Ein gutes Jahr ließ sich Christian Lindner Zeit, als er das Bundesfinanzministerium im Dezember 2021 übernahm. Während Olaf Scholz (SPD) Dutzende Vertraute mit ins Kanzleramt mitnahm und Robert Habeck (Grüne) ebenfalls zahlreiche Beamte entließ und durch eigene Truppen ersetzte, schlich Lindner (FDP) sozusagen ins Finanzministerium, nur von wenigen Getreuen begleitet. Doch nun nahm Lindner ein großes Revirement vor.
In einem Rundschreiben – „Liebe Kolleginnen und Kollegen“ – schreibt der Minister: „Ein Jahr ist vergangen. Nun will ich die Aufstellung des BMF stärker auf unsere politischen Vorhabenfokussieren und der Organisation eine langfristige strategische Perspektive geben.“ Damit entlässt er gleich mehrere Abteilungsleiter. Dazu zählen Rolf Möhlenbrock von der wichtigen Steuerabteilung und Tanja Mildenberger von der Zollabteilung. Beide Abteilungen fielen zuletzt immer wieder bei Lindner unangenehm auf.
Die Zollabteilung ist verantwortlich für die Geldwäschebekämpfungseinheit FIU, wo es seit Jahren hakt und immer wieder tausende Verdachtsmeldungen nicht bearbeitet worden sind. Bei der Steuerabteilung lief es beispielsweise im Jahressteuergesetz nicht rund, als die Wertermittlungskriterien beim Vererben von Immobilien erhöht wurden, aber nicht die Freibeträge entsprechend abgepasst wurden . Zuletzt empörte sich Lindner darüber, dass das BMF an der Verhandlung zum Solidarzuschlag beim Bundesfinanzhof diese Woche auf Seiten der Soli-Verteidiger teilnehmen wollte. Letzte Woche stoppte er die Beteiligung persönlich.
In den einstweiligen Ruhestand versetzt Lindner zudem die langjährige Leiterin der Zentralabteilung, Martina Stahl-Hoepner. Überdies läuft beim Abteilungsleiter VI die Verwendung Ende Januar aus.
Die Nachfolger rekrutiert der Finanzminister zum Teil aus dem Bundeswirtschaftsministerium von Habeck. Der dortige Referatsleiter für Steuern, Nils Weith, wird neuer Steuerabteilungsleiter. Und Oliver Lamprecht wird im BMF Leiter der Zentralabteilung. Die Zollabteilung übernimmt Armin Rolfink, der sich früher einen Namen bei der Schwarzarbeitsbekämpfung machte und zuletzt Vizepräsident der Generalzolldirektion war.
Mit der umfangreichen Personalerneuerung hofft Lindner, dass seine liberale Finanzpolitik stärker als bisher von den Beamten umgesetzt wird. In der Leitungsebene galten einige Fachbeamte als strukturkonservative Bremser.
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