




Es gibt 54 Redebeiträge, aber keinen Aufstand. Zwischendurch dringt aus dem fünften Stock des Willy-Brandt-Hauses nach draußen, dass Peer Steinbrück sich aus der Spitzenpolitik zurückziehen wird - nach seiner gescheiterten Kanzlerkandidatur übernimmt er die Verantwortung. Aber bei der schwierigen Operation große Koalition will er der SPD noch helfen.
Die erste Hürde Richtung Bündnis mit CDU und CSU nimmt die SPD erstaunlich einmütig. Der Parteikonvent mit rund 200 Delegierten billigt am Freitagabend nach vier Stunden Beratungen erste Sondierungsgespräche mit der Union. Grundlage soll das SPD-Wahlprogramm sein, heißt es im Beschluss. Es gibt nur fünf Gegenstimmen - überraschend nach all den „Kriegserklärungen“ gegen diese ungeliebte Koalitionsvariante.
Gemächlichen Schrittes war Sigmar Gabriel am Nachmittag zu sehen, er schlenderte vor dem so wichtigen Konvent über eine Glasbrücke zu einer Vorstandssitzung. Abgeschottet von der Öffentlichkeit. Auf dem SPD-Chef lastet in diesen Tagen enormer Druck - ansehen kann man ihm das nicht. Aber als er den Vorstand bei drei Enthaltungen hinter sich hat, ist klar, das Projekt ist auf einem guten Weg.
Damit im 150. Jahr des Bestehens der Sozialdemokratie der Laden nicht auseinanderfliegt, will Gabriel aber riskantes Neuland betreten: Kommt es zu einem Koalitionsvertrag mit der Union, sollen am Ende die rund 470 000 SPD-Mitglieder das letzte Wort haben. Auch dafür erhält er um 22 Uhr schließlich grünes Licht vom Konvent.
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Axel Schäfer spricht vom „Ritt über den Bodensee“. Der Chef der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen in der SPD-Fraktion kennt das große Unbehagen seiner Partei in Sachen große Koalition genau. Schäfer hatte daher als einer der ersten den Entscheid ins Spiel gebracht.
Es kann zwar auch ganz anders kommen und der Widerstand so groß sein, dass die Partei nach den Sondierungsgesprächen erst gar nicht in Verhandlungen eintritt und es dann auch keinen Mitgliederentscheid gibt. Aber der Eindruck ist derzeit eher: Langsam ruckelt es sich ein. Gegner einer großen Koalition klettern wieder von den Bäumen herunter. Auch die skeptische NRW-SPD um Ministerpräsidentin Hannelore Kraft stellt sich nicht quer, ohnehin hat nun die Basis das letzte Wort.