Ostdeutschland Bundesregierung warnt vor Radikalisierung

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Sicherung der Daseinsvorsorge ist eine Herausforderung



Die Steuerkraft falle in den neuen Ländern deutlich geringer aus. Das originäre Steueraufkommen der Flächenländer habe 2016 bei 1144 Euro je Einwohner gelegen, in den westdeutschen Flächenländern dagegen bei 2105 Euro. Zusammen mit sinkenden Einwohnerzahlen vor allem in ländlichen Regionen sowie der Alterung der Gesellschaft werde es schwieriger, die Bevölkerung mit wichtigen Dienstleistungen wohnortnah zu versorgen: „In Teilen Ostdeutschlands stellt heute die Sicherung der Daseinsvorsorge eine Herausforderung dar.“

Als Gegenmaßnahme für die Probleme im Osten empfiehlt der Bericht eine „kluge regionale Strukturpolitik“. „Um regionale Disparitäten innerhalb Deutschlands zu begrenzen, müssen strukturschwache Regionen bei Investitionen in das Sachkapital, die Infrastruktur, in Bildung und Innovation sowie wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge in angemessenem Rahmen unterstützt werden.“

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnt, die Probleme der wirtschaftlichen Entwicklung hauptsächlich im Osten zu verorten. „Das zentrale Problem in Deutschland ist nicht ein Ost-West-Gefälle, sondern ein zunehmendes Nord-Süd-Gefälle, denn auch viele Regionen in Westdeutschland werden immer stärker abgehängt“, sagte Fratzscher dem Handelsblatt. Es gehe daher nicht um ein spezielles Problem Ostdeutschlands.

Vielmehr würden die regionalen Unterschiede in Deutschland immer größer. „Dies ist eine Bedrohung für den Föderalismus“, warnte der DIW-Chef. „Die Politik wird immer weniger ihrer Verantwortung nach dem Grundgesetz gerecht, gleiche Lebensbedingungen für alle in Deutschland zu gewährleisten.“

Fratzscher wies darauf hin, dass fast jede dritte Kommune in Deutschland finanzschwach sei und wegen hoher sozialer Ausgaben immer weniger Spielraum für notwendige Investitionen habe, um für Menschen und Unternehmen attraktiv zu bleiben. „Die Politik muss dieses Problem dringend adressieren“, forderte der Ökonom.

Die jüngst beschlossene Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs werde die zunehmenden regionalen Unterschiede in Deutschland nicht verringern, fügte Fratzscher hinzu. Bund und Länder dürften vielmehr Finanzhilfen nicht mehr nach dem „Gießkannenprinzip“ vergeben, mahnte er, „sondern müssen viel gezielter regionale Strukturförderung unternehmen“.

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