Parteien und der Verbraucherschutz Wem Verbraucher vertrauen

Es ist Wahlkampf – und jede Stimme zählt. Deshalb dürfte diese Umfrage die Parteien aufhorchen lassen: Denn nach dem aktuellen Verbraucherreport gibt die Politik in Sachen Verbraucherschutz kein gutes Bild ab.

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Wie tickt der deutsche Verbraucher? Eine Umfrage kommt zu ernüchternden Ergebnissen - für die Politik. Quelle: picture-alliance/ dpadpa / picture alliance

Berlin In Wahlkampfzeiten sind manche politischen Termine plötzlich Pflichtveranstaltungen für die Spitzenkandidaten. Kein Wunder also, dass es sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht nehmen lässt, beim Deutschen Verbrauchertag vorbeizuschauen. Und das eben nicht nur, weil ihr etwa der Verbraucherschutz am Herzen liegt. Welcher Politiker würde schon das Gegenteil vertreten? Für Merkel wie ihre politischen Konkurrenten sind Verbraucher eben auch Wähler, wie sie selbst ohne Umschweife sagt.

Deshalb lobte sie auch das „sehr schöne“ Motto der Veranstaltung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) „Verbraucher zählen! Verbraucher wählen!“. Das sei ja etwas, „was wir alle hoffen“, so die Kanzlerin in ihrer Rede, „dass alle die, die zählen, auch wählen“. Denn an einer hohen Wahlbeteiligung sei in der Demokratie immer gelegen. Und: „Zu souveränen Bürgerentscheidungen gehört eben auch ein guter Verbraucherschutz.“

In den vergangenen vier Jahren wurde in dieser Hinsicht einiges umgesetzt oder angeschoben, sodass selbst Deutschlands oberste Verbraucherschützer „mit einem guten Gefühl auf diese Legislaturperiode blicken“, wie der VZBV vor wenigen Monaten in einem Bilanz-Papier resümierte. Doch die Mehrheit der Bundesbürger scheint dies anders zu sehen. Im aktuellen Verbraucherreport, einer Umfrage von Kantar Emnid im Auftrag des VZBV unter 1.016 Befragten ab 14 Jahre, wird der Einsatz der Politik für den Verbraucherschutz denkbar schlecht bewertet.

Auf die Frage „Wie stark vertrauen Sie beim Thema Verbraucherschutz den folgenden Personen oder Institutionen?“ nannten gerade mal 26 Prozent der Befragten die Politik. Genauso schlecht schnitten Ratgeberportale ab. Das meiste Verbrauchervertrauen genießt hingegen mit Abstand das persönliche Umfeld, Familie und Freunde (88 Prozent), gefolgt von Verbraucherorganisationen (61 Prozent), Rechtsanwälten (56 Prozent), anderen Verbrauchern (40 Prozent) sowie Hersteller und Handel (32 Prozent).

VZBV-Chef Klaus Müller sprach von einem „Vertrauensleck“, das der der Verbraucherreport offengelegt habe. „Wenn Verbraucher das Gefühl haben, dass ihre Interessen nicht ausreichend wahrgenommen werden, sorgt das für Verunsicherung.“ Es brauche daher „eine starke Verbraucherpolitik, um Verbrauchern wieder mehr Sicherheit zu geben”, so Müller.

Die Grünen machen Union und SPD für den Vertrauensverlust verantwortlich. Statt die Rechte der Verbraucher zu stärken, habe die Große Koalition „zu oft einseitig Politik für die Unternehmen gemacht“, sagte Nicole Maisch, Sprecherin für Verbraucherpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion.

Das schlechte Abschneiden dürfte der Politik wohl auch deshalb zu denken geben, da immerhin 72 Prozent der Befragten angeben, dass für sie der Verbrauchschutz eine wichtige Rolle spiele. Laut der VZBV-Umfrage sehen viele etwa einen Nachholbedarf im digitalen Bereich, also bei Telefon- und Internetthemen (42 Prozent), sowie in den Bereichen Finanzen und Versicherungen (ebenfalls 42 Prozent).

Der Befund ist umso bemerkenswerter, als mit den sogenannten Marktwächtern in dieser Legislaturperiode ein Instrument bei den Verbraucherzentralen etabliert wurde, das schon sehr erfolgreich arbeitet. Auf Initiative von Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) wurden die Marktwächter im Frühjahr 2015 für die Bereiche „Finanzmarkt“ und „Digitale Welt“ eingeführt.

Laut eine jüngst veröffentlichten Bilanz des VZBV sind – Stand März 2017 – aus mehr als einer Million Anfragen, Beratungen und Beschwerden bislang mehr als 12.400 auffällige Meldungen ausgewertet worden. Das sind 100 bis 200 Meldungen pro Woche.

Die knapp 100 für die Marktbeobachtung eingesetzten Experten prüfen, ob strukturelle Missstände vorliegen. Trifft dies zu, werden Verbraucherwarnungen ausgesprochen. Seit Projektstart wurden 19 solcher Warnungen herausgegeben. In 37 Fällen sind Rechtsverstöße festgestellt worden. Die betroffenen Firmen wurden abgemahnt.

So musste beispielsweise ein Homeshopping-Anbieter eine Unterlassungserklärung wegen irreführender Werbung abgeben. In besonders schwierigen Fällen ziehen die Verbraucherschützer vor Gericht. So hat der VZBV gegen den Messenger-Dienst WhatsApp vor dem Landgericht Berlin Klage eingereicht, weil sich das Unternehmen das Recht einräumte, Daten von Verbrauchern mit Facebook zu teilen.


Wie Union und SPD den Verbraucherschutz stärken wollen

Direkte Durchgriffsrechte haben die Verbraucherschützer nicht. Deshalb schalten sie nicht selten die zuständigen Behörden ein. Für Finanzprodukte ist dies beispielsweise die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Nach einem Hinweis der Marktwächter im Sommer 2016 untersagte die Bafin der niederländischen SPS Bank unerlaubt betriebene Einlagen- und Kreditgeschäfte in Deutschland. Die Behörde lobte die Kooperation denn auch schon als „wahnsinnig wertvoll“.

In anderen Bereichen gibt es indes noch Defizite, wie die VZBV-Umfrage zeigt. Die Verbraucherschützer haben die Teilnehmer der Erhebung mit diversen Forderungen an die Politik konfrontiert und danach gefragt, welche davon am drängendsten seien. Als „äußerst wichtig“ und „wichtig“ wurde demnach zuallererst eine ausreichende Altersversorgung (89 Prozent) genannt. Eine große Mehrheit von 81 Prozent findet zudem, dass die Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen künftig wieder in gleichem Maße von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert werden sollten.

Als ebenfalls „äußerst wichtig“ und „wichtig“ wird von den Befragten eine bezahlbare Energiewende und eine schnelle Internetversorgung auf dem Land und in den Städten (beide Male: 76 Prozent) gesehen. Und immerhin 70 Prozent der Befragten ist der Ansicht, dass die Beteiligung der Angehörigen erhöht werden solle.

Immerhin verspricht die CDU in ihrem Wahlprogramm: „Verbraucherschutz bleibt wichtig“. Viel mehr kommt dann aber nicht. „Gerade einmal sechs inhaltslose Sätze“, macht die Grünen-Politikerin Maisch aus. „Kein Wort zum Thema kollektiver Rechtsdurchsetzung trotz der Probleme der Kundinnen und Kunden im Abgasskandal“, kritisierte sie. Kein Thema seien etwa auch eine bessere Schulverpflegung, aussagekräftigere Siegel, ein Basisprodukt zur Altersvorsorge oder mehr Datenschutz.

Tatsächlich: Bei genauem Hinsehen finden sich in dem 76-Seiten-Programm der Union fast nur vage Andeutungen oder Selbstverständlichkeiten, wie die Aussage: „Jeder soll in Deutschland darauf vertrauen können, dass die von ihm gekauften Produkte  und  Lebensmittel  sicher  sind.“ Oder: „Unser Ziel bleibt es weiterhin Altersarmut zu vermeiden.“ Mit Blick auf eine schnelle Breitband- und Mobilfunkversorgung legt sich die Union dann aber fest und verspricht: „CDU  und  CSU sorgen für superschnelles Internet in allen Regionen.“

Und die SPD? Auch sie verspricht in ihrem Wahlprogramm: „Breitband für alle“, um die digitale Spaltung zwischen Städten und ländlichen Gebieten zu überwinden. In anderen Bereichen sind die Vorstellungen der Sozialdemokraten noch konkreter. So wird die Einführung einer Musterfeststellungsklage versprochen. Dahinter steht der Gedanke, dass bestimmte Verbände rechtliche Streitigkeiten, die viele Verbraucher betreffen, mit nur einer Klage vor Gericht klären lassen können. Einen entsprechend Gesetzentwurf hatte Justizminister Maas bereits vorgelegt. Doch die Union blockierte das Projekt.

Im Finanzbereich stößt sich die SPD, dass Geldabheben an fremden Bankautomaten in Deutschland eine „Kostenfalle“ sei. Mit einem „Dispo-Deckel“ sollen deshalb die Gebühren begrenzt werden.

Was am Ende von den vielen Wahlversprechen übrig bleibt, wird sich zeigen. Freuen kann sich indes schon jetzt der VZBV. Denn sowohl Union als auch SPD haben in ihren Wahlprogrammen zugesagt, den Verbraucherverband weiter finanzieren und unterstützen zu wollen. Für CDU und CSU gilt dasselbe auch für die „Stiftung Warentest“. Damit treffen die Parteien den Nerv der Mehrheit der Bundesbürger. Denn beide Institutionen genießen im Vergleich zu anderen Organisationen bei den Verbrauchern das höchste Vertrauen.

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