noch gefährlicher, erläutert Müller, weil bei einem Zugriff viele Täter dächten, von einer rivalisierenden Bande überfallen zu werden. Aus diesem Grunde überklebten die ZUZ-Kräfte bei manchen Einsätzen ihre Zoll-Buchstaben durch die bekanntere Aufschrift „Polizei“.

Zwangsläufig nehmen die ZUZ-Anforderungen zu. Schäubles Eingreiftruppe musste in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bereits 44 Einsätze mit 8500 Mann-Stunden durchführen, während es im gesamten Vorjahr nur 52 Einsätze mit 8400 Stunden waren. Inzwischen arbeiten die Einsatzbeamten am Limit. „Angesichts der permanent ansteigenden Einsatzanforderungen suchen wir händeringend nach geeigneten Bewerbern“, sagt Müller. An mangelnden Planstellen liegt es dabei nicht, die Soll-Stärke ist auf 62 Beamte festgelegt. Vielmehr sind die Ansprüche sehr hoch: Nur zehn Prozent der Bewerber überstehen das strenge Auswahlverfahren.

Der ZUZ-Kommandoführer analysiert die Arbeit seiner Truppe in der Backsteinkaserne in Köln-Dellbrück, wo früher belgische Soldaten stationiert waren und heute das Zollkriminalamt sitzt. Neben ihm steht an diesem Sommertag Staatssekretär Koschyk. Der Vertreter von Finanzminister Schäuble ist regelmäßig beim Zoll, um sich ein Lagebild zu verschaffen. Schließlich geht es um viele Milliarden Euro für den Fiskus.

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