Personalmanagement Wie Firmen die Rente mit 63 verhindern wollen

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Traumjob Busfahrer

Die meisten haben viele Jahre hinterm Lenkrad von einem der 577 Busse des Nahverkehrsunternehmens gesessen. Aber einige sind Spätberufene. Wie Jan Hahnheiser, der nicht mehr länger bei der Versicherung oder als selbstständiger Anwalt schuften wollte und so mit 61 noch den Busführerschein machte und zwei Jahre lang in Teilzeit den dichten Verkehr zu überlisten suchte. „Eigentlich will doch jeder Junge Lokomotivführer werden“, scherzt der Frührentner, der jetzt auf einen Minijob umgestiegen und noch drei bis fünf Tage im Monat auf Tour ist. „Ich muss finanziell nicht, will aber noch fahren.“

Wann die Europäer in Rente gehen
DeutschlandDie Arbeitnehmer in Deutschland sind nach Informationen der „Bild-Zeitung“ im vergangenen Jahr so spät in Rente gegangen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Gleichzeitig sanken die Abschläge wegen vorgezogenen Renteneintritts auf den niedrigsten Wert seit 2003, berichtet die Zeitung unter Berufung auf die neueste Rentenzugangsstatistik der Deutschen Rentenversicherung. Danach stieg das durchschnittliche Renteneintrittsalter der Männer 2012 von 60,9 auf 61,2 Jahre. Frauen gingen mit 61 (2011: 60,8) Jahren in Rente. Das waren die höchsten Werte seit mehr als 20 Jahren. Im Jahr 2000 wechselten Männer noch im Schnitt mit 59,8 Jahren aufs Altenteil, Frauen mit 60,5 Jahren. Quelle: dpa
FrankreichAuch in Frankreich ist das Renteneintrittsalter gestiegen: 2009 - vor der Anhebung der Altersgrenze - gingen die Franzosen noch mit durchschnittlich 59,3 Jahren in Pension, 2012 waren sie im Schnitt 62 Jahre und 2 Monate alt (2011: 61 Jahre und 11 Monate). Wer vor seinem 20 Lebensjahr angefangen hat zu arbeiten und in die Rentenkasse einzuzahlen, darf bereits mit 60 Jahren aufs Altenteil wechseln, ohne Abschläge befürchten zu müssen. Quelle: AP
Griechenland2012 haben sich die griechische Regierung und die Troika aus Europäischer Zentralbank, Europäischer Union und Internationalem Währungsfondsdarauf geeinigt, das Renteneintrittsalter in dem Schuldenstaat anzuheben. Seit dem gehen die Griechen - zumindest nach Plan - mit 67 statt wie zuvor mit 65 Jahren in den Ruhestand. 2011 betrug das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Griechenland 61,4 Jahre. Quelle: dpa
ItalienItalienische Frauen verbringen inzwischen durchschnittlich 27,3 Jahre im Ruhestand, Männer knapp 23. In Rente gehen die Italiener im Schnitt mit 60,8 Jahren. Wenn sie keine Abschläge hinnehmen wollen, müssten sie eigentlich bis 62 arbeiten. Quelle: AP
Spanien2011 hat sich auch die spanische Regierung angesichts eines gigantischen Schuldenberges dazu entschlossen, die Altersgrenze anzuheben: Wie auch in Deutschland und Griechenland soll das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden. Zuvor gingen die Spanier im Schnitt mit 62,6 statt 65 Jahren in Rente. Beschäftigte, die bereits 38,5 Jahre gearbeitet haben, haben allerdings weiterhin ab dem 65 Lebensjahr einen Anspruch auf volle Rentenbezüge. Quelle: dapd
GroßbritannienSeit 2011 gibt es in Großbritannien kein offizielles Rentenalter mehr. Die Briten können also selbst entscheiden, wann sie in den Ruhestand gehen. Zuvor konnten die Briten mit 60 Jahren (Frauen) beziehungsweise 65 Jahren (Männer) die Arbeit Arbeit sein lassen. Das tatsächliche Eintrittsalter lag vor der Abschaffung des Rentenalters bei 63,1 Jahren. Quelle: AP
IrlandDie Iren arbeiten am längsten: So müssen auf der grünen Insel Männer und Frauen noch bis 65 arbeiten und tun es auch - zumindest bis sie (im Durchschnitt) 64,1 Jahre alt werden. Wegen des Schuldenberges der grünen Insel erhöht die irische Regierung nun schrittweise das Rentenalter von 65 auf 68 Jahre. Quelle: AP

Für andere ist nicht die Freude am Fahren, sondern der Zuverdienst Anreiz, um weiterzumachen. „Gute Fahrer, die die Speditionen jenseits der Rentengrenze halten wollen, werden besser bezahlt“, sagt Rüdiger Ostrowski, Vorstand des Verbandes Spedition und Logistik Nordrhein-Westfalen. Nun müssen die Firmen früher tiefer in die Tasche greifen, denn viele der begehrten Fahrer können mit 63 statt mit 65 in Rente gehen. 10 bis 15 Prozent Zuschlag aufs Vollzeitgehalt sind keine Ausnahme. Und: Für den Fernverkehr werden die Fahrer noch knapper, weil Ältere lieber im Nahverkehr unterwegs sind.

Erfahrung und Wissen halten will auch Bosch. Innerhalb der nächsten zehn Jahre könnten dort ein bis zwei Prozent der 107 000 Beschäftigten zusätzlich abschlagsfrei in Rente gehen, also etwa 2000 Mitarbeiter über alle deutschen Standorte. Bosch-Personalgeschäftsführer Christoph Kübel hält die Rente mit 63 für ein falsches Signal: „Die Rente mit 67 ist der richtige Weg.“ Für den Technikkonzern selbst sieht er allerdings kein Risiko. Etwa 100 Arbeitszeitmodelle, Altersteilzeit und der im Metalltarifvertrag festgelegte Anspruch auf einen flexiblen Renteneinstieg schaffen gleitende Übergänge in die dritte Lebensphase. Schon bisher gingen einige Arbeitnehmer vor dem 65. Lebensjahr in den Ruhestand. Dennoch versucht auch Bosch, mit zertifizierten Arbeitsplätzen und Gesundheitsprogrammen die Mitarbeiter in der Produktion zu halten, dank derer Erfahrung die Fließbänder niemals stillstehen.

Mit den Senioren zufrieden

Und wer doch geht, kann für Projekte wiederkommen – anteilig bezahlt nach seinem letzten Gehalt. Die Tochtergesellschaft Bosch Management Support, gegründet, um auf pensionierte Führungskräfte zurückgreifen zu können, öffnet sich inzwischen auch den Werkstattmeistern. 1600 Senioren haben ihre Fähigkeiten und Kontaktdaten in einer Datenbank hinterlassen. 50.000 Arbeitstage leisteten die verrenteten Boschianer im Jahr 2013. 1,6 Prozent der Freiwilligen sind jenseits der 75, die meisten bis 69 Jahre aktiv. Ob es in China, Mexiko oder Deutschland in der Produktion klemmt, die sogenannten Silver Worker springen ein. Und das zur vollen Zufriedenheit der hilfsbedürftigen Bosch-Werke: 90 Prozent würden wieder auf den Rat der jung gebliebenen Alten setzen.

Diese Quote erklärt sich durch die Auslese. „Wir führen Gespräche, denn außer der Qualifikation und dem Wunsch, am Ball zu bleiben, ist es entscheidend, dass die Berater Sozialkompetenz mitbringen“, sagt Robert Hanser, der seit Juli Senioren-Geschäftsführer und selbst mit 60 Jahren in Pension gegangen ist.

Das ist nicht ungewöhnlich, steht die 60 doch bei vielen Führungskräften als Ausstiegsalter im Vertrag. Da diese sich jedoch oftmals noch zu jung für den Ruhestand fühlen, betreuen sie regelmäßig Projekte. Wobei Bosch darauf achtet, dass keine Dauerarbeitsverhältnisse entstehen.

Denn obwohl viele der Teilzeitrentner ihr Wissen gerne an die nächste Generation weitergeben und weiterhin Verantwortung im Unternehmen übernehmen wollen, sollte auch etwas Zeit für den wohlverdienten Ruhestand bleiben.

Wie bei Bekleidungsphysiologe Nocker von Gore. Sein Hobby ist die Jagd. Praktisch daran: Weil Jäger meist früh morgens oder in der Abenddämmerung unterwegs sind, lässt sich diese Leidenschaft bestens mit seinem Job vereinbaren.

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