Peer Steinbrück zur Bankenkrise „Das war Frau Merkel und mir damals sehr deutlich bewusst“

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„Da bin ich sehr skeptisch“

Also nur eine kleine Minderheit im Bankensektor?
Sagen wir es so: Ich vermute, dass 90 Prozent des deutschen Bankensektors hochgradig zufrieden mit der Entwicklung der Zinsen sind. Und nun schwankt die Stimmung plötzlich wieder, weil drei amerikanische Start-up-Finanzierer sich dabei verkalkuliert haben und auch schlechtes Risikomanagement betrieben haben.

Was sollte die EZB also tun?
Ich habe die EZB zuletzt eher dafür kritisiert, dass sie über lange Zeit die Inflationsgefahr verharmlost oder nicht richtig angesprochen hat. Dann ist sie in Verlegenheit gekommen, weil sie gegenüber der ehrgeizigen Antiinflationspolitik der FED immer hinten dran war – was enorme Folge hat auch mit Blick auf den Dollar-Euro-Kurs. Ich glaube deshalb, dass die EZB das Umfeld nun sehr genau beobachtet und vielleicht etwas moderater als bisher weitermacht – mit vielleicht einem weiteren Anstieg von 0,25 Prozentpunkten. Aber dabei muss man natürlich auch immer im Blick halten, was denn die gestiegenen Zinsen für die Finanzierung der hochverschuldeten Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion bedeuten.

Angesichts der enormen Unruhe stellt sich doch die Frage, ob denn die bisherige Regulierung des Bankensektors ausreicht oder immer noch zu schwach ausgefallen ist?
Wir haben inzwischen eine deutlich verstärkte Regulierung, die eher zu viel Komplexität aufweist, gerade für kleinere und mittlere Banken. Ich bleibe aber dabei, dass das größere Problem in der mangelnden Regulierung des Schattenbankensektors liegt.

Es gibt aber auch schon erste Vorschläge einer verschärften Regulierung der Geschäftsbanken.
Da bin ich sehr skeptisch.

Warum?
Es ist einfach zu sagen, dass man jetzt beispielsweise die Eigenkapitalanforderungen an die Banken noch weiter erhöhen soll. Es gibt Professoren, die so etwas allen Ernstes vorschlagen. Da wird dann schnell mal eben von Eigenkapitalunterlegung bei Bankgeschäften von 20 bis 30 Prozent geredet. Aber was würde das mit Blick auf die Finanzierungsfunktion des Bankensektors bedeuten? Und was heißt das international für die europäischen Banken im Wettbewerb? Verschärfungen zu fordern ist eilfertig und populär, aber das hätte natürlich enorme Auswirkungen auf die Finanzierungsfunktion der Banken und auch auf ihre Wettbewerbsrolle gegenüber den sowieso schon übermächtigen Banken in den USA.

Hand aufs Herz: Hätte die damals von Ihnen und Kanzlerin Angela Merkel abgegebene Garantie aller Sparanlagen in Deutschland im Ernstfall wirklich funktioniert, oder hätte das die Bundesrepublik überfordert? Und was bedeutet das heute für die Vertrauenswürdigkeit solcher staatlichen Garantien?
Ich bin häufig gefragt worden, was ich denn gemacht hätte, wenn der Garantiefall eingetreten wäre? Die Antwort ist sehr einfach: Der Staat hätte zahlen müssen – und er hätte es im Übrigen auch gekonnt, denn es wären ja nicht alle Einlagen fällig gewesen. Natürlich hätte die Garantie im Ernstfall die Bundesrepublik auf Jahrzehnte hinweg belastet, so wie auch die Finanzierung der Deutschen Einheit das vereinigte Deutschland auf Jahrzehnte hinaus belastet – bis heute.

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Also könnten die Anleger sich auch heute auf eine solche Garantieerklärung verlassen?
Ja, das ist aus staatspolitischer Verantwortung zwingend geboten, denn sonst wäre für alle Zeiten jegliches Vertrauen in staatliche Garantien verloren. Und das war Frau Merkel und mir damals sehr deutlich bewusst. Die nachträgliche Interpretation, wir hätten die Garantie im Ernstfall nicht umsetzen können, ist falsch und dem widerspreche ich jetzt noch einmal sehr deutlich.

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