Pannengeplagtes Atomkraftwerk Rheinland-Pfalz und Saarland verzichten auf Klage gegen AKW Cattenom

Laut einem Gutachten ist das französische AKW Cattenom gefährlich. Vor Gericht gehen die Nachbarn Rheinland-Pfalz und das Saarland trotzdem nicht.

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Das französische Atomkraftwerk nahe der deutschen Grenze könnte laut einem neuen Gutachten für die umliegende Bevölkerung zur Gefahr werden. Quelle: dpa

Trier Für eine Abschaltung des pannengeplagten französischen Atomkraftwerks Cattenom werden Rheinland-Pfalz und das Saarland nicht vor Gericht ziehen. Ein neues sicherheitstechnisches Gutachten habe zwar bestätigt, dass der Meiler nahe der deutschen Grenze „ein hohes Risiko für die gesamte Region“ darstelle, sagten die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) und Saarlands Umweltstaatssekretär Roland Krämer (SPD) am Montag in Trier.

Das Kraftwerk entspreche nicht den heutigen Sicherheitsstandards und könne auch nicht ausreichend nachgerüstet werden. Dennoch habe die Prüfung der Experten auch ergeben, „dass eine Klage gegen das Atomkraftwerk wenig Aussicht auf Erfolg hat“.

Nach französischem Recht müsse der Kläger umfassende Beweise für konkrete sicherheitstechnische Risiken und deren Wahrscheinlichkeiten vorlegen. „Diesen Nachweis selbst zu führen, würde unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen, mehrere Jahre dauern und einen Erfolg der Klage nicht garantieren“, sagte Höfken. Man gehe von Kosten von 80 Millionen Euro aus. „Ein solcher Aufwand ist nicht gerechtfertigt.“

Das Cattenom-Gutachten, das die beiden Länder beim Öko-Institut in Darmstadt in Auftrag gegeben hatten, hat mehrere mögliche „schwerwiegende Risiken“ für Mensch und Umwelt ausgemacht. Dazu gehöre, dass bei einem Erdbeben spezielle Kühlsysteme und das Feuerlöschsystem nicht ausreichend geschützt seien.

Zudem gebe es nicht genug Schutz gegen Auswirkungen von außen, beispielsweise einem Absturz eines größeren Flugzeugs. „Die Anlage ist nur für den Absturz eines kleineren Geschäftsflugzeugs ausgelegt“, sagte ein Öko-Institut-Sprecher.

Krämer sagte, auch alle anderen baugleichen Atomkraftwerke in Frankreich wiesen die für Cattenom festgestellten Risiken auf. „Auch wenn dies alarmierend ist, reduziert diese Tatsache die Erfolgsaussichten vor Gericht maßgeblich“, denn: Ein markantes Defizit, das Cattenom aus dem französischen Atomkraftwerk-Park hervorheben würde, sei nicht ausgemacht worden. Krämer sagte, diese Defizite lägen bei 54 von 58 Kernreaktoren vor.

Das Atomkraftwerk in Cattenom ist seit 1986 am Netz - als ursprüngliche Laufzeit sind 40 Jahre, also bis 2026, geplant. Im Jahr 2021, fünf Jahre vor dem Stichdatum, beginne in Frankreich ein offizielles Verfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit zur Prüfung einer Laufzeitverlängerung um weitere zehn Jahre, sagte Höfken. „Hier wollen wir uns auf der Grundlage des Gutachten mit Verweis auf die nachgewiesenen Schwachstellen entsprechend kritisch positionieren.“

Auf Bundesebene hätten beide Länder Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) um ein gemeinsames Vorgehen gegen Cattenom gebeten. Seit Bestehen des Atomkraftwerks soll es mehr als 800 meldepflichtige Vorfälle gegeben haben. Das Saarland, Rheinland-Pfalz und Luxemburg setzen sich seit Jahren für eine Stilllegung ein.

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