Organisierte Kriminalität Die Steuermafia prellt den Staat um Milliarden

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Tabakwaren auf Flüssen

Bei chinesischen Schmuggelzigaretten sorgten Erfolge der Zollfahnder beispielsweise dafür, dass die Banden ihre Logistik änderten. Um die Herkunft zu verschleiern, werden Stationen in Singapur und den Vereinigten Arabischen Emiraten zwischengeschaltet. Manche Banden meiden den vergleichsweise streng kontrollierten Hamburger Hafen, das deutsche Tor nach Asien. Sie landen ihre Konterbande in anderen EU-Häfen an und nutzen dann die Freizügigkeit des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs. „Seit 2011 mehren sich die Hinweise (...), dass das EMCS-Verfahren europaweit genutzt wird, um nun auch Zigaretten in den Schwarzmarkt zu bringen“, heißt es in einem Lagebericht des Zollkriminalamtes.

Das organisierte Verbrechen schippert inzwischen seine Tabakwaren en gros über die Flüsse. Am Oder-Havel-Kanal beispielsweise enterte ein ZUZ-Kommando einen Frachter, voll beladen mit Zigaretten aus Polen. Die Stangen wurden gerade auf Lkw-Sprinter umgeladen, um anschließend im Ameisenverkehr in Berlin verkauft zu werden.

Ihre logistische Leistungsfähigkeit beweist die Mafia schließlich auch bei Luxustaschen, Markenkleidung oder Autoersatzteilen – alles natürlich gefälscht. „Besonders in der Ferienzeit werden die Produktpiraten aktiv“, sagt Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag, und meint damit den Verkauf von Sonnenbrillen, Zigaretten, Parfüms, T-Shirts oder Jeans in den Urlaubsregionen. Bedenklich ist dabei die verbreitete Akzeptanz dieser Kriminalität: 40 Prozent der unter 35-Jährigen kaufen bewusst Plagiate, ermittelte die Wirtschaftsprüf- und Beratungsgesellschaft EY in einer europaweiten Umfrage.

Die meisten Kunden aber werden schlicht getäuscht. Volker Bartels von der Firma Sennheiser berichtet von ahnungslosen Kunden, die erbost klangschwache Kopfhörer einschickten, welche sich dann bei der Überprüfung als billige Imitationen erwiesen. Zum Umsatz- kommt der Rufschaden hinzu. Sennheiser geht deshalb dazu über, seine Waren mit QR-Codes zu versehen. Mittels Smartphone können Käufer dann bei einer Datenbank abfragen, ob es sich tatsächlich um einen Original-Kopfhörer handelt.

Besonders wichtig ist für Bartels, der auch Vorsitzender des Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) ist, dass sich mehr Unternehmen aktiv dieses Problems annehmen und die Zusammenarbeit mit dem Zoll suchen – von der Grenzbeschlagnahme über Schulungen zum Erkennen von Fälschungen bis hin zu Tipps für Razzien.

Für das organisierte Verbrechen sind dies jedoch kaum mehr als Nadelstiche. Und wo Zoll und ZUZ an die Grenzen ihrer Zuständigkeitsbereiche gelangen, hört die Mafia noch lange nicht auf. Längst agiert sie auch in anderen Sphären des (steuerlichen) Verbrechens und prellt Finanzbehörden mit getürkten Karussellgeschäften um Milliarden.

Gewinnträchtige Alternativen gibt es für die Mafia in offenen Gesellschaften und globalen Wirtschaftskreisläufen stets zur Genüge. Der Staat hinkt immer einen Schritt hinterher.

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