Organisierte Kriminalität Die Steuermafia prellt den Staat um Milliarden

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Kriminelle herausfischen

Die rund 39.000 Zollbeamten, darunter 3500 Fahnder, arbeiteten in einem neuralgischen Bereich, meint Koschyk: „Deutschland als exportstarkes Land lebt von offenen Grenzen, gleichzeitig machen sich Verbrecher dies zunutze.“ Der Zoll müsse also „den Balanceakt“ vollführen, die Kriminellen herauszufischen, ohne Bürger und Unternehmen mit Kontrollen zu drangsalieren.

Einfach die Grenzen wieder dicht machen und dort massive Zollkontrollen einführen (wie es die USA seit dem 11. September 2001 tun) verbiete überdies schon das Schengener Abkommen. Trotzdem seien „Ausgleichsmaßnahmen“ erforderlich, sagt Koschyk. Dazu zähle, dass die Bundesregierung alte Überhangstellen an den Ostgrenzen nicht weiter abbaue. Zollbeamte würden an ihren alten Standorten – „auch familienschonend“, wie Koschyk betont – neue Einsätze erhalten, um den Schmugglern vor Ort das Leben schwer zu machen.

Rasterfahnder

Daneben setzt die Regierung auf internationale Kooperation und elektronische Kontrollen. Deutsche Zollbeamte treffen sich regelmäßig mit ausländischen Kollegen und bauen offizielle wie persönliche Kontakte auf. Selbst mit China gebe es inzwischen gute Beziehungen, sagt Koschyk. Wo die Gespräche etwa über Produktfälschungen vor ein paar Jahren noch ruppig gewesen seien, gehe es heute konstruktiv zu – sicher auch, weil chinesische Firmen mittlerweile selbst von Plagiaten geschädigt würden.

Derweil versucht der Zoll, den Warenverkehr elektronisch zu erfassen. In Weiden in der Oberpfalz hat das Zollkriminalamt im vergangenen Jahr eine Zentrale für Sicherheitsrisikoanalysen eröffnet. Noch bevor Ware auf dem Transportweg das Zollgebiet der Europäischen Union erreicht, analysieren dort 50 Beschäftigte rund um die Uhr potenzielle Risiken und informieren im Verdachtsfall die Zöllner an den Flug- und Seehäfen.

Doch bei mehr als 100 Millionen Zollabfertigungen allein im Geschäft mit Nicht-EU-Staaten ist dies ein schwieriges Unterfangen. Schwächen der elektronischen Rasterfahndung sind offenkundig. Zum einen erfasst sie nur Lieferungen aus Drittländern. Zum Zweiten sind die monatlich rund eine Million Eingangsmeldungen mit ungefähr 2,3 Millionen Positionen eine riesige Menge. Und zum Dritten sucht und findet die Mafia immer neue Geschäftsmodelle und Vertriebswege, die sich dem bisherigen Fahndungsraster entziehen und hinter die die Staatsgewalt erst kommen muss.

Besonders en vogue sind bei den modernen Al Capones in jüngster Zeit offenbar Heiz- und Kraftstoffe. Zumindest weist die Kriminalstatistik hier einen starken Anstieg aus, gut 80 Prozent aller Ermittlungsverfahren bei Verbrauchsteuerdelikten beziehen sich hierauf. Der Grund ist simpel: die hiesige Dieselsteuer von knapp 49 Cent pro Liter. Bei einem 38-Tonnen-Tanklaster geht es damit um über 18.000 Euro – eine große Verlockung für das Verbrechen. Und getreu dem Motto „Klotzen, nicht kleckern“ setzt die Mafia nicht nur Lkws ein, sondern mittlerweile auch Tankschiffe.

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