Patrone im Briefkasten Morddrohungen gegen Maas und Özdemir

Drohungen gegen Politiker sind nichts Neues. Aber Morddrohungen gegen Justizminister Maas und Grünen-Chef Özdemir sprengen den Rahmen. Die Täter kommen aus verschiedenen Ecken. Was sie eint, ist der Hass.

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Neben Cem Özdemir bekam auch Heiko Maas Morddrohungen. Quelle: dpa

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Grünen-Chef Cem Özdemir werden nach eigenen Angaben massiv mit anonymen Todesdrohungen überzogen. Während Maas, der die fremden- und islamfeindliche Protestbewegung Pegida als „Schande für Deutschland“ bezeichnet hatte, sich dem Hass rechter deutscher Kreise ausgesetzt sieht, wird Özdemir vor allem von türkischen Nationalisten bedroht.

Ein Sprecher des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Drohungen seien bekannt und würden geprüft. „Wir nehmen sie sehr ernst“, sagte Sprecher Jens Beismann. Einzelheiten zu geplanten Maßnahmen wie etwa beim Personenschutz könnten aber nicht mitgeteilt werden. Auch das Bundesinnenministerium wollte sich auf Nachfrage nicht zu Details äußern.

In seinen 20 Jahren in der Politik habe er noch nie „so viel Rohheit wie heute“ erlebt, sagte Maas der „Bild am Sonntag“. „Das, was geschrieben und geschickt wird, ist unterirdisch und voller Hass.“ Maas sagte weiter: „Vieles, was da kommt, ist einfach so ekelhaft, das kann ich persönlich gar nicht ernst nehmen. Es berührt mich nicht mehr.“

Der Justizminister erhält nach eigener Aussage „Morddrohungen mit Ort, Datum, Uhrzeit“. Einige Attacken gingen über Zuschriften hinaus: „Jemand hat eine Neun-Millimeter-Patrone in den Briefkasten meiner Privatwohnung geworfen.“

Die Drohungen kommen laut Maas aus der rechten Ecke: „Vor allem Pegida, AfD, NPD und was es sonst noch in der rechten Ecke gibt. Das ist der Teil der Gesellschaft, der sich auch sonst in Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ergießt.“ Die AfD hält Maas dabei nicht für eine Gefahr für Deutschland. „Unsere Demokratie ist stark genug, um auch Rechtspopulisten auszuhalten.“

Özdemir tauscht sich wegen der Bedrohungen mit den zuständigen Behörden über Sicherheitsmaßnahmen aus. Sein Büroleiter Marc Berthold sagte der „Welt am Sonntag“, man sei „mit dem BKA in Abstimmung“. Er fügte an: „Schmähungen und Beleidigungen sind wir durchaus gewohnt, aber so eine hohe Zahl von Todesdrohungen haben wir noch nie erlebt.“

Die Berliner Polizei hat dem Bericht zufolge ihre Präsenz in der Umgebung von Özdemirs Wohnung erhöht. „Es gibt leider auch eine türkische Pegida“, sagte der Politiker der Zeitung zur Notwendigkeit der Schutzmaßnahmen. „Rechtsradikalismus ist kein deutsches Privileg. Das gibt es leider auch in der Türkei und unter Deutschtürken.“

Özdemir, der türkische Vorfahren hat, hatte sich wiederholt kritisch zum Kurs der Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan geäußert. Er war einer der Initiatoren der am Donnerstag vom Bundestag beschlossenen Resolution, in der die Massaker und Deportationen von Armeniern im Osmanischen Reich 1915 als Völkermord eingestuft werden. Der Resolutionsbeschluss wurde in dem Land heftig kritisiert.

Wie Fremdenhass und Zorn über die Aufnahme von Flüchtlingen in blutigen Ernst umschlagen können, zeigt das Attentat auf die heutige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Der Täter, der nach Angaben der Polizei eigentlich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) umbringen wollte, hatte die damalige Bürgermeisterkandidatin Reker im vergangenen Oktober mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Den Polizisten, die ihn festnahmen, sagte er: „Ich hab' das auch für euch gemacht. Ihr müsst ja die ganze Scheiße ausbaden mit den Ausländern.“

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