
Der Tod der Soldatin Sarah Seele, die am 8. November 2010 auf dem Segelschulschiff Gorch Fock verunglückte, hat die Nation bewegt. Bis heute sind die Umstände nicht eindeutig aufgeklärt. Ebenso wenig wie der Tod der Soldatin Jenny Böken, die auf demselben Schiff schon zwei Jahre zuvor unter mysteriösen Umständen über Bord gegangen war.
Die beiden jungen Offiziersanwärterinnen Seele und Böken hätten, dafür sprechen sehr viele Indizien, niemals den Ausbildungslehrgang auf dem Segelschulschiff antreten dürfen. Seele war zwar nicht übergewichtig, wie zunächst berichtet. Aber sie war mit 158 cm deutlich zu klein - und erhielt daher eine Sondergenehmigung. Wer schon mal auf einem Segelschiff war, der weiß, dass lange, starke Beine mehr als hilfreich sind beim so genannten Aufentern in die Takelage.
Prozess wird neu aufgerollt
Für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gehören beide Todesfälle zu den vielen unerfreulichen Dingen, die mit ihrem neuen Amt verbunden sind. Sie traf die Eltern von Böken im Juli zu einem Gespräch. Am 22. Oktober wird der Fall vor dem Aachener Verwaltungsgericht wieder aufgerollt – auf Wunsch der Eltern.
Dabei wird es unter anderem um mysteriöse verschwundene ärztliche Untersuchungsergebnisse gehen. Böken litt vermutlich unter Prädiabetes, weswegen sie während des Dienstes oft einschlief. In der Bundeswehr fürchtet man nicht ohne Grund, dass am Ende als Ergebnis feststehen wird, dass vorsätzlich eine ungeeignete Kadettin auf die Gorch Fock geschickt wurde.
Braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Die Bundesregierung hat bisher nicht vor, die Finanzmittel für die Bundeswehr wesentlich aufzustocken. Im Haushaltsplan für 2015 gehört der Verteidigungsetat zu den wenigen Posten, bei denen gekürzt wurde - wenn auch nur um 0,5 Prozent. Bis 2018 ist eine leichte Steigerung von 32,3 auf 36,86 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr wird jetzt der Ruf nach einer deutlich stärkeren Erhöhung lauter. Was spricht dafür und was dagegen?
Quelle: dpa
Deutschland will mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Bei den Verteidigungsausgaben liegt es aber weit hinter den wichtigsten Nato-Partnern zurück. Während der Bundesregierung Armee und Ausrüstung nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wert sind, investieren die USA 4,4 Prozent in ihr Militär, Großbritannien 2,4 Prozent und Frankreich 1,9 Prozent. Erklärtes Nato-Ziel ist es, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Das bekräftigte das Bündnis auch bei seinem Gipfeltreffen in Wales Anfang September - mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zumindest bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt es eine Finanzlücke. Die Mittel dafür wurden 2010 gekürzt. Militärs beklagen, dass die Bundeswehr heute noch darunter zu leiden hat.
Auf die Bundeswehr kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu. Die Nato will ihre Reaktionsfähigkeit im Krisenfall verbessern. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus wird möglicherweise noch Jahre dauern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vereinten Nationen auch ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Blauhelmeinsätzen in Aussicht gestellt. Das alles geht nicht ohne modernes, robustes und gut gepflegtes Material.
Die Bundeswehrreform wurde nach dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ entworfen. Das heißt: Die Truppe soll alles können und braucht dafür in jedem Bereich die entsprechende Ausrüstung. Das kostet. Bleibt man bei diesem Prinzip, muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Rüstungsproblem der Bundeswehr ist nicht in erster Linie ein finanzielles Problem, sondern ein Managementproblem. Das macht sich schon daran bemerkbar, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro des Verteidigungsetats gar nicht ausgeschöpft wurden.
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ widerspricht den Bestrebungen von Nato und EU, innerhalb der Bündnisse Aufgaben zu teilen. Diese Bemühungen kommen bisher allerdings nur schleppend voran. Man könnte sich stärker dafür einsetzen, um zu einem effizienteren Rüstungssektor zu kommen.
Je mehr verschiedene Militärgeräte es gibt und je geringer die Stückzahlen, desto größer ist auch der Wartungs-, Instandhaltungs- und Ausbildungsaufwand. Deswegen könnte eine stärkere Spezialisierung der Bundeswehr Kosten sparen.
Bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter kommt es regelmäßig zu Verzögerungen und Kostensteigerungen, denen man durch ein besseres Vertragsmanagement entgegenwirken kann. Nur einige Beispiele: Der Kampfhubschrauber „Tiger“ sollte im Dezember 2002 ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010. Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Die Kosten für die Fregatte 125 haben sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Der Preis für ein Transportflugzeug A400M stieg wegen einer nachträglichen Reduzierung der Stückzahl von 124,79 auf 175,31 Millionen Euro.
Doch die beiden toten Soldatinnen sind nicht nur menschliche Tragödien, sie werfen auch eine grundsätzliche Frage auf, die Bundeswehrführung in zunehmendem Maße beschäftigen muss: Sind die Soldaten – und vor allem die Soldatinnen – der Bundeswehr den unter Umständen körperlich sehr anspruchsvollen Aufgaben ihres Dienstes überhaupt gewachsen? Oder drückt die Bundeswehrführung gerne auch mal beide Augen zu, weil sie sonst die Erfüllung von Personalplanzahlen und politisch gewollten Gleichstellungszielen nicht zuwege bringt?
Profi-Soldaten können das Soldatenhandwerk besser und sind fitter für Auslandseinsätze. Das war ein schlagendes Argument für die Aussetzung der Wehrpflicht seit dem 1. März 2011. Die real existierende Freiwilligenarmee gibt leider ein anderes Bild ab.