




Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt hat davor gewarnt, das islamfeindliche Pegida-Bündnis als sächsisches Phänomen abzutun. Es sei Teil rechtspopulistischer Bestrebungen, die angesichts der Flüchtlingsproblematik bundesweit Zuspruch erführen, sagte er am Donnerstag in Dresden bei der Vorlage einer neuen Pegida-Studie. „Wir sollten begreifen, dass Pegida und AfD dasselbe sind. Fleisch vom gleichen Fleisch.“
Pegida als lokales oder regionales Phänomen zu sehen, hieße, es zu verharmlosen. „Es geht hier um viel gewaltigeres Geschiebe unterhalb der Oberfläche unserer politischen Strukturen. Es ist die Ausbreitung des Rechtspopulismus nach Deutschland“, sagte Patzelt.
In der Entwicklung der vergangenen Monate gebe es vor allem bei jüngeren „Pegidianern“ zwar Radikalisierungstendenzen, was sich auch in den genutzten Internetdiensten zeige. Auch sei die Sprache in den Redebeiträgen rüder geworden und die Bereitschaft der Anhänger gesunken, Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber aufzunehmen. Von einer allgemeinen Entwicklung hin zum Rechtsextremismus könne aber nur bedingt gesprochen werden, sagte Patzelt. Ein „Rechtsruck“ sei nicht festzustellen.
Das Vokabular von Pegida
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhundert geläufig, erlebte das Wort um 1940 eine Renaissance. Dahinter standen laut GfdS immer völkische und nationalistische Anliegen, die die staatlich gelenkte „Lügenpresse“ angeblich zu verschleiern versuchte. Aus Sicht der Protestierenden herrscht auch heute keine wirkliche Meinungsvielfalt oder Meinungsfreiheit. Aus ihrer Sicht bestimmen vielmehr Regierung oder System darüber, was veröffentlicht werden darf.
Der Volksverrat findet sich als Straftatbestand erstmals im Nationalsozialismus. Der heutige Gebrauch von „Volksverräter“ zielt nach Angaben der Gesellschaft darauf ab, die gewählten Volksvertreter eben als Verräter an „ihrem“ (sprich: dem deutschen) Volk zu bezeichnen. Vor der Zeit des Nationalsozialismus habe es den Straftatbestand des Hoch- und Landesverrats gegeben. Erst mit dem Wort Volksverrat habe die Straftat aber einen klaren Bezug zur Nationalität erhalten, da mit den bis dahin üblichen Bezeichnungen nicht auf eine völkische oder ethnische Zugehörigkeit Bezug genommen wurde.
Laut Wörterbuch Grimm ist die Bedeutung „westlich gelegenes Land“, zunächst also rein geografisch und ohne Bezug zu einer bestimmten Nation, Kultur oder Religion. Ideologisch besetzt ist das Wort jedoch nach Angaben der Sprachforscher durch das Hauptwerk des Geschichtsphilosophen Oswald Spengler „Der Untergang des Abendlandes“, das klare antidemokratische Züge aufweist. Spengler sah die abendländische Kultur im Untergang begriffen und hielt die freiheitliche Demokratie für ein (unausweichliches) Stadium zum Niedergang.
Im Duden bereits 1929 verzeichnet, 1993 Unwort des Jahres. Auch hier gibt es laut GfdS einen klaren Bezug zur Sprache des Nationalsozialismus. So sprach Joseph Goebbels 1933 von „Überfremdung des deutschen Geisteslebens durch das Judentum“. Heutzutage seien eher andere Gruppen gemeint, das Wort habe sich hartnäckig gehalten.
Ruf bei den Montagsdemonstrationen in der DDR, später abgewandelt zu „Wir sind ein Volk“ - im Hinblick auf die Wiedervereinigung nach dem Mauerfall. Heute von Pegida aufgenommen - genau wie die Tradition der Montagsdemos - zur Abgrenzung gegenüber Zuwanderern, vor allem solchen muslimischen Glaubens.
Gleichwohl macht er in einer nicht repräsentativen Erhebung einen Anteil von mindestens 20 Prozent Rechtsradikalen und Rechtsextremisten unter den Pegida-Anhängern aus. Dieser Anteil habe sich über die Monate aber nicht wesentlich verändert.
Viele „Pegidianer“ hätten sich „bis zur inneren Kündigung gegenüber unserem Staatswesen verhärtet“, sagte Patzelt. Mehr als 80 Prozent fühlten sich durch etablierte Parteien und Politiker nicht mehr vertreten.
Auf etwa den gleichen Wert stieg die Zahl der Befragten, die angaben, die AfD wählen zu wollen. „Die AfD ist in jene Repräsentationslücke eingedrungen, welche die etablierten Parteien am rechten Rand des politischen Spektrums haben entstehen lassen“, sagte Patzelt.
Wird die AfD langfristig erfolgreich sein?
Die Forschungsgruppe Wahlen hat zwischen September 2014 und Mai 2015 in Deutschland Wahlberechtigte befragt, ob sie glauben, die AfD werde langfristig erfolgreich sein.
Quelle: ZDF Politbarometer, Statista
Im September 2014, also ungefähr ein Jahr nach dem knapp verpassten Einzug in den Bundestag, glaubten nur 56 Prozent der Befragten, die AfD werde langfristig nicht erfolgreich sein.
Zwei Monate später stieg der Anteil derer, die der AfD keinen langfristigen Erfolg zutrauten, auf 63 Prozent.
Im Januar 2015 glaubten 69 Prozent nicht an den langfristigen Erfolg der Euro-Kritiker um Bernd Lucke.
Im Februar 2015 prognostizierten 64 Prozent der AfD keinen langfristigen Erfolg.
Im Mai 2015 stieg (unter dem Eindruck der internen Personaldebatte?) der Anteil derjenigen, die der Alternative für Deutschland keinen Erfolg auf lange Sicht hin zutrauen, auf den in der Umfrage bisher höchsten Stand von 76 Prozent.
„Ausschließeritis und Abgrenzeritis“ vor allem aufseiten der CDU sei für diese Entwicklung verantwortlich zu machen. „Erst seitdem die CDU ihre wichtige staatspolitische Rolle nicht mehr richtig erfüllt hat, ist jener Freiraum entstanden, in dem dann die AfD als rechtspopulistische Partei sich festsetzen konnte, ist jene Lücke entstanden, die dann Pegida unter den besonderen Dresdner Umständen auffüllen konnte.“
Patzelt ist einer der meistgefragten Experten zum Thema Pegida, aber nicht unumstritten. Kritiker werfen ihm eine zu große Nähe zu der Bewegung oder deren Verharmlosung vor.