„Osterruhe“ gekippt „Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach den Gesprächen per Videokonferenz mit den deutschen Ministerpräsidenten am Mittwoch. Quelle: dpa

Erst in der Nacht von Montag auf Dienstag konnten sich die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder auf neue Corona-Regelungen einigen. Nun stoppte Merkel die sogenannte „Osterruhe“.

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Nach dem Kippen der umstrittenen Osterruhe-Regelung hat sich Kanzlerin Angela Merkel bei den Menschen in Deutschland entschuldigt. Der ganze Vorgang habe zusätzliche Verunsicherung ausgelöst, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch in Berlin. „Das bedauere ich zutiefst und dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung.“ Merkel übernahm dafür die volle Verantwortung. „Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“, betonte sie.

Zuvor hatte die Kanzlerin in einer kurzfristig angesetzten Konferenz den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ihre Entscheidung mitgeteilt.

Die Idee sei „mit bester Absicht entworfen worden“, sagte Merkel anschließend im Kanzleramt in einem kurzen Statement. Man müsse es unbedingt schaffen, die dritte Welle der Pandemie zu bremsen. „Dennoch war die Idee der sogenannten Osterruhe ein Fehler. Sie hatte ihre guten Gründe, war aber in der Kürze der Zeit nicht gut genug umsetzbar, wenn sie überhaupt jemals so umsetzbar ist, dass Aufwand und Nutzen in einem halbwegs vernünftigen Verhältnis stehen“, sagte Merkel.

Die Kanzlerin erläuterte, dass zu viele Fragen von der Lohnfortzahlung bis zur Lage in Geschäften und Betrieben in der Kürze der Zeit nicht so hätten gelöst werden können, wie es nötig gewesen wäre.

Bund und Länder hatten in der Nacht zu Dienstag unter anderem einen verschärften Oster-Lockdown vom 1. bis 5. April beschlossen, um das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben stärker herunter zu fahren. Der Gründonnerstag und der Karsamstag sollten dafür zu Ruhetagen erklärt werden. Daran war aber massive Kritik laut geworden, es gab zudem große Verwirrung um die praktische Umsetzung.



Im Anschluss an die Videoschalte und ihr Pressestatement stand die Kanzlerin dann noch den Abgeordneten des Bundestags Rede und Antwort. Hier verteidigte sie die Runden mit den Ländern als Steuerungsgremium in der Coronakrise grundsätzlich gegen Kritik. Es gebe sehr viele und sehr gute gemeinsam getragene Entscheidungen mit den Ministerpräsidenten, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag. „Über die Verbesserung der Arbeitsweise (...) werden wir auch noch einmal miteinander reden.“ Dies sei in den Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch so besprochen worden. So wie im Parlament gebe es bei den Bundes- und Landesregierungen Sachverstand. „Das zeichnet unsere föderale Ordnung aus.“

Merkel hob zugleich die jeweilige Zuständigkeit des Bundes und der Länder im Krisenmanagement hervor. „Jede Ebene in der Demokratie hat ihre Verantwortung.“ Der Bund könne bei vielem unterstützen, aber nicht alles machen. „Die Verteilung von Selbsttests an Schulen gehört wirklich nicht zu den Aufgaben, die eine Bundesregierung leisten kann“, sagte die Kanzlerin und verwies auf die Länder und Kommunen. Die Länder hätten erklärt, dass ihr Bedarf (...) bei der Bestellung der Tests gedeckt sei. „Wir bestellen jederzeit nach, wenn die Länder der Meinung sind, dass sie mehr von den Tests brauchen.“

Zu Forderungen, der Bundestag direkt solle über das Corona-Vorgehen entscheiden, verwies Merkel auf ein generelles Spannungsverhältnis zwischen Bund und Ländern. Die Länder hätten beim Infektionsschutz eine Vielzahl von Verordnungsmöglichkeiten, von denen sie auch Gebrauch machen wollten – landesweit oder je nach Landkreis. Wenn der Bundestag einen Stufenplan beschließen würde, wäre dies nicht so einfach. Dies müsste dann auch vom Bundesrat so akzeptiert werden.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) steht hinter der Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel, den geplanten Corona-Osterlockdown zu stoppen. „Ich habe persönlichen Respekt vor der Erklärung der Kanzlerin. Es ist am Ende besser jetzt abräumen, wenn es rechtlich nicht geht“, sagte er am Mittwoch nach Angaben von Teilnehmern.

Vom 2. bis einschließlich 5. April, also von Karfreitag bis Ostermontag, soll das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben weitgehend heruntergefahren werden, um die dritte Welle der Pandemie zu brechen. Der seit mehr als drei Monaten geltende harte Lockdown zur Bekämpfung der Coronapandemie wird insgesamt um drei Wochen bis zum 18. April verlängert. Am 12. April soll das nächste Mal in der Bund-Länder-Runde beraten werden, wie es danach dann weitergeht.

Diese Schritte sollen bis dahin helfen:

„Notbremse“ soll greifen

Die Anfang März vereinbarte „Notbremse“ bei mehr als 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen soll konsequent umgesetzt werden. Öffnungsschritte sollen bei Erreichen der Marke zurückgenommen werden – am Dienstagmorgen lag sie laut Robert Koch-Institut bei 108,1. Die Landkreise sollen darüber hinaus aber auch weitere Maßnahmen ergreifen, wenn der Schwellenwert überschritten wird. Als Möglichkeit genannt werden in dem Beschluss unter anderem Ausgangsbeschränkungen, verschärfte Kontaktbeschränkungen und die Pflicht zu tagesaktuellen Schnelltests in Bereichen, in denen das Abstandhalten oder konsequente Maskentragen erschwert sind.

Mehr Tests an Schulen

Die harten Maßnahmen sollen durch mehr Tests begleitet werden. Bund und Länder wollen Corona-Tests für Schüler, Lehrkräfte und Kita-Beschäftigte ausweiten und streben „baldmöglichst zwei Testungen pro Woche“ an. Die Verteilung und Organisation läuft regional unterschiedlich gut, und über die praktische Umsetzung wird vielerorts noch diskutiert – beispielsweise über die Frage, ob die Tests zu Hause oder in der Schule stattfinden sollen. Zur Organisation des weiteren Betriebs von Schulen und Kitas, etwa zu möglichen Schließungen oder anderen Einschränkungen, trafen Merkel und die Ministerpräsidenten keine konkreten Vereinbarungen. Die Länder regeln diese Fragen damit weiterhin in Eigenregie.

Ökonomen zu den Beschlüssen des Bund-Länder-Gipfels

Mallorca-Urlaub „entschärft“

Urlaub in Mallorca trotz steigender Infektionszahlen: Die Aufhebung der Reisewarnung und Quarantänepflicht für die Lieblingsinsel der Deutschen hat für viel Aufregung gesorgt. Urlaub wird dort zwar weiter möglich sein. Bund und Länder appellieren aber an die Fluggesellschaften, keine zusätzlichen Flüge mehr für die Osterferien anzubieten.

Zudem soll für alle Flüge aus dem Ausland nach Deutschland eine generelle Testpflicht vor Abflug eingeführt werden. Bisher müssen nur Einreisende aus „Hochinzidenzgebieten“ mit besonders vielen Infektionen sowie aus Gebieten mit neuen Virusvarianten bei Einreise einen Test vorweisen. Kommt man aus einem „normalen“ Risikogebiet, muss man sich erst 48 Stunden nach Ankunft in Deutschland testen lassen, was sich schwer kontrollieren lässt. Es gibt aber auch Gebiete in Europa, die gar nicht mehr auf der Risikoliste des RKI stehen, wie zum Beispiel Mallorca. Die neue Testpflicht zielt vor allem auf Urlauber ab, die von dort in den nächsten Wochen nach Deutschland zurückkehren. In der Osterzeit sollen es um die 40.000 sein.

Hotels im Inland bleiben zu

Tourismus im Inland wird auch in den Osterferien nicht möglich sein. Hotels und andere Beherbergungsbetriebe sollen für Urlauber geschlossen bleiben. Dieser Punkt sorgte in den Beratungen für besonders viel Ärger. Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz drangen darauf, ihren Bürgern Urlaub in Ferienwohnungen, Ferienhäusern, Appartements, Wohnwagen und Wohnmobilen möglich zu machen, sofern diese über eigene Sanitäreinrichtungen verfügen und auch das Essen in Eigenregie organisiert werden kann. Davon ist im Beschluss nichts mehr zu finden.



Die Bund-Länder-Runde zählte zu den schwierigsten seit Beginn der Pandemie. Dem Vernehmen nach zeigte sich Kanzlerin Merkel zwischenzeitlich sehr unzufrieden mit dem Verlauf. Stundenlang wurde die große Runde unterbrochen und in kleinem Kreise weiterverhandelt. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprach nach den Beratungen von einer „schweren Geburt“. Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nannte die Verhandlungen schwierig, lobte aber auch den klaren Kurs, der gefunden worden sei. „Wir wissen, dass Corona bleischwer über dem Land liegt“, sagte er. Man habe es jetzt aber in der Hand, die dritte Welle schneller zu beenden als die vorherige. „Ungeduld darf nicht zu unserer Schwäche werden“, mahnte der CSU-Vorsitzende.

Mehr zum Thema: In Tübingen sucht ein Modellprojekt nach Wegen aus dem Lockdown. Oberbürgermeister Boris Palmer wird schon als der Coronamanager der Republik gefeiert. Dabei stammen die entscheidenden Impulse von Notärztin Lisa Federle.

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