
Es sind ganz ähnliche Argumente wie vor gut zwölf Jahren, als der Bundestag seinen bisher ersten und einzigen Antrag für ein Parteienverbot beschlossen hatte. Doch die Kräfteverhältnisse haben sich geändert - deswegen bleibt der Bundesrat im Jahr 2013 das einzige Verfassungsorgan, das beim höchsten deutschen Gericht im zweiten Anlauf ein Verbot der rechtsextremen NPD beantragen will. Anders als unter Rot-Grün und dem damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder sagte der Bundestag am Donnerstag mit seiner schwarz-gelben Mehrheit Nein zu einem solchen Antrag. Die Grünen enthielten sich.
Wahlkampf spielte dabei zwar eine Rolle - doch auf allen Seiten gab es auch schwerwiegende Argumente für und gegen ein Verbotsverfahren. Quer durch alle Fraktionen zog sich die Gewissheit: die antisemitische Ideologie der NPD ist widerwärtig.
Wer das Protokoll der 141. Sitzung des Bundestags vom 8. Dezember 2000 nachliest, findet so manche Einschätzung, die auch jetzt wieder im Parlament fiel. Durch die Bänke bescheinigten damals wie heute alle Fraktionen der NPD verfassungsfeindliche Ziele. Für den Verbotsantrag des Parlaments votierten damals SPD, Grüne und die PDS, der Vorgänger der Linkspartei.
Das lange Ringen um ein Verbot der NPD
Die Karlsruher Richter stellen das erste Verbotsverfahren gegen die NPD ein. Grund sind zahlreiche Verbindungsleute (V-Männer) des Verfassungsschutzes in NPD-Führungsgremien. Das Verbot hatten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat Anfang 2001 unter dem Eindruck zunehmender Gewalt rechtsextremer Täter beantragt.
Eine Hetzjagd von Jugendlichen auf acht Inder in der sächsischen Stadt Mügeln belebt die Debatte um ein NPD-Verbot neu. Der Vorstoß des damaligen SPD-Chefs Kurt Beck, ein neues Verfahren prüfen zu lassen, stößt in anderen Parteien aber auf Skepsis.
Die SPD-Innenminister kommen zu dem Schluss, vor einem NPD-Verbot müssten zunächst nachrichtendienstliche Zugänge „abgeschaltet“ und dann erneut Erkenntnisse über die Partei gesammelt werden. Die Union lehnt einen neuen Anlauf weiter ab.
Die Innenminister der Länder beschließen, wieder systematisch Beweise gegen die rechtsextreme Partei zu sammeln und auf V-Leute in der NPD-Führung zu verzichten.
Die NPD will beim Verfassungsgericht ihre Verfassungstreue prüfen lassen. Ihre Argumentation: Die Partei werde durch die Behauptung, sie sei verfassungswidrig, in ihren Rechten verletzt. Die Richter weisen den Vorstoß im März 2013 ab.
Der Bundesrat beschließt, ein neues Verbotsverfahren einzuleiten. Nur Hessen enthält sich.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung verzichtet darauf, sich dem Antrag der Länder anzuschließen. Im April stimmt auch der Bundestag gegen einen eigenen Verbotsantrag.
Die Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz hat die Beweismittel zusammengetragen und den Verbotsantrag fertiggestellt, wie Baden-Württembergs Innenministerium mitteilt.
Der Bundesrat reicht den Verbotsantrag ein.
Die Länder legen vom Verfassungsgericht angeforderte neue Beweise zur Abschaltung von Geheimdienstinformanten vor.
Der Bundesrat reicht weitere Beweisunterlagen ein, die unter anderem belegen sollen, dass die NPD seit 2013 besonders aggressiv gegen Asylbewerber vorgehe.
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt ab dem 1. März drei Tage lang über ein Verbot der rechtsextremen NPD. Dabei prüfen die Karlsruher Richter auf Antrag des Bundesrats, ob die rund 5200 Mitglieder starke Partei nach den strengen Maßgaben des Grundgesetzes verfassungswidrig ist.
Die Union unterstützte im Jahr 2000 zwar grundsätzlich den Anlauf für ein Verbot, befand aber, ein eigener Bundestagsantrag sei weder rechtlich geboten noch politisch sinnvoll. Das ist auch heute - verkürzt gesagt - die Haltung von CDU und CSU. Am 18. März 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht dann das damals von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat gemeinsam unterstützte erste Verbotsverfahren eingestellt, weil zahlreiche Informanten des Verfassungsschutzes in den Führungsgremien der Partei aktiv waren.
In den vergangenen Monaten stürzte vor allem das Vorpreschen des Bundesrats für ein neues Verbotsverfahren die Union im Parlament in Erklärungsnöte, warum sie nach der Länderinitiative nicht einen eigenen Bundestagsantrag stellen solle. Zumal einer der Antreiber für den im Dezember 2012 beschlossenen Länder-Vorstoß CSU-Chef Horst Seehofer war - einer der Granden von Schwarz-Gelb im Bund. Vor der Landtagswahl in Bayern und der Bundestagswahl im Herbst wollte Seehofer im Wahlkampf keine offene Flanke bieten und sich vorwerfen lassen, nicht genug gegen den brauen Extremismus zu tun.