
Wer politische Hoffnungen und demokratische Sehnsüchte vermessen will, kann es mit dieser Zahl versuchen: Die "Alternative für Deutschland" (AfD) musste für ihren Gründungsparteitag am Sonntag im Berliner Hotel Intercontinental einen weiteren Raum anmieten, um bis zu 1700 Mitglieder und Journalisten unterzubringen. Der große Saal, in dem sonst der Bundespresseball tanzt, reichte längst nicht mehr.
Der Zulauf hat die Parteigründer überrascht. Die AfD könnte das Parteiengefüge kräftig in Bewegung bringen. Immerhin können sich 24 Prozent vorstellen, die neue Partei zu wählen, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap. Parteigründer Bernd Lucke ist voll Zuversicht: "Uns gelingt der Einzug in den Bundestag." Und warum nicht? Der Vorwurf, nur ein einziges Thema zu haben, greift zu kurz. Die Euro-Krise beherrscht längst nicht nur die Finanz- und Wirtschafts-, sondern auch die Rechts- und Innenpolitik. Und selbst wenn die Partei nicht über die Fünf-Prozent-Hürde kommt: Die Wahl in Niedersachsen hat gezeigt, dass ein paar Hundert Stimmen den Ausschlag geben können, ob das bürgerliche Lager die Nase vorn hat oder Rot-Grün.
Fakten zur Anti-Euro-Bewegung „Alternative für Deutschland“ (AfD)
Zum Parteivorstand gehören neben dem Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke unter anderem der langjährige FAZ-Feuilletonist Konrad Adam und der ehemalige hessische Staatssekretär Alexander Gauland.
Die AfD fordert die Auflösung des Euro-Währungsgebietes und die Wiedereinführung nationaler Währungen.
Zur Bundestagswahl im September ist die neugegründete Partei erstmals angetreten. Sie erreichte 4,7 Prozent der Zweitstimmen. Zum Einzug ins Parlament fehlten ihr nur rund 130.000 Stimmen.
Bei der Europawahl am 25. Mai 2014 erreicht die AfD in Deutschland 7,0 Prozent der Wählerstimmen. Damit stellt sie zum Beispiel die FDP klar in den Schatten, die lediglich auf 3,4 Prozent der Wählerstimmen kommt.
Front gegen die "Alternativlosigkeit"
Die Neulinge treibt nichts weniger um, als den seit gut zehn Jahren bestehenden kontinentalen Währungsverbund wieder aufzulösen – allerdings: "geordnet". Ihr wichtigstes Ziel: "Wir fordern die Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Schaffung kleinerer und stabilerer Währungsverbünde. Die Wiedereinführung der D-Mark darf kein Tabu sein."
Die AfD macht damit Front gegen Angela Merkels "Alternativlosigkeit", mit der die Staatsschuldenkrise seit drei Jahren in Brüssel immer wieder gelöst und zugleich immer wieder verschärft wird. Die "Idee Europa" ist längst zu einer hohlen Beschwörungsformel verkommen, um sich im Namen einer wertegeleiteten Politik nicht verantworten zu müssen für die Beseitigung juristisch-politischer wie finanzieller Werte: vom wiederholten Bruch der Europäischen Verträge über die mit Rettungsmilliarden aufgepumpte Inflationsgefahr bis zur schleichenden Bürgerenteignung durch Niedrigzinsen.
Wer aussteigt ist noch unklar
Ihren Weg zur gesünderen Währung hat die neue Partei noch nicht festgelegt. Es ist offen, ob sie lieber die Krisenländer aus dem Euro drängen würde, weil diese Verabredungen nicht eingehalten haben und mit ihrer Wirtschaftsschwäche nicht in den gemeinsamen Währungsraum passen, oder ob Deutschland allein aussteigen und zur D-Mark zurückkehren sollte. Auch der Erhalt des Euro bei Einführung nationaler Parallelwährungen wäre denkbar. In jedem Fall gilt: Ein solcher Umbau ist riskant, aber unter bestimmten Umständen machbar.
Wenig verwunderlich also, dass die Truppe kurz als Anti-Euro-Partei deklariert wird. Dabei ist sie anders als frühere Protestbewegungen kein bloßer Zusammenschluss zu kurz Gekommener, die die Ungerechtigkeit der Welt im Allgemeinen und des Systems im Besonderen beklagen. Initiatoren waren vielmehr Wirtschaftsprofessoren, die aus ökonomischen Gründen den Erhalt der Einheitswährung für einen teuren Fehler halten. Allerdings: Politische Profis gibt es in den Reihen der AfD kaum.