Parteitag Wer kann bei den Grünen Wirtschaft?

Bei den Grünen sind einige Wirtschaftspolitiker ausgetreten oder in der zweiten Reihe. Jetzt sitzen neue Wirtschaftsversteher im Bundestag. Quelle: dpa

Die Ökopartei hat wichtige Köpfe verloren, die für Reformen bei Unternehmen und Finanzen standen. Wer das Profil nun schärfen soll.

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Bei den Grünen fallen die Lücken nicht sofort auf. Doch trotz ihrer Stärke in vielen Umfragen und der ganzen Aufmerksamkeit für die beiden Parteichefs Robert Habeck und Annalena Baerbock ist die Sonnenblumen-Partei an manchen Stellen geschwächt. Für Wirtschaftsfragen sind ihr in letzter Zeit herausragende Köpfe abhandengekommen. Das könnte sich auf dem Bundesparteitag der Grünen von Freitag bis Sonntag in Bielefeld zeigen. Die meisten Jüngeren und die Wirtschaftspolitiker insgesamt in Partei und Bundestagsfraktion müssen noch beweisen, für was sie stehen und ob sie Einfluss entwickeln können.  

Ausgeschieden oder in die zweite Reihe getreten sind diese Politiker: Die Wirtschaftspolitikerin Kerstin Andreae etwa ist Chefin des Energie-Branchenverbandes BDEW geworden, der Finanzexperte Gerhard Schick hat die Bürgerbewegung „Finanzwende“ gegründet, der ehemalige Grünen-Chef Cem Özdemir mit engen Verbindungen zu Unternehmensvertretern scheiterte zuletzt mit seiner Bewerbung um den Bundestags-Fraktionsvorsitz.

Die neuen Wirtschaftsversteher im Bundestag:

Danyal Bayaz:
Nach dem Abschied der Freiburgerin Kerstin Andreae soll ein  anderer Bundestagsabgeordneter aus dem Südwesten die Kontakte zu Unternehmen pflegen. Der Ökonom Danyal Bayaz, 36, soll nun den grünen Wirtschaftsbeirat leiten. Dieser Kreis besteht aus Vertretern verschiedener Unternehmen und aus Wirtschaftsverbänden, mit denen Abgeordnete den Dialog suchen und ihre Ideen auf Praxistauglichkeit prüfen. Unter den Beiratsmitgliedern sind unter anderen Führungsleute von Bosch oder BASF. Bayaz ist ehemaliger Unternehmensberater bei Boston Consulting und Vertreter des Realo-Flügels. Der Abgeordnete mit deutsch-türkischen Wurzeln stammt aus Heidelberg und zog 2017 in den Bundestag ein. Im Bundestag ist er im Finanzausschuss vertreten und hat sich unter anderem mit digitalen Währungen beschäftigt.

Katharina Dröge:
Neue wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag ist die Kölner Abgeordnete Katharina Dröge, 35. Dies ist die zweite Position, die Andreae mit ihrem Wechsel in die Wirtschaft hinterließ. Dröge ist Parteilinke und studierte Volkswirtin. Bislang war sie Sprecherin für Wettbewerbs- und Handelspolitik, sie ist seit 2000 Mitglied der Grünen und wurde 2013 in den Bundestag gewählt. Es ist ungewöhnlich, dass eine Vertreterin des linken Parteiflügels diesen Posten auf Tuchfühlung mit der Wirtschaft inne hat.

Dieter Janecek:
Neuer Obmann der Grünen im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie ist schließlich der Münchner Abgeordnete Dieter Janecek, 43. Er ist zugleich Sprecher für Industriepolitik und digitale Wirtschaft. Janecek ist Vertreter des Realo-Flügels. Der Politologe ist seit 2013 im Bundestag.

Anja Hajduk:
Die Hamburgerin ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag und übergreifend für alle Themen rund um Finanzen und Wirtschaft zuständig. Die Realpolitikerin war Grünen-Chefin in Hamburg und hat sich in Haushaltsfragen profiliert. Ursprünglich hatte die 56-Jährige Psychologie studiert. Seit 2013 sitzt sie nach einer Unterbrechung wieder im Bundestag. Sie ist im Haushaltsausschuss vertreten und gilt als präzise wie scharfe Rednerin. Anders als ihre Vorgängerin im Amt, Andreae, ist sie öffentlich allerdings kaum bekannt.

Die Länderminister:
Hier geht es nicht um Winfried Kretschmann, den Stuttgarter Ministerpräsidenten, der oft auch als oberster Wirtschaftsförderer von Baden-Württemberg und für die Maschinen- wie Fahrzeugbauer unterwegs ist. Vor allem zwei Landesminister der Grünen werden aber über die eigenen Landesgrenzen hinaus  beachtet, weil sie entweder schon ungewöhnliche Schritte absolviert haben oder weil sie in größere Fußstapfen gesetzt wurden.

Jan Philipp Albrecht:
Der gebürtige Niedersachse ist erst 36 Jahre alt und gehörte vor seinem Antritt als Minister in Kiel dem Europäischen Parlament an. Im September 2018 folgte er Robert Habeck nach, der vom Minister zum Bundeschef der Grünen Partei wurde. Zuständig ist Albrecht für Energie und Umwelt sowie Digitalisierung und Landwirtschaft. Im Windkraftland Schleswig-Holstein ist nicht nur der Ausbau der Mühlen, sondern auch der Ausbau der Leitungen von enormer Bedeutung. Digitalisierung sehen die Grünen als zentrales Thema, um Jüngere an sich zu binden und Wirtschaftsförderung zu betreiben. Der Jurist Albrecht hat sich früher vor allem auf diesem Feld, der Digitalisierung, profiliert. In Kiel fehlt das eindeutige Profil noch.

Tarek Al Wazir:
Schon eher altgedient ist der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al Wazir. Seit 2014 regiert der 48-Jährige in einer schwarz-grünen Regierung in Hessen mit der CDU. Wegen der früher sehr konservativen CDU und der starken Wirtschaftslobby rund um die Finanzmetropole Frankfurt gilt das Amt als anspruchsvoll. Politologe Al Wazir ist zudem stellvertretender Ministerpräsident. Beim Ausbau des Frankfurter Flughafens vertrat er eine eher moderate Haltung, die Grünen-Anhänger und Flughafen-Gegner nicht gut fanden. Al Wazir ist neben Wirtschaft auch für Energie, Verkehr und Wohnen zuständig.  Er führte das Schülerticket für ganz Hessen ein, das Jugendliche die Nutzung von Bus und Bahnen ermöglicht und als Jahreskarte fürs ganze Bundesland 365 Euro kostet. Das Ticket gilt als Erfolg.

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