Pandemiebekämpfung „Es müssen Taten folgen“: Wirtschaftsvertreter nach Gipfeltreffen enttäuscht

Der Bundeswirtschaftsminister hat sich mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft beraten. Quelle: dpa

Im Vorfeld waren die Erwartungen gering, übertroffen wurden sie tatsächlich nicht: Der Verbändegipfel von Wirtschaftsminister Altmaier hat keine Beschlüsse gebracht. Das lässt den Unmut der Branchenvertreter wachsen.

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Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat beim Verbändegipfel mit mehr als 40 Branchenverbänden diskutiert – konkrete Ergebnisse gab es aber keine. Mehrere Teilnehmer sagten der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag, die drohende Corona-Testpflicht für Unternehmen sei das dominierende Thema gewesen. Die Wirtschaft lehnt eine solche Pflicht ab, die Regierung will in den nächsten Tagen klären, ob sie trotzdem kommt.

„Der Wirtschaftsgipfel darf kein reiner Gesprächskreis bleiben, es müssen auch Taten folgen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes HDE, Stefan Genth. Für Teile der Branche sei die Lage nach Monaten des Lockdowns desaströs. „Schnellstens abgeschafft werden müssen die Höchstsummen für Nothilfen auf nationaler und auf EU-Ebene. Ansonsten sind viele größere, filialisierte Händler so nicht zu retten.“

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) erneut nicht dabei waren. „Das allein zeigt schon den Stellenwert.“ Beide haben der Wirtschaft mit Auflagen gedroht, wenn nicht mindestens 90 Prozent der Firmen regelmäßige Testmöglichkeiten für ihre Mitarbeiter in Büros und Fabriken schaffen. Das SPD-geführte Arbeitsministerium befragt dazu momentan mehr als 2000 Beschäftigte, das CDU-geführte Wirtschaftsministerium kümmert sich um die Unternehmen.

Altmaier sagte, die Unternehmen nähmen ihre Verantwortung beim Testen wahr, das entsprechende Angebot sei zuletzt deutlich ausgebaut worden. „Das begrüße ich sehr.“ Teilnehmer der Runde ergänzten, die Regierung werde noch in dieser Woche ihre eigenen Ergebnisse veröffentlichen. Die 90-Prozent-Vorgabe werde vermutlich nicht erreicht, bei größeren Unternehmen funktioniere es deutlich besser als bei kleineren Betrieben. Der Trend gehe zumindest in die richtige Richtung. Erkenntnissen der Wirtschaftsverbände zufolge ziehen viele Mitarbeiter noch nicht richtig mit. Nur 27 Prozent nutzen demnach die Tests in ihren Betrieben.

Die Wirtschaft hat sich klar gegen eine Testpflicht ausgesprochen und fürchtet zusätzliche Bürokratie. Altmaier habe deutlich gemacht, dass es nun darum gehe, die Mitarbeiter zu überzeugen. Es würde mehrere Monate dauern, um eine effektive Kontrolle bei einer Testpflicht für Unternehmen zu organisieren, so Teilnehmer. Bis dahin seien aber deutlich mehr Menschen in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft.

Schon im Vorfeld der Gespräche gab es Kritik. Die Politik in der Coronakrise sei festgefahren, sagte auch Reinhold Eben-Worlée, Präsident des Familienunternehmerverbandes, der WirtschaftsWoche vor dem Gipfel. „Sonst würde man nicht über immer neue Lockdown-Varianten fabulieren. Gleichzeitig passiert an den wichtigen Stellschrauben Testen, Impfen und Nachverfolgung zu wenig.“ Eben-Worlée forderte den Wirtschaftsminister auf, sich für Lockerungen einzusetzen. „Jeder Tag des Lockdowns treibt weitere verzweifelte Unternehmer in die Insolvenz.“

Auch andere Branchenvertreter forderten Lockerungen. So sagte die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Ingrid Hartges, der „Rheinischen Post“, im Laufe des Mai müssten Öffnungen möglich sein. „So geht es auf jeden Fall nicht weiter.“ Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft forderte, die Überbrückungshilfen - also Zuschüsse zu den Fixkosten - über die Jahresmitte hinaus zu verlängern. Dies hat die Bundesregierung bereits signalisiert.

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Die Corona-Hilfen für Unternehmen und Selbstständige wurden zuletzt schon mehrfach nachgebessert. „Während die Industrie weiter vergleichsweise gut durch die Krise kommt, leiden Dienstleistungen und Handel und andere Branchen weiterhin stark unter den Corona-Beschränkungen“, so Altmaier. „Für besonders stark betroffene Unternehmen bietet der neue Eigenkapitalzuschuss eine wichtige zusätzliche Unterstützung.“

Mehr zum Thema: Wirtschaftsminister Peter Altmaier lädt zum Verbändegipfel. Geduld und Geld vieler Betriebe sind verbraucht. Die Familienunternehmer pochen auf Lockerungen statt Lockdown.

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